»Trending Topics« bei Twitter verstehen

In diesem Beitrag entwerfe ich eine Unterrichtseinheit für das Fach Deutsch oder Medienkunde. Im Mittelpunkt steht die Leitfrage danach, wie bestimmt werden kann, welche Themen eine Gruppe von Menschen besonders beschäftigen. Diese Frage soll am Beispiel von Twitters »trending topics« behandelt werden.

  1. Einstieg: Welche fünf Themen sind in der Schule im Moment besonders wichtig?
    • Woran erkennt man das?
    • Kann man ernste von weniger ernsten Themen unterscheiden?
    • Wen könnte es interessieren, welche Themen im Moment besonders aktuell sind?
  2. Was sind »trending topics« auf Twitter?
    • Suchen Sie die aktuellen »trending topics« und versucht zu erklären, warum diese Themen im Moment besonders aktuell sind.
    • Kann man wiederum ernste von weniger ernsten Themen unterscheiden?
    • Wie funktionieren #Hashtags auf Twitter?
    • Warum ermittelt Twitter überhaupt »trending topics«?
  3. Aktivisten beklagen sich oft, dass ihre Anliegen nicht in den »trending topics« erscheinen (z.B. die in Russland verurteilte Band »Pussy Riot« oder die Aktivitäten von Wikileaks).
    • Recherchieren Sie die Hintergründe dieser Klagen.
    • Lesen Sie diesen Artikel und versuchen Sie zu erklären, warum diese Themen nicht zu einem Trend werden.
    • Angenommen, Sie müssten Twitter dabei helfen, die wichtigen Themen zu ermitteln (z.B. die, die in der Tagesschau auftauchen). Wie würden Sie vorgehen?

Ziele erreichen mit Social Media

Schülerinnen und Schüler werden immer wieder dazu angehalten, sich realistische Ziele zu setzen (z.B.SMART). Diese Art der Zielsetzung ist stark mit Motivation verbunden. Im Folgenden möchte ich, angeregt durch einen Blogpost, eine Möglichkeit vorstellen, mit denen es in sozialen Netzwerken möglich ist, sich Ziele zu setzen.

Die Frage, ob es sinnvoll ist, seine Ziele öffentlich kundzutun, kann auf zwei Arten beantwortet werden:

  1. Selbstverständlich – denn je mehr Leute ein Ziel kennen, desto verbindlicher wird es.
  2. Nein: Wer seine Absichten publiziert, erfährt bereits dadurch eine Befriedigung, die verhindert, dass man sich ernsthaft bemüht, die Ziele zu erreichen – so zumindest argumentiert Derek Sivers.

Eine bliebte Möglichkeit nennt sich 43things. Man kann dort Vorsätze und Ziele formulieren, sie kommentieren und mit anderen Personen (auf 43things oder Facebook) teilen. Man erhält dann Applaus fürs Erreichen von Zielen oder Teilzielen, Rückmeldungen und Tipps. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich selber Emails zu schicken – das zukünftige Ich wird daran erinnert, welche Ziele es sich in der Vergangenheit gesetzt hat.

Das ganze sieht dann so aus:

;

Man sieht an diesem Beispiel wieder, dass solche Ideen problemlos auch ohne Computer umgesetzt werden können: In einer Klasse wäre 43things ohne jede Software leicht möglich – nur bezieht man dann nicht unbekannte Menschen ein (für mein Ziel interessieren sich vielleicht alle anderen, die auch ein Buch schreiben möchten, die ich aber nicht kenne) und der administrative Aufwand (das Überbringen von Nachrichten etc.) wäre größer.

Anleitung: Tafelbilder teilen

Smartphones bieten die Möglichkeit, Tafelbilder am Ende einer Stunde zu fotographieren und sie so mit Schülerinnen und Schülern zu teilen. Diese könnten dann die Tafelbilder wiederum kopieren.

Ich stelle im Folgenden drei automatisierte Methoden vor, bei denen das Erstellen des Bilder automatisch zu einer sinnvollen Darstellung für die Schülerinnen und Schüler führt. Selber benutze ich auch lore.com, ein Service, bei dem ich die Bilder manuell hochlade.

