Unterrichtsidee: Memes verstehen, Memes gestalten

Im Moment lese ich mit einer Klasse Gespräche von Konfuzius. Als Einstieg habe ich das »Wise-Confucius«-Meme (oder »Confucius-says«-Meme) besprochen – und möchte davon ausgehend eine Unterrichtseinheit skizzieren.  Die konkrete Unterrichtsmethodik lege ich dabei bewusst nicht fest; ich bin der Ansicht, dass sich hier selbstorientierendes Lernen sehr gut eignen würde und werde das abschließend kurz begründen. Mittelfristig arbeite ich diesen Vorschlag zu einem kleinen Aufsatz aus.

* * *

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(1) Die Kernidee

Dieses Meme folgt bestimmten Regeln, die es offenbar so attraktiv gemacht haben, dass sich diese spezifische Kombination von Bild (hier das Originalbild, Quelle konnte ich nicht ermitteln), Hintergrund und Text durchgesetzt hat. Der Text folgt dabei in der Regel folgenden Vorgaben:

  1. Er ist in Engrish abgefasst, einer humoristisch/rassistischen Bezeichnung für das fehlerhafte Englisch von Menschen mit asiatischer Muttersprache.
  2. Der erste Teil klingt nach einer Weisheit (»Man wird müde, wenn man vor dem Bus rennt, (statt bequem mitzufahren o.Ä.«) –
  3. während der zweite Teil klar macht, dass es sich um ein Wortspiel handelt. (Oft ein anzügliches.)

(2) Konkreter Auftrag

Diese Regeln können für andere Memes von Schülerinnen und Schülern erarbeitet werden (etwa in einer Pecha-Kucha-Präsentation mit Beispielen), denkbar wären unter anderen:

Eine Herausforderung ist das Thema deshalb, weil grammatikalische Sonderregeln mit inhaltlichen Vorgaben und dem Bild zusammen zusammengebracht werden müssen.

(3) Emblematik als Vergleich

Gleichzeitig bietet sich ein Vergleich mit der emblematischen Kommunikation der Renaissance bzw. des Barock an: inscriptio, pictura und subscriptio führen da »bimedial« zu einer »Gesamtaussage« – ganz analog wie bei diesen Memes.

(4) Entstehung von Memes: 4chan

Die oben verlinkte Seite Knowyourmeme recherchiert, ob es sich bei Vorschlägen tatsächlich um Memes handelt. Während die Definitionsfrage unten noch besprochen wird, ist dabei oft auch die Entstehung von Memes ein entscheidender Faktor. Viele Memes lassen sich auf das Bilderforum 4chan zurückführen (es ist nicht jugendfrei, hier müssen jüngere Schülerinnen und Schüler eng begleitet werden und unter Umständen mit moderiertem Material arbeiten, weil eine eigenständige Recherche auf 4chan auch für viele Erwachsene kaum erträglich ist).

4chan zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass Bilder Ausgangspunkt jeder Diskussion sind, andererseits gibt es keine Möglichkeit, sich eine Identität anzueignen: Jeder Akteur ist »Anonymous« oder in der deutschsprachigen Version »Krautchan« »Bernd«. Dadurch entsteht ein enthemmtes Kommunikationsklima, in dem Regeln dazu dienen, sicherzustellen, dass nur Eingeweihte mitreden.

Dadurch entstehen viele Memes. So ist das Konfuzius-Meme vermutlich zum ersten Mal in diesem Forum aufgetaucht:

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Gleichzeitig zeigen sich aber Ideologie der 4chan-Szene (eine gute Hintergrundlektüre ist dieser Artikel) darin, dass viele Memes sexistische oder rassistische Botschaften transportieren – was in der Einheit ebenfalls Thema sein müsste.

(5) Was ist ein Meme? Vier Definitionen.

Christopher von Bülow hat in einem dichten Lexikoneintrag für die Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie die philosophischen Hintergründe des Meme-Begriffs dargelegt und sie auch kritisiert (vgl. auch dieses Buchkapitel von Davison). Der Begriff geht auf Dawkins zurück, wird aber oft in einem engeren Sinne benutzt. Unterscheiden lassen sich:

  1. Weiter Meme-Begriff: Memes sind Informationen, die vervielfältig werden können und so einen Evolutionsprozess durchlaufen: Sie werden durch die Replikation verändert, danach erfolgt eine Selektion. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Witz: Er wird mit jedem Erzählen verändert, aber nur dann bleibt er bestehen, wenn er als lustig und erzählenswert empfunden wird.
    In diesem Sinne sind alle Arten von Idee oder Informationen Memes, die sich haben durchsetzen können: Ackerbau, Buchdruck, Seitennummerierung in Büchern, Personalausweise – alles Memes.
  2. Netz-Meme: Im digitalen Sinne sind Memes Informationskombinationen, die im Netz wiedererkannt werden. Dabei können das bestimmte Bilder sein (der Facebook-Daumen, der Twitter-Fail-Whale) oder auch Texte (»aus Gründen«, WTF) – oder die Kombination mehrere Elemente in multimedialen oder interaktiven Zusammenhängen.
    Vom weiten Meme-Begriff wird übernommen, dass ein Meme erst dann vorhanden ist, wenn eine kritische Menge es als solches erkennt.
  3. Regelgesteuertes Text-Bild-Meme: Das Konfuzius-Meme entspricht einem engeren Meme-Begriff, weil es eine bestimmte Kombination von Text und Bild enthält.
  4. Ästhetisches Text-Bild-Meme: In einem unspezifischen Sinne ist seit einiger Zeit auch die Rede von Memes, wenn ein bestimmtes Bild mit einem bestimmten Text kombiniert wird, ohne dass es dafür bestehende Regeln gibt. Der Wiedererkennungseffekt wird nicht vorausgesetzt, es geht nur noch um eine rein formale Form der Gestaltung.

Eine Diskussion dieser Begriffsgeschichte und eine Kritik der Begriffsverwendung sind dankbare Unterrichtsthemen.

(6) Mit Memes kreativ umgehen: »Gefühlte Wahrheit«

Das Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht ein Meme, das »Gefühlte Wahrheit« heißt. Dabei werden oft Venn-Diagramme verwendet, um eine humorvolle Analyse zu präsentieren (warum finden wir das lustig?).

Hier können Schülerinnen und Schüler schnell aktiv werden und eigene Versionen ausdenken – damit können viele Themengebiete, die im Unterricht behandelt werden, in Verbindung gebracht und dargestellt werden.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

(7) Selbstorganisiertes Lernen: Kompetenzraster

Die Einheit bietet sich meines Erachtens an, um mit Kompetenzraster zu arbeiten. Dabei legt die Lehrperson fest, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler nachweisen müssen – und lassen sie selbstorganisiert lernen. Sie müssen danach nachweisen, dass und wie sie diese Kompetenzen erworben haben.

Beispiele für Kompetenzen:

  1. Ich kann bei zwei Beispielen erklären, wie Text-Bild-Memes funktionieren.
  2. Ich kann zu bestehenden Meme-Regeln eigene Memes gestalten und ins Netz hochladen.
  3. Ich verstehe, unter welchen Bedingungen Informationen sich verändern und replizieren können.

Das einfachste schulische Smartphone-Projekt

Ich nenne es das App-Problem: Geht es darum, mobile Geräte in der Schule zu verwenden, dann fragen Lehrpersonen schnell nach Apps. Im »Idealfall« können die das vermitteln, was die Lehrpersonen ohnehin vermitteln wollten. Dann ersetzen Tablets oder Smartphones die Lehrperson, sie beüben Schülerinnen und Schüler genau so, wie das vorher ihr Buch gemacht hat. Nur eben effizienter, individueller und scheinbar motivierender.

Das Problem dabei ist, dass die Lernenden die Geräte gar nicht als das benutzen, was sie eigentlich sind: Werkzeuge. Sie verharren in Oberflächen, die nur einen Bruchteil der Möglichkeiten überhaupt einbeziehen.

Ein sinnvoller Einstieg zur Nutzung der Geräte ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt. »Wer bin ich? Wer sind meine Mitmenschen? Wie sieht die Welt um mich herum aus?«, sind als Fragen auf allen Schulstufen aktuell. Die Aufgabe ist naheliegend: Einen Tag, eine Woche, einen Monat mit mobilen Geräten zu dokumentieren. Automatisch geht es um die multimedialen Möglichkeiten: Wie können Töne aufgenommen und geschnitten werden? Was bewirken Zeitlupenvideos? Welche Wirkung haben Fotofilter? Was kann ich automatisieren? smartphone-temps

In einem zweiten Schritt um ihre Präsentation: Wie kann ich das, was sich in meinem Gerät befindet, anderen zeigen? Kann man daraus ein Poster machen? Oder eine Homepage? Einen Vortrag? Oder gar einfach am Handy zeigen, wie das so ist, das eigene Leben?

Die daran anschließende Reflexion dürfte einige Einsichten über die mediale Repräsentation der Umwelt bereit halten. Hier sollten individuelle wie kooperative Wege gesucht werden (Text verfassen, Gruppengespräche führen).

Je nach Schulstufe kann die Aufgabe schwieriger oder einfacher gehalten werden. Sie gehört – leicht modifiziert – in jedes Fach, weil sie leicht auf eine Perspektive eingeengt werden kann. Die Schülerinnen und Schüler brauchen weder dieselben Geräte noch müssen sie in ihrer Nutzung geschult werden – sie müssen nur angeregt werden, die Werkzeuge auch tatsächlich einzusetzen.