(1) Evernote

Ich erstelle auf Evernote ein Notizbuch, das ich öffentlich freigebe. Dann erhalte ich eine URL, die ich mit den Schülerinnen und Schülern teilen kann, in diesem Fall handelt es sich um diesen Link (ein einfaches Beispiel zu Übungszwecken).

In der App (Evernote gibt es sowohl für iPhones/iPads als auch für Android) kann ich dann das Notizbuch auswählen und mit dem +-Knopf ein Bild erstellen, das dann automatisch in diesem Notizbuch gespeichert wird. Evernote bietet mir die Möglichkeit, einen Titel zu setzen und Notizen einzutragen, die ich später auch online oder in der Computer-App ändern kann.

Wenn ich Tafelbilder für mehrere Klassen speichern möchte, kann ich für jede ein Notizbuch erstellen.

(2) If-this-then-that, z.B. Instagram – Tumblr

Die Seite ifttt.com, kurz für: »if this, then that«, also: »wenn das, dann das«, lässt einen »Rezepte« erstellen. Rezepte bestehen aus einem Trigger, einem auslösenden IF-Ereignis und einer Folge davon, dem THAT-Ereignis.

Im vorliegenden Beispiel habe ich nun ein Rezept erstellt, bei dem ein Instagram-Bild (auch hier gibt es eine App für iOS und für Android) automatisch in einem Tumblr-Blog publiziert wird. Dort wäre es dann möglich, Kommentare einzufügen (die von Instagram werden automatisch übernommen). Hier mein kleines Testbeispiel:

Das einzige Problem ist hier, dass diese Lösung schwierig für verschiedene Klassen umsetzbar ist, dass ifttt.com nur einen Account pro Service erlaubt, man kann also nicht zwei verschiedene Instagram-Accounts gleichzeitig laufen lassen.

(3) WordPress

Auch von WordPress gibt es eine iOS- und eine Android-App. Die App erlaubt das Erstellen von Post, in die können Bilder direkt in der App eingebettet werden. Das sieht dann so aus:

 

Es wäre also möglich, ein Tafelbild-Blog direkt aus der mobilen App zu bespielen. Auf ein Beispiel habe ich hier verzichtet: Es ist aber auch hier möglich, mehrere Blogs für mehrere Klassen gleichzeitig zu führen.

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Meine Favoriten wären Lösungen (1) oder (3) – sie sind einfach zu implementierenbieten dann auch mehr Möglichkeiten.

Aber evtl. gibt es viel bessere, einfachere Lösungen: Auf die freue ich mich in den Kommentaren!

Moral und Social Media – eine Geschichte aus den USA

Karen Klein ist 68-jährig und arbeitet als Aufsichtsperson in einem Bus, der Schülerinnen und Schüler in eine Middle School bringt (5.-8. Schuljahr). Während mehrere Schüler Frau Klein belästigt haben, haben sie davon ein Video gemacht und es auf Facebook geladen.

Als Reaktion wurde dieses Video mit den Namen der beteiligten Schüler sowie der Buslinie und dem Schulort auf Youtube geladen (Link oben), wo es bis heute fast vier Millionen Menschen angesehen haben.

Zudem wurde auf Indiegogo ein Spendenaufruf installiert, mit dem man über Spenden der Frau Ferien ermöglichen wollte. Dafür hoffte man $ 5000 zu sammeln. Bis heute wurden aber schon über $ 450’000 gesammelt – genug, damit die Frau sich pensionieren lassen kann.

Die Geschichte zeigt die Kraft von Social Media und von einer globalen Verbreitung von Inhalten: Aus einem klassischen Mobbing-Fall, verbunden mit gemeinem Cyberbullying, der nur die Frau selbst und die Schüler im Bus betrifft, wurde ein Medienspektakel, an dem beliebig viele Menschen teilnehmen können. Sie können sich an verbaler und psychischer Gewalt belustigen – aber auch moralisch darauf reagieren. Social Media befähigt Menschen nicht nur, Inhalte zu konsumieren, sondern auch selber einzugreifen, zu handeln. Das ist das Schöne an der Geschichte. Social Media führt zu einer Lösung.

Allerdings, und das muss auch gesagt sein: Wir haben keine Möglichkeit den Wahrheitsgehalt auch nur eines Bestandteils zu prüfen. Auf der Sammelseite werden viele Links angegeben – ohne dass die uns aber definitiv darüber Aufschluss geben können, ob es sich hier um die Wahrheit handelt.

Social Media als Ergänzung zu mündlicher Beteiligung

Letzte Woche habe ich ein Projekt vorgestellt, bei dem Twitter als eine spielerische Erweiterung des Literaturunterrichts genutzt wird. Plattformen wie Twitter können aber auch als Ergänzung zu einem Klassengespräch genutzt werden. Kernidee: Wer sich nicht beteiligen kann oder will, nutzt Social Media als Ersatz.

Auf Konferenzen mit Social Media-Bezug ist es üblich, neben oder statt Slides einen Twitter-Wall einzublenden, wie man ihn auf dem Bild sieht:

Dort können die Zuhörerinnen und Zuhörer direkt Feedback geben, untereinander kommentieren und das Referat mit Links und Kommentaren sozusagen erweitern.

Diese Idee könnte man auch auf den Unterricht anwenden: Stille Schülerinnen und Schüler können sich per Social Media an einer Diskussion beteiligen, die von der Lehrperson dann wieder ins Klassengespräch integriert werden kann. Das tut Erin Olson, eine Englischlehrerin aus den USA, die in einem Beitrag der New York Times vorgestellt worden ist.

Das Klassengespräch erhält so einen so genannten Backchannel: Eine zweite Kommunikationsebene, auf der Fragen gestellt werden können, Meinungen geäußert und Kommentare abgegeben können. Die Idee besticht aus drei Gründen:

  • Es ergeben sich Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Schülerinnen und Schülern, z.B. kann, wenn jemand einen Begriff nicht versteht, die Klasse selbst eine Erklärung abgeben.
  • Es ergibt sich eine Aktivierung sonst passiver Schülerinnen und Schüler.
  • Wenn die Möglichkeit gegeben wird, themenzentriertes abzuschweifen, verhindert das nicht-thematisches Abschweifen.

Zwei Schülerstatements aus dem Artikel sind beeindruckend:

“Everybody is heard in our class,” said Leah Postman, 17.
Janae Smith, also 17, said, “It’s made me see my peers as more intelligent, seeing their thought process and begin to understand them on a deeper level.”

Die Einwände sind vorhersehbar – und selbstverständlich auch berechtigt: Laptops oder Tablets im Schulzimmer bieten die Gefahr einer Ablenkung, einer Verzettlung, eines Mangels an Vertiefung.

* * *

Technische Möglichkeiten

Twitter selbst ist nicht für einen Bildungskontext ausgelegt. Ich schlage zwei andere Tools für den Einsatz im Schulzimmer vor und werde das im kommenden Schuljahr auch ausprobieren:

  1. Google Moderator, wo Fragen gestellt und beantwortet werden können
  2. TodaysMeet, eine Art provisorisches Twitter, das für jede Veranstaltung installiert werden kann und automatisch gelöscht wird, aber auch die Möglichkeit zum Download der Gespräche bzw. Fragen bietet.

* * *

Zusatz 16. Juli 2012: Jürgen Bucher unterrichtet Medienwissenschaft an der Universität Trier und ersetzt Wortmeldungen teilweise durch die Möglichkeit, per Twitter Fragen zu stellen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Welchen Einfluss Twitter auf das Schreiben hat

Die amerikanische Literaturzeitschrift n+1 hat diese Woche einen Essay über Twitter publiziert (»Please RT«, verantwortlich dafür sind die Herausgeber). Darin findet sich eine Kurzkritik des Schreibens auf sozialen Medien – die deshalb bedeutsam ist, weil hier schon mehrfach über die Möglichkeiten des Einsatzes von Twitter im Schreib- und Literaturunterricht nachgedacht worden ist, z.B. hier und hier.

Der Artikel beginnt mit einer Beschreibung von Twitter – eine Beschreibung, die man kaum nachvollziehen kann, wenn man Twitter nicht aktiv nutzt, weil man sich dann fragt, wie Menschen sich ausdrücken können, wenn 140 Zeichen die Limite für jede Äußerung ist. Das kann nur ein bedeutungsloses Zwitschern sein, wie der Name Twitter es ausdrückt: Aber nichts, was den literarischen und kommunikativen Möglichkeiten des menschlichen Kulturlebens würdig wäre.