#filtertipps 2: Algorithmen

Orientierung und Konzentration erfordern bei digitalen Informationen eine Reihe von Kompetenzen, die man englisch »digital literacy« nennt. Filterkompetenz ist ein wichtiger Bestandteil: Die Fähigkeit, nicht relevante Informationen und Inhalte mit Filtern unsichtbar zu machen. Die analoge Welt nutzt viele Filter: Inhaltsverzeichnisse bei Büchern, Kataloge in Bibliotheken, Register, Redaktionen von Zeitungen etc. haben neben vielen anderen Funktionen auch die Aufgabe zu filtern. 

In einer losen Serie möchte ich hier Techniken und Werkzeuge vorstellen, mit denen digitale Informationen gefiltert werden können. Das ist der zweite Teil, im ersten ging es um Zeit als Filtermethode

* * *

[Mir war vor allem zuwider, dass] Facebook für mich die Entscheidung traf, wie die Welt für mich aussieht. Denn Facebook tut viel mehr als nur eine Blase aus Gleichgeschalteten zu bilden. Facebook verstümmelt. Es verstümmelt meine Wahrnehmung von der Welt, es verstümmelt die Charaktere meiner Kontakte, es verstümmelt meine eigene Vielseitigkeit.

Diese Feststellung von Meike Lobo, mit der sie begründet, weshalb sie auf Facebook verzichtet, ist Menschen in letzter Zeit stärker ins Bewusstsein gerückt. Die Ankündigungen von Twitter, Inhalte ebenfalls mittels Algorithmen auszuwählen, haben zu starken Protesten geführt. An Twitter schätzen viele User, dass sie (neben wenig Werbung) alles – und nur das – sehen, was ihre Kontakte teilen (und zwar in chronologischer Reihenfolge). Bei Facebook zeigt der Stream die Inhalte an, von denen schlaue Programme denken, sie könnten für mich interessant sein: Weil ich auf solche Inhalte reagiere, weil sie von Menschen stammen, mit denen ich viel kommuniziere oder weil andere User damit etwas anfangen konnten.

Wer sich das bewusst machen möchte, sollte sich einmal statt den »Hauptmeldungen« die »Neuesten Meldungen« anzeigen lassen. Dann erscheinen viele Beiträge, die in der Regel verborgen sind – und zwar auch wieder in chronologischer Reihenfolge.

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Die Algorithmen filtern. Sie machen Informationen unsichtbar und gewichten die verbleibenden für uns. In einem FB-Kommentar zum Post seiner Frau schrieb Sascha Lobo:

Hier in den Kommentaren erwarte ich bitte mindestens ein Dutzend altkluge Kommentare, die erklären, wie man ihr Grundproblem mit Facebook mithilfe von Listen, Gruppen, einer kanadischen App und fünf Tagen Sortierarbeiten supersimpel lösen kann.

Damit wies er darauf hin, dass algorithmische Filter zwar auch selbstbestimmt genutzt werden könnten, damit aber

  1. viel technisches Know-How
  2. eine große Zeitinvestition
  3. weitere Algorithmen von Dritten

verbunden sind. Tatsächlich gibt es schon bei Facebook die Möglichkeit, den maßgebenden Algorithmen mitzuteilen, wie sie funktionieren sollten. Nur ein Beispiel dafür: Der Pfeil auf der rechten Seite von FB-Beiträgen. Er erlaubt mir, dem Filteralgorithmus konkrete Regeln zu diktieren.

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In einem lesenswerten Beitrag erklärt Zeynep Tufekci, warum ihrer Meinung nach Twitter beim heutigen System blieben sollte. Sie bringt drei Schlüsselargumente an:

  1. Das menschliche Urteil ist oft besser und wichtiger als das von Algorithmen.
    Bsp.: Als amerikanische Soldaten Osama Bin Laden getötet hatten, bereite das Weiße Haus eine Pressekonferenz vor – ohne dass jemand wusste, worum es dabei gehen sollte. Der brisante Inhalt wurde schon vorher durch einen unauffälligen Mitarbeiter über Twitter kommuniziert – worauf ein findiger Journalist der Nachricht das nötige Gewicht gab. Ein Algorithmus hätte diesen Tweet nie prominent eingeblendet. 
  2. Algorithmen führen zu einer Stärkung des Matthäus-Effekts: »Wer hat, dem wird gegeben.« Algorithmen geben den Usern mehr Platz, die ohnehin schon gut wahrnehmbar sind. Das geht auf Kosten aller anderen.
  3. Algorithmen provozieren eine Verhaltensanpassung: Menschen versuchen Inhalte so zu präsentieren, dass Facebook sie anderen auch anzeigt. Dadurch kommunizieren sie aber schlechter und ineffizienter.
    Bsp.: FB zeigt zumindest im englischen Sprachraum Meldungen mit »Congratulations« viel prominenter an als andere. Diese Eigenschaft lässt sich gut ausnutzen

Mir scheint da wesentliche Problem die Allgemeinheit von Algorithmen zu sein. Wir alle nutzen dieselben – nämlich die, welche uns Facebook anbietet. Algorithmische Filter sind dann kein Problem, wenn es meine Filter sind, die meine Urteile und meine Erfahrung enthalten. Dann sind es letztlich nur Abwicklungen von Routinearbeiten, die wir bei der Sortierung unserer Briefpost oder bei der Lektüre der Tageszeitung täglich erledigen. Man darf nicht vergessen, dass es der Einsatz von Algorithmen Unternehmen schwerer macht, ein Zielpublikum umstandslos zu erleichtern – weil Algorithmen Spam recht zuverlässig unsichtbar machen.