Wer jedoch einen Zugang zu Twitter findet, findet es plötzlich unterhaltsam und informativ. Man liest bei Zeugen von Katastrophen mit, Expertinnen in verschiedenen Wissensgebieten und Opinion-Leaders. Der Kreativität hinter Profilen scheinen kaum Grenzen gesetzt. Wenn man aber eine gewisse Distanz einnimmt, scheinen viele Tweets nur eins zu sagen:

I need to be noticed so badly that I can’t pay attention to you except inasmuch as it calls attention to me. I know for you it’s the same.
[Übersetzung phw:] Ich brauche so dringend Aufmerksamkeit, so dass ich mich dir nur dann zuwenden kann, wenn ich dadurch mehr Aufmerksamkeit generieren kann. Ich weiß, bei dir ist das gleich.

Und das stimmt: Obwohl es bei Twitter möglich ist, den Profilen zu folgen, die man interessant findet, halten es viele User so, dass sie das Verfolgen ans verfolgt Wenden knüpfen. Hört man auf, ihnen zu folgen, so hören sie auch auf, einem zu folgen.

Der Text zitiert die Schauspielerin Lena Dunham, Star der neuen HBO Serie »Girls«. Sie sagt in einem Interview auf die Frage, ob es in Bezug auf die Möglichkeiten, sich auf Social Media zu präsentieren, einen Unterschied zwischen den Generationen gäbe:

[M]y dad finds Twitter just infinitely unrelatable. He’s like, „Why would I want to tell anybody what I had for a snack, it’s private?!“ And I’m like, „Why would you even have a snack if you didn’t tell anybody? Why bother eating?“
[Übersetzung phw:] Mein Vater findet Twitter unmöglich. Er sagt: »Warum würde ich jemandem erzählen wollen, was ich gegessen habe, das ist doch privat?!« Und ich antworte: »Warum sollte ich überhaupt etwas essen, wenn ich nicht jemandem davon erzählen könnte?«

Twitter ermöglicht es, völlig Belangloses mitzuteilen, sogar, wenn es kryptisch ist. Es lässt Menschen reden, die nichts zu sagen haben, aber etwas sagen wollen. Das tun sie automatisch und sind davon besessen. Es kann, so die Herausgeber von n+1, sehr unterhaltsam sein, auf Twitter in Rollen zu sprechen, Figuren sprechen zu lassen. Aber Twitter verleitet Menschen dazu, selbst zu solchen Figuren zu werden, die nur noch auf eine bestimmte Art und Weise über ganz bestimmte Dinge schreiben können.

Diese Schreibweise betten die Autoren nun in den Kontext eines generellen Schreibzerfalls ein: Die Demokratisierung und Kostenlosigkeit von digitaler Produktion führe dazu, dass Texte publiziert würden, die früher in der Schreibtischschublade oder auf der Harddisk geblieben wären. Die forcierte Bloggerei führe dazu, dass ein relaxter Tonfall zum Muss werde, zur einzigen Ausdrucksform.

Betrachten wir ein Beispiel:

Schon bald wird ja „50 Shades of Grey“ auf Deutsch herauskommen und Sie überlegen sich vielleicht, es zu kaufen. Ich verstehe ja, dass Sie der ganze Hype neugierig macht, aber es ist wirklich unfassbar schlecht geschrieben und ausgedacht, so was sollte man sich nicht antun. Da kann die Übersetzung noch so gut sein, es bleibt Quatsch. Obwohl zu hoffen ist, dass zumindest grobe Schnitzer wie zum Beispiel „Laboutin“ (Sie wissen schon, die Schuhe mit der roten Sohle, bei denen alle Männer – und EL James – sofort eine Erektion kriegen, wenn sie sie sehen, weil die Schuhe inzwischen dermassen direkt verlinkt sind mit dem Gedanken „uh, ah, sexy“, dass die rote Sohle funktioniert wie der rote Arsch bei Pavianen) korrigiert wurden.

Michèle Roten verkörpert das, was die Herausgeber den »blogorrheic style« nennen: Den Stil der Blogorrhoe (Mischwort aus Blog und Logorrhoe). Die Geschwätzigkeit wird verbunden mit einer Vagheit – die in Kombination in der Lage zu sein scheint, authentische, wahre Texte zu produzieren.

Dagegen sei nun Twitter das Gegenmittel. Die Beschränkung auf 140 Zeichen produziere eine »Spracherweiterung durch formale Zwänge« – so das Ziel der Oulipo-Bewegung. So entstünden auf Twitter Sprachkunstwerke, Oscar Wilde oder Franz Kafka wären großartige Twitterer gewesen. Fazit: Die Leute entfolgen, die zu viel Unwichtiges verkünden und sich an John Berryman halten:

Blended Learning

Blended Learning – deutsch: integriertes Lernen – bezeichnet eine Mischform von

  • schulischem Lernen zur selben Zeit und am selben Ort
  • selbständigen Lernaktivitäten zu einer selbst gewählten Zeit an einem selbst gewählten Ort – meist unter Einbezug einer E-Learning-Form, d.h. unterstützt durch digitale Lernmaterialien.

Die Matrix zeigt die zwei wesentlichen Dimensionen von Blended Learning: Die Art, wie Lerninhalte vermittelt werden (online oder offline), und der Lernort (beaufsichtigt in der Schule oder davon entfernt). Der schattierte Bereich und der Pol C zeigen an, was Blended Learning prototypischerweise ist.

Blended Leraning gibt es in der Schweiz bisher vor allem an Universitäten – z.B. das OLAT-Projekt der Uni Zürich und an der HSG, aber auch an der BBB, der Berufsschule in Baden, gibt es solche Kurse.

Eine Infografik von Knewton (von der auch oben stehende Matrix stammt) hält wesentliche Aspekte von Blended Learning fest, die ich kurz kommentieren und abschließend mit einem Verweis zu Social Media versehen werde.

1. Formen von Blended Learning

Die Übersicht über die Formen zeigt deutlich, wie gut möglich die integration in traditionelle Schulformen ist. Online Lernformen können auch innerhalb von Schulzimmern zum Einsatz kommen oder traditionellen Schulunterricht ergänzen, z.B. im Sinne von Inverted Classroom.

Bedeutsam scheint mir die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler individuell auf E-Learning zugreifen können, um entweder Inhalte zu vertiefen und erweitern oder sie zu repetieren. Das scheint mir eine zukunftsträchtige Möglichkeit für die Individualisierung von Unterricht.

2. Der Sinn von Blended Learning

Die Grafik geht von einem fast zerstörerischen Ansatz aus: Schulen, die hier als Fabriken bezeichnet werden, müssen niedergerissen werden, damit Menschen befreit werden und in Genuss von persönlichen Bildungsangeboten kommen – aber auch produktivere: Die günstiger bessere Resultate erzielen.

Hier zeigt sich eine große Gefahr: Wenn neue Lernformen mit der Absicht eingeführt werden, Geld einzusparen, dann ist zu befürchten, dass die Ergebnisse zu wünschen übrig lassen werden. Steht die Bildung im Vordergrund, dann könnte Blended Learning viele Aufgaben übernehmen und die Beteiligten im Tagesgeschäft entlasten – so dass für soziale Lernformen mehr Zeit bleibt.

3. Bedingungen für Blended Learning


Ich übersetze die fünf Punkte:

  1. integrierte Systeme, bei denen die Schülerinnen und Schüler über eine zentrale Plattform auf alle Lerninhalte zugreifen können
  2. hochwertiger dynamische Lerninhalte, die individuelles Lernen ermöglichen und den etablierten Standards entsprechen
  3. Auswertungen, die dabei helfen, die Lernerfahrungen den Bedürfnissen der Lernen anzupassen
  4. Automatisierung, mit der Lehrende bei repetitiven Arbeiten entlastet werden
  5. Anwendungen, um die Motivation von Lernenden zu erweitern.

Beim Punkt ii. scheint es mir wichtig, auf die Khan Academy (Wikipedia – und das deutsche Angebot) hinzuweisen – ein Angebot von hochwertigen Lernvideos, die auf Youtube angeschaut werden können.