Meine Anleitung wäre also folgende:

  1. Auf den genutzten Plattformen die Möglichkeiten nutzen, um Filter zu personalisieren.
  2. Programme einsetzen, die algorithmisches Filtern erlauben. Anfangen kann man gut mit E-Mail-Apps: Hier lassen sich mit Filtern Postfächer einrichten, die komplexen Regeln gehorchen. Die einfachste Übung: Sich zu fragen, welche Mail ich immer lesen will – sie stammen von einer bestimmten Person, enthalten bestimmte Begriffe, treffen zu bestimmten Zeiten ein etc. Oder welche ich sicher nie lesen würde.
  3. Sich allgemeinen Algorithmen nicht unterwerfen, sondern sie hintergehen und manipulieren, um sie zu persönlichen zu machen.

Smartphones auf einem Projektor zeigen

Bei einer Weiterbildung ist die Frage aufgetaucht, wie man sinnvollerweise Smartphone-Screens bei Schulungen anzeigt.

Ich stelle hier drei Möglichkeiten vor, wie das mit iPhones klappt. Die entsprechenden Hinweise für Android habe ich in den Kommentaren und auf Twitter erhalten – ich habe sie selbst nicht erprobt. Ich danke allen herzlich für Ihre Inputs!

  1. iPhone direkt anschließen.
    Mit diesem Adaptor kann ein iPhone 5 direkt mit dem Projektor verbunden werden. Alles, was auf dem iPhone angezeigt wird, ist auch auf der Leinwand zu sehen.
    MD825Für Android funktioniert das – sofern der Projektor einen HDMI-Anschluss besitzt – mit dem Miracast-Adapter.
  2. iPhone drahtlos am Computer anzeigen.
    Ist ein Computer mit dem Projektor verbunden, ermöglicht das Programm Reflector (es kann gratis ausprobiert werden), dass der iPhone Bildschirm am Computer zu sehen ist. 
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    Eine entsprechende Lösung für Android gibt es z.B. hier.
  3. AirPlay mit AppleTV.
    Am elegantesten ist die Lösung, die per AppleTV eine drahtlose Übertragung verschiedener Geräte ermöglicht. Das erlaubt dann, dass auch Lernende ihre Bildschirme mit dem Projektor synchronisieren können, und zwar vom Platz aus.
    Diese Lösung funktioniert auch für Nicht-Apple-Geräte, wie Axel Krommer in einer ausführlichen Anleitung ausführt.

Beat Rüedi zeigt AirPlay und AirServer in einem Youtube-Video:

Lest eure Mail nicht!

Eine der entscheidenden Literacies, also Kompetenzen im Umgang mit Information, ist die Filterkompetenz: Wenn alle Information der Welt übers Smartphone erreichbar ist und Nachrichten über mich reinbrechen, dann stellt sich die Frage, wie kann ich verhindern, dass ich belastende und irreführende Informationen von mir fernhalte, wichtige und relevante aber direkt einsehen kann.

Eine einfache Übung in Filterkompetenz besteht darin, Mails nicht zu lesen. In meiner Mailbox befinden sich zur Zeit 50’000 Emails, rund 2’500 davon sind ungelesen. Immer wieder markiere ich alle Mails als gelesen, weil die hohe Zahl jemanden irritiert. Mich selber stört sie nicht: Täglich lese ich ganz viele Mails nicht. Ich lese auch viele Facebook-Statusmeldungen nicht, ich lese die Werbung am Bahnhof nicht und auch die Gratiszeitungen lasse ich liegen.

An einem Workshop wurde ich von einer Lehrerin heute gefragt, wie ich denn das mache, Mails nicht lesen: Woher ich wüsste, welche wichtig seien und welche nicht. Eine Frage, die ich mir noch gar nie überlegt habe, gerade weil sie so selbstverständlich ist. Aber mir ist auch schon aufgefallen, dass das viele Menschen nicht tun, nicht wollen oder können. Sie lesen alle Nachrichten, die an sie gerichtet sind – und so filtern sie zu wenig.