4. Blended Learning und Social Media

Grundsätzlich hat Blended Learning nichts mit Social Media zu tun: Videos wie die von der Khan Academy sind klassische one-to-many-Inhalte. Aber beim Punkt v. oben zeigt sich, dass soziale Faktoren motivierend wirken können. Genau so, wie Schülerinnen und Schüler einander in der Schule in der Pause die Aufgaben erklären, wäre es einfach, Lernvideos mit sozialen Tools auszustatten, die genau dasselbe ermöglichen.

Social Media würde so auch in Lernphasen, die z.B. zuhause oder an einem frei wählbaren Ort stattfinden, sicherstellen, dass es zu Austauschprozessen kommt und gemeinsame Lernerfahrungen möglich sind. Dazu kommt, dass sich Schülerinnen und Schüler an verschiedenen Orten vernetzen können. Im Wired-Artikel zur Kahn Academy wird ein Junge gezeigt, der mit 10 trigonometrische Gleichungen löst. Dieser Junge könnte Gleichaltrige finden, die ähnliche Interessen haben – etwas, was ihm in seinem Quartier wohl nicht gelingt.

Social Media als Wissensmanagement für Lehrpersonen

Auf imgriff.com hat Thomas Mauch seine Vorstellungen von Wissensmangement vorgestellt (und später mit einer Übersicht über die verwendeten Tools ergänzt). Ausgehend von seinen Überlegungen möchte ich skizzieren, wie Lehrpersonen ihr persönliches Wissensmangement auf Social Media abstützen oder mit Social Media ergänzen können. Ich biete dazu auch Workshops und Schulungen an, aus denen die beiden gezeigten Slides stammen:

Die vier Schritt im Wissensmanagement können gut am Beispiel der Tageszeitung vorgeführt werden:

Die informierte Lehrperson liest am Morgen eine Tageszeitung: Dort findet sie Informationen, manchmal auch unverhofft. Diese Informationen sammelt sie, indem sie interessante Artikel rausreißt. Diese Artikel werden strukturiert: Z.B. wird ein gefalteter Artikel an der richtigen Stelle in ein Buch gelegt. Bei der Vorbereitung wird er gefunden und dann in eine Publikation umgewandelt: Ein Arbeitsblatt entsteht.

Dieser Prozess wird durch Social Media nicht verändert – er bleibt sich gleich, erhält jedoch mehr Möglichkeiten. Auf der nächsten Slide sieht man dazu nur Andeutungen:

Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeiten zum Finden von Informationen vielfältiger werden, aber auch die zum Sammeln und Publizieren. Auch hier mache ich ein Beispiel: Ich lese Tageszeitung auf Twitter, indem ich von verschiedenen Zeitungen bestimmte Ressorts in meinem Stream haben, die mich interessieren. Dadurch, dass in meinem Twitter-Feed auch Personen drin sind, z.B. informierte Journalistinnen und Journalisten, finde ich auch eher unverhofft etwas. Die interessanten Artikel sammle ich nun einer Art Datenbank, aus der ich wiederum entweder Unterrichtsmaterialien publiziere, aber auch Blogartikel schreiben kann.

So sind die Artikel in diesem Blog eine Form von meinem Wissensmanagement: Sobald ich mich mit einem Thema oder einem Text auseinandergesetzt habe, verfasse ich einen Blogpost, mit dem ich diese Auseinandersetzung dokumentiere. Das ist zunächst für mich selber wichtig: Ich finde die Informationen, mit denen ich mich beschäftigt habe – kann aber auch andere daran teilhaben lassen.

Abschließend sei ein wichtiger Punkt erwähnt: Die Flut von Informationen erfordert, im persönlichen Wissensmanagement einen Filter einzubauen. Die Tageszeitung ist für mich von der Redaktion vorgefiltert – meinen Twitterstream muss ich selber filtern. Dafür brauche ich Übung und muss auch bereit sein, einen gewissen Aufwand zu betreiben – der sich deshalb lohnt, weil ich mehr unverhofft finde und effizienter sammeln, strukturieren und publizieren kann.

 

Facebook im Unterricht: Ein Blick auf Chancen und Risiken

Bei der Diskussion der Frage, ob Facebook im politischen Unterricht geht ein Lernblog der PH Ludwigsburg unter der Leitung von Dr. Ragnar Müller von der tabellarischen Übersicht des Abschlussberichts von EU Kids-Online aus:

Im Beitrag von Lisa (?) werden drei Chancen und drei Risiken genannt:

  1. Kommunikation: Facebook ermöglicht es, mit vielen Menschen leicht in Kontakt zu treten.
  2. Teilhabe an Entscheidungsprozessen: Facebook ermöglicht es, Meinungsbildung zu betreiben und sich an Entscheidungen zu beteiligen.
  3. Bildungsferne Schichten: Facebook ermöglicht Bildung in allen gesellschaftlichen Sphären – zumindest in Ländern ohne nennenswerte digital divide.
  4. Akklamationskultur: Facebook ermuntert, auf »gefällt mir« zu drücken, anstatt kritisch zu bleiben und Fragen zu diskutieren.
  5. Keine Offenheit: Die Frage, ob politische Bildung auf einer Plattform stattfinden soll, die systematisch intransparent bleibt, ist bedeutsam.
  6. Privatsphäre: Politische Meinungsbildung und das Recht auf Privatsphäre bedingen sich gegenseitig – auch hier ist Facebook als Instrument sehr problematisch.

Lisa kommt zu einem etwas zahmen Fazit:

Festzuhalten bleibt, dass Facebook zwar kritikwürdige Elemente umfasst, dass aber die Vorzüge, welche die Plattform für den Politikunterricht mit sich bringt, ebenfalls bedeutsam sind. Die im folgenden vorzustellende Unterrichtsstunde versucht deshalb, die Chancen zu nutzen, aber auch die Behandlung der Risiken mit aufzunehmen.

Im zweiten Teil des Posts findet sich eine konkrete Unterrichtseinheit zu Facebook, basierend aus:

Regeln für den Umgang mit Smartphones

Pause. In vielen Schulzimmern dasselbe Bild: Lehrpersonen wie Schülerinnen und Schüler holen ihre Smartphones hervor, checken neue Benachrichtigungen, tippen Mitteilungen, Statusupdates, Kommentare. Die Blicke versinken in den Geräten, die Nachbarin und die Freunde werden nicht mehr wahrgenommen, es gibt keine Räume mehr für Gespräche, für Streit, fürs Weiterdenken des Unterrichtsinhalt. Alle kapseln sich ab, in ihre eigene Welt, die doch eigentlich keine ist, sondern nur aus Daten besteht. 

Eine solche Beschreibung der Realität hört man in vielen Lehrerzimmern. Ist die Kritik gerechtfertigt? Brauchen Schulen eine Art Code of Conduct im Umgang mit Technologie? Oder sollen sie sogar Schulregeln erlassen, die Smartphones ganz oder teilweise verbieten?

Die New York Times berichtete kürzlich über eine Waldorfschule in Kalifornien, die auf Technologie verzichtet. Keine Computer in den Schulräumen, dafür viel physische Aktivität, Basteln, Tanzen, Kreativität. Drei Viertel der Eltern der Schülerinnen und Schüler diese Privatschule arbeiten in einem Beruf, der direkt mit moderner Technologie zu tun hat – und wollen ihre Kinder vor den schädlichen Einflüssen der Technologie schützen (vgl. dazu auch die Aussagen von Expertinnen und Experten in dieser Studie des PewResearch Centers).

Waldorf-Schulen (oder in der Schweiz: Rudolf Steiner-Schulen) gibt es schon 100 Jahre neben staatlichen Schulen. Sie sind Räume, wo Alternativen erprobt werden können – wo aber auch extreme Haltungen zum Ausdruck kommen, z.B. auch im Umgang mit moderner Medizin. Die Frage wäre: Ist diese Haltung die richtige?

Für die Schule der Zukunft gäbe es demnach zwei Leitvorstellungen:

  • Der digitalisierte »Schulraum«, der kein Raum mehr zu sein braucht, weil sich immer wieder lose Gemeinschaften bilden, die miteinander lernen, verbunden durch Netzwerke, in denen alles Lernen kooperativ ist, Wissen und Gemeinschaften flüssig, privates Lernen mit schulischem verschmilzt, eine Einheit bildet.
  • Der Schulraum als Schonraum, wo die Gefahren des Berufslebens, also der Stress, die Technik, der soziale Druck ferngehalten werden und eine ruhige Entwicklung möglich ist, Reflexionsprozesse, Bildung von sozialen Gefügen, die Selbstfindung.