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Beim Nachdenken und Ausprobieren bin ich auf folgende Hinweise gestoßen:

  1. Ich lese auch einen großen Teil der Briefpost nicht. Die meisten Couverts, die ich erhalte, werfe ich ungeöffnet weg, weil ich weiß, dass mich die Inhalte nicht interessieren oder nicht betreffen.
  2. Ich nutze eine mobile Ansicht, die mir Absender, Datum, Betreff sowie die ersten rund 15 Wörter anzeigt. Das ist meine Entscheidungsgrundlage.
  3. Mails von wichtigen Absendern, also Einzelpersonen mit klaren Anliegen, lese ich meistens. Wichtige Personen erhalten ein eigenes Postfach, das ich immer lese.
  4. Ausnahme zu 2.: Mails von MitarbeiterInnen, SchülerInnen, von denen ich weiß, dass sie nicht sofort bearbeitet werden müssen. Die lese ich später, weil sie sich oft selbst erledigen.
  5. Ich übe das Nichtlesen. Ich mache es ständig und entwickle so eine Routine darin. Twitter ist wohl die beste Übung im Nichtlesen – man überfliegt eine nie endende Liste von Mitteilungen, die man gar nicht alle lesen kann.

Twitter zeigt aber auch ein Mechanismus im Web 2.0: Alles, was wirklich wichtig ist, wird nach oben gespült. Suchen bringen wichtige Mails als Resultate, sie werden von anderen Leuten weiterverschickt, beantwortet, etc.

Das Nichtlesen ist eine große Entlastung. Es befreit davon, ständig erreichbar zu sein, und gibt ein einfaches Signal zurück: Sei auch im Zeitalter der real-time-Kommunikation geduldig und lasse dir Zeit.

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So lassen sich Fake-Profile erkennen

Zwei Geschichten aus den sozialen Netzwerken sorgen in den letzten Wochen für Furore:

  1. Zunächst die Schilderung auf dem Blog von »Victoria Hamburg«, die im Internet »Kai« kennen gelernt hat, der sie über Monate manipuliert hat, um eine Beziehung mit ihr aufzubauen;
  2. dann der Blog kleines-scheusal.de, der zusammen mit einem Twitter-Profil entweder von einer PR-Agentur oder aber einem Mann betrieben wurde, die/der vorgab, eine junge Frau stünde hinter Blog und Profil.

Bei beiden Vorfällen spielen aufwändige Fakes eine große Rolle. Unter einem Fake-Profil verstehe ich im Folgenden ein Profil, mit dem vorgegeben wird, die Betreiberin oder der Betreiber hätten bestimmte Eigenschaften, die sie nicht haben. Diese Eigenschaften werden in der Folge benutzt, um andere Menschen zu manipulieren. (Obwohl es auch viele maschinenbetriebene, automatische Fakes gibt, klammere ich die hier aus. Ein interessantes Zitat dazu findet sich in der NYT: »Dating sites provide especially fertile ground for socialbots. Swindlers routinely seek to dupe lonely people into sending money to fictitious suitors or to lure viewers toward pay-for-service pornography pages.«)

Es geht hier nicht darum, die Tatsache zu beklagen, dass soziale Netzwerke die Möglichkeit bieten, oder Prüfung einer staatlich versicherten Identität Profile aufzubauen. Es kann für viele Zwecke sinnvoll und wichtig sein, erfundene Profile anzulegen. Erfundene Profile erachte ich nicht als verwerflich, selbst dann nicht, wenn Plattformen sie aus irgendwelchen Gründen nicht zulassen. Ein Problem entsteht erst dann, wenn anderen Menschen Schaden zugefügt wird.

Wie erkennt man, ob es sich bei einem Profil um einen Fake handelt oder nicht?

  1. Aufwand spielt keine Rolle.
    Fake-Profile werden oft über längere Zeiträume intensiv gepflegt. Die Betreiberinnen und Betreiber genießen es, andere Menschen zu täuschen und investieren entsprechend viel Zeit in ihre Profile.
  2. Triangulationsmethode.
    Es ist einfach, zu einem falschen Profil ein weiteres hinzuzufügen, das gegebenenfalls die Echtheit bestätigen kann. Aber sobald zwei unabhängige Quellen beigezogen werden, die ebenfalls seit längerer Zeit aktiv sind und echt wirken, wird es schwierig, alle drei Profile gefälscht zu haben.
  3. Bilder überprüfen. 
    Ähnlich wie bei der Verifikation von Nachrichten (die wichtigsten Prinzipien finden sich bei Konrad Weber) geben Bilder oft darüber Aufschluss, ob ein Profil echt oder gefälscht ist. Die Google-Bildersuche ermöglicht es, nach ähnlichen Bildern zu einem bestehenden zu suchen. Das kann dabei helfen, herauszufinden, ob Profilbildern von anderen Menschen und oder Agenturen stammen. Bildschirmfoto 2013-09-03 um 13.11.29
  4. Bei Ausreden skeptisch sein.
    Benutzt jemand ein falsches Bild oder einen falschen Wohnort, dann fallen gewisse Dinge schwer (z.B. Videotelefonie, Beschreibung des Ortes, Treffen etc.). Dabei werden immer wieder Ausreden verwendet, die erklären, warum etwas nicht geht (Kamera kaputt, Unfall, schlechte Erfahrungen gemacht etc.). Sobald diese Ausreden neue Informationen beinhalten, aufpassen.
  5. Realistisch bleiben. 
    Es gibt gewisse Dinge, die auf sozialen Medien nicht passieren, ohne gefälscht zu sein: Dass ein attraktiver Mensch gerade mich besser kennen lernen möchte, beispielsweise. Oder dass mich jemand übermäßig lobt, meinen Schreibstil, meine Ausstrahlung, you name it.

    Google findet Profile, die mit einem Bild einer Agentur versehen sind.
    Google findet Profile, die mit einem Bild einer Agentur versehen sind.
  6. Googlen.
    Menschen hinterlassen an verschiedenen Orten Spuren, die auf Google auffindbar sind. Gemachte Angaben sollten immer wieder überprüft werden.
  7. Beziehungsnetz überprüfen.
    Wer auf Social Media aktiv ist, hat ein ähnliches Beziehungsnetz: Verwandte und Schulfreundinnen/-freunde bei Facebook, alte Bekannte und Arbeitskolleginnen und – kollegen auf allen Profilen. Ist das bei jemandem nicht der Fall, ist das ein Indiz für einen Täuschungsversuch.
  8. Auf das Urteil erfahrener Social-Media-Userinnen und -User hören. 
    Man sieht vielen Fake-Profilen nicht an, dass sie gefälscht sind. Aber einige Dinge, die dort geschehen, machen misstrauisch. Bevor man sich einer anderen Person anvertraut oder eine eigene Grenze überschreitet, sollte man mit jemandem darüber sprechen, die oder der viel Zeit mit sozialen Netzwerken verbringt und bestimmte Effekte beurteilen kann.
  9. Dem eigenen Gefühl misstrauen. 
    Wer Fake-Profile betreibt, ist häufig geschult in Manipulation. Gerade dass ein gutes Gefühl entsteht, Vertrauen möglich ist, kann oft ein Zeichen dafür sein, dass Manipulation vorliegt.

Zu viel Zurückhaltung ist nicht angebracht: Betrügerinnen und Betrüger stecken nicht hinter vielen Profilen. Aber sobald man davor steht, eine aussergewöhnliche Beziehung einzugehen oder die Aussagen, die auf einem bestimmten Profil gemacht werden, zum Anlass für bestimmte Handlungen nimmt, ist Vorsicht geboten.

Über weitere Hinweise in den Kommentaren freue ich mich.

Das digitale Leben einer Schulklasse

In einem Workshop lasse ich Schulklassen (10. Klasse, Gymnasium) ein Leitbild für die digitale Kommunikation erstellen. Ausgangspunkt sind folgende Anregungen, auf welche die Klasse dann reagiert und Grundsätze formuliert, die der Gruppe wichtig sind.

  1. Relevante Informationen (Ausfall von Lektionen, Verschiebungen von Prüfungen, Vorbereitungsmaterial) soll schnell für alle verfügbar sein.
  2. Alle Mitglieder der Klasse sollten sich auch zuhause austauschen können.
  3. Welche Bilder darf man (nicht) auf dem Internet veröffentlichen (auf Facebook stellen, per WhatsApp rumschicken)?
  4. In was für einem Ton kommuniziert man online mit anderen Schülerinnen/Schülern und mit Lehrpersonen? (Und in welcher Sprache?)
  5. Freundschaften und Beziehungen entstehen, wenn sich Menschen in die Augen sehen und echt miteinander reden, ohne permanente Ablenkung durch blinkende Geräte.
  6. Ständig online zu sein ist für einige Menschen stressig und verhindert, dass sie sich konzentrieren können.
  7. Niemand soll gezwungen werden, bei einem sozialen Netzwerk ein Profil anzulegen oder sich ein Smartphone zulegen zu müssen.
  8. Auf sozialen Netzwerken werden Menschen gemobbt. Was tut man, wenn etwas passiert, das wie Mobbing aussieht?
  9. Es schafft Schwierigkeiten, wenn sich eine Klasse bei verschiedenen Diensten einloggen muss (Passwörter gehen verloren, einige Informationen werden übersehen).
  10. Digitale Kommunikation senkt die Hemmungen, zu betrügen (Informationen zu kopieren, bei Prüfungen zu spicken etc.).
  11. Darf man auf dem Internet über andere Personen lästern (z.B. Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrpersonen)?
  12. Die Schule und das Privatleben müssen aneinander anschliessbar sein, sollen aber als Bereiche auch getrennt werden können: Schülerinnen und Schüler brauchen Freizeit ohne digital ständig in der Schule zu sein.
  13. Vielen fällt das Lernen einfacher, wenn es mit Papier, Buch und Stift erfolgt statt am Bildschirm.
  14. Wie möchten Sie an Ausflügen, in Pausen, im Abteilungslager mit Handys umgehen?
  15. Gibt es für eine Klasse auch einmal eine digitale Pause?
Auszug aus einer Infographic von onlinedegrees.com
Auszug aus einer Infographic von onlinedegrees.com

Zwischen Facebook-Zwang und -Verbot: Social Media in der Schule

Letzte Woche ist eine Handreichung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg erschienen, die intensiv diskutiert worden ist. Meine Kritik daran habe ich schon formuliert.

Im Anschluss an den Erlass stellt sich die Frage, welche alternativen Vorschläge für einen Umgang mit Social Media an der Schule sich denn als sinnvoll erweisen könnten. Die Handreichung in Baden-Württemberg wurde von einigen Apologetinnen und Apologeten mit der Begründung verteidigt, dass sie die einzige Möglichkeit darstelle, geltendes Recht zu berücksichtigen und Schülerinnen und Schüler davor zu schützen, zum Betreiben eines Facebook-Accounts gezwungen zu werden.

Till Westermayer fragt in einem Kommentar auf seinem Blog beispielsweise zurecht:

Was wäre für  – mit geltendem Datenschutzrecht im Hintergrund – eine sinnvolle Formulierung einer solchen Handreichung zur Nutzung von sozialen Netzwerken/Clouds für dienstliche Zwecke? Unter welchen Umständen würdest du sie erlauben, unter welchen nicht?

Im Folgenden stelle ich meine Vorstellung zum Einsatz von Social Media in der Schule dar. Einige Vorbemerkungen:

  • Die rechtliche Forderung – dass personenbezogene Daten im Internet geschützt werden – kann meiner Meinung nach heute nur von wenigen IT-Profis sicher umgesetzt werden. Für Lehrpersonen und Mitarbeitende einer Schule ist es undenkbar, das Internet zu nutzen und dabei personenbezogene Daten zu schützen. Es ist dafür nicht einmal relevant, ob die Daten in Cloud-Servern gespeichert werden oder via soziale Netzwerke kommuniziert werden: Alleine die Nutzung bestimmter Geräte und Betriebssysteme reicht aus, dass die Daten ungenügend geschützt sind und von außerhalb eines Landes abgefragt bzw. verändert werden können.
  • Soziale Netzwerke sind nicht per se unsicherer als E-Mail.
  • Rechtliche Vorgaben und Geschäftsbestimmungen von Betreibern von Plattformen sind nicht dasselbe. Es ist durchaus möglich, gegen Geschäftsbestimmungen zu verstossen, ohne ein Gesetz zu brechen.
  • Sicherheit, Gesetze, ethische Fragen, (medien-)pädagogische und organisatorische Vorgaben sind an einer Schule in ein Verhältnis zu setzen. Es gibt keine Lösung, die auf keiner dieser Ebenen Abstriche macht und zu Problemen führt.

Auf dieser Grundlage halte ich folgende Prinzipien für sinnvoll:

  1. Für die Schule relevante Arbeiten sollen Lernende im Internet mit Profilen erstellen, die nicht an ihre Person gebunden sind (also mit Pseudonymen) – es sei denn, sie entscheidend sich zusammen mit ihren Eltern dafür, ihren Klarnamen zu verwenden.
  2. Sensible Daten wie Noten, Adresslisten, Telefonnummern etc. gehören nur auf Schulserver, für deren Sicherheit Profis zuständig sind. Lehrpersonen und Lernende müssen instruiert werden, wie mit diesen Daten umgegangen werden soll.
  3. Die mediale Realität von Jugendlichen ist weniger stark zu gewichten als pädagogische Überlegungen, d.h. die Tatsache, dass Jugendliche Facebook nutzen, ist kein Grund, es in der Schule einzusetzen.
  4. Plattformen, die mit dem Content ihrer User Geld verdienen, sollten in der Schule generell gemieden werden – es sei denn, pädagogische Erwägungen sprechen stark dafür.
  5. Es ist in der Regel sinnvoll, für schulische Arbeiten speziell darauf zugeschnittene Tools zu verwenden.
  6. Die Kommunikation zwischen Lehrpersonen und Lehrpersonen und Eltern bzw. Schülerinnen und Schülern braucht einen privaten Kanal. Privat heißt nicht abhörsicher, sondern lediglich nicht-öffentlich. So lange Punkt ii. eingehalten wird, können soziale Netzwerke, E-Mail, mobile Nachrichten oder Telefongespräche sinnvolle Medien dafür sein.
  7. Für die professionelle Vernetzung und den Aufbau eines persönlichen Lernnetzwerkes sollten Lernenden wie Lehrenden möglichst wenig Vorschriften gemacht werden.
Samir Karrhat, Society6.
Samir Karrhat, Society6.

E-Books konvertieren und Texte kopieren

Ich kaufe oft E-Books, weil ich damit den Unterricht vorbereite. Oft möchte ich gerne Zitate auf Arbeitsblätter kopieren, nach Begriffen suchen, einzelne Stellen markieren. Das erlauben mit aber einige Reader nicht. Daher konvertiere ich oft E-Books in andere Formate und möchte hier eine kurze Anleitung abgeben, wie das geht. Die Anleitung ist für die private und legale Nutzung gedacht. (In Deutschland ist offenbar das Entfernen von »wirksamen technischen Maßnahmen« gegen das Kopieren generell verboten, aber nicht strafbar – auch im privaten Bereich. Eine Abmahnung ist denkbar. Zudem verstößt man in jedem Fall gegen die Nutzungsbedingungen und muss damit rechnen, Zugang zum Konto etc. zu verlieren.)

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Sinnvoll ist es auch, Bücher so umzuwandeln, dass sie auf entsprechenden Geräten gelesen werden können. Die Anleitung erlaubt, beliebige Formate in beliebige andere Formate zu konvertieren.

Der Einfachheit halbe konzentriere ich mich auf Adobe Digital Editions und Kindle – die bei mir häufigsten Formate.

  1. Calibre installieren.
    Die Software erlaubt, EBooks zu konvertieren.
  2. Die nötigen Plugins runterladen.
    Dieses File (.zip) runterladen und entpacken.
  3. Plugins installieren:
    In Calibre auf Einstellungen/Preferences – Advanced: Plugins – Load Plugins from File
    Folgende Files so in Calibre laden:
    a) Kindle: DeDRM_plugin
    b) Adobe Digital Edition: Ineptepub und Ineptpdf
  4. Bücher zu Calibre hinzufügen.
    Die konkreten Files bei Digital Edition oder Kindle suchen und zu Calibre hinzufügen. (Der Kindle-Ordner kann in den Einstellungen verändert werden, der Default-Ordner ist sehr schwer zu finden.)
    Das Hinzufügen entfernt den Kopierschutz.
    Danach kann das File in jedes andere Buchformat umgewandelt werden.

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Meine Informationen Verdanke ich diesen Quellen: ismoothblog.com / apprenticealf / blog-the-ebookreader.com 

Lernen von Leistung trennen

In einem lesenswerten Blogpost fordert David Didau in Bezug auf schulisches Lernen zwei Dinge:

  1. Lernen muss von (messbarer) Leistung getrennt werden
  2. Lernen muss schwieriger werden.

Im Folgenden werde ich seine Schlüsselideen skizzieren und kommentieren.

(1) Der Mythos von Input und Output

Didaus Argumentation geht von einem Bild aus, das er als falsch bezeichnet. Er bezieht sich auf Statistik aus Hatties Visible Learning, die in einem standardisierten Test untersucht hat, wie viele »Items« von höchstens zwei Lernenden in einem Schulzimmer gelernt wurden. Antwort: 45-85%. D.h. im besten Fall lernen mehr als zwei Schülerinnen und Schüler rund Hälfte von dem, was unterrichtet wird.

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Lehrerinnen und Lehrer vergessen, dass Lernen kompliziert und undurchschaubar ist. Sie konzentrieren sich auf ihre Bemühungen und auf die Resultate von Prüfungen und denken, didaktische Anstrengungen seien ausschlaggebend für Resultate in den Prüfungen. Dabei vergessen sie aber zwei weitere Welten, die Lernende stark beeinflussen: Ihr privates Umfeld und den Einfluss anderer Jugendlicher, der so genannten Peers.

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In der Grundschule erhalten Schülerinnen und Schüler 80% ihres Feedbacks von Peers, von diesem Feedback ist wiederum 80% unbrauchbar.

(2) Leistung und Lernen

Leistung ist messbar, Lernen nicht. Diese einfache Einsicht wird schnell vergessen. Betrachtet man aber Hinweise, die Lehrpersonen Schülerinnen und Schülern in Bezug auf Lernen geben, so handelt es sich mehr um Verhaltensweisen denn um Lerntechniken. Lernende werden konditioniert – erfüllen sie gewisse Kriterien, erhalten sie gute Resultate in Tests. Das heißt aber nicht, dass sie etwas gelernt hätten.

Lernen erfolgt an der Grenze von Chaos und Kontrolle. So kann es sein, dass sich eine Leistung verbessert, ohne dass eine Schülerin etwas gelernt hätte, und es kann auch sein, dass ein Schüler etwas lernt, ohne dass sich seine Leistung verbessert.

(3) Was tun? 

Didaus Post schlägt zwei Orientierungsmöglichkeiten vor:

  • Leistungsorientierter Unterricht hält für Lernende klare Hinweise bereit, wie sie lernen können, ist vorhersehbar und enthält immer dieselben Abläufe. Es ist allen klar, was zu erwarten ist – sowohl im Unterricht wie auch bei Prüfungen -, und das wird intensiv geübt.
  • Lernorientierter Unterricht schafft möglichst viele Variationen. Medien, Räume, zeitliche Gefässe ändern sich ständig. Lernen wird unbequemer und schwieriger und gerade dadurch in Gang gesetzt.

Das Ziel bei lernorientiertem Unterricht