Bei der Frage um die Rolle der Smartphones entscheidet sich, auf welche Schule der Zukunft eine Schule heute hinsteuert. Wer Smartphones als Medien des Lernens, als eine Erweiterung des Unterrichts und eine Möglichkeit, soziale Bindungen zu pflegen versteht, wird liberaler damit umgehen. Dann dürfen auch während des Unterrichts Smartphones benutzt werden – die Gefahr, dass sie eine Quelle für Ablenkung bieten, muss reflektiert werden. Im Artikel der New York Times sagt eine Lehrerin stolz, sie habe die Aufmerksamkeit der SchülerInnen, wenn sie Bruchrechnen mit einem selbst gebackenen Kuchen erkläre. Auch in der digitalisierten Schule kann Mathematik mit Backwaren erklärt werden, muss der Fokus auf etwas ausserhalb der digitalen Welt gelegt werden. Aber nicht nur.

Flickr, Whowired, CC-NC-BY

Alternativ trennt man die Welt der Schule von der technisierten Welt um sie herum ab. Auch so können Lernprozesse stattfinden. Ideal wäre meines Erachtens dann aber nicht ein starres Regelwerk, sondern eine Art Learner Profile – die ideale Schülerin, der ideale Schüler geht so mit seinem Gerät um. Regeln schaffen einen Graben zwischen denen, die sie etablieren und durchsetzen und denen, die sie befolgen müssen. Wäre man konsequent, so dürften auch Lehrpersonen keine Computer und Handys mehr verwenden, müssten ihren Unterricht wie vor 40 Jahren vorbereiten, mit Büchern, Tafelbildern und Ähnlichem.

Diese Entscheidung kommt auf alle Schulen zu.

Zum Schluss seien Gerald Raunig und Felix Stalder zitiert, zwei Professoren der Zürcher Hochschule der Künste, die in einem Aufsatz in der Zeit deutlich machen, dass die Vorstellung, Social Media und Gadgets seien Teil einer Scheinwelt, nicht mehr zeitgemäss ist – dass sich ganz andere Fragen stellen:

[A]uch das Problem der Abspaltung des Realen vom Medialen [stellt sich] nicht mehr in derselben Weise. Im kognitiven Kapitalismus geht es weniger denn je um eine Trennung zwischen »virtueller« Medialität und »realer« Sozialität. Mit den Social Media und den neuesten Gadgets der Bewusstseinsindustrie hat diese maschinische Sozialität längst ein Stadium erreicht, das Mensch-Maschine-Verhältnisse nicht mehr als Beziehung der Unterordnung beschreibbar macht. Real ist gerade das Anhängen an den Maschinen, das Begehren nach ihnen, schließlich auch die Abhängigkeit von ihnen. Nur vor dem Hintergrund dieses heute unhintergehbar gewordenen wechselseitigen Verhältnisses zwischen Mensch und Maschine lassen sich Wege finden, nicht vollständig dienstbar zu werden. Da gibt es keine Realität hinter dem »Schein« der Gadgets, kein »zweites Leben in der analogen und leibhaftigen Wirklichkeit«, genauso wie es keine Flucht gibt in das second life der virtuellen Netze.

Den Austausch in den Zwischenräumen neuer Medien und Maschinen zu verhindern und zu kriminalisieren ist weder erfolgversprechend noch eine adäquate Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen. Verstellt wird dadurch lediglich der Blick auf die eigentlichen Fragen: Wenn es stimmt, dass Wissen in der Kooperation entsteht, was sind die heutigen Bedingungen der Kooperation? […] Wie können wir die existenzielle Absicherung von Wissens- und Kulturarbeit auf weitere Kreise ausdehnen? Wie können wir eine horizontale Kommunikation forcieren, in der nicht mehr ein Urheber am Anfang steht, sondern in der Mitte und durch die Mitte Serien der Autorschaft, Verdichtungen, Wendungen und neue Kombinationen entstehen? Wie können wir einen transversalen Intellekt erfinden, in dem die Zahl und die Vielfalt der »Geistigen« und ihrer Austauschprozesse immer weiter vervielfältigt werden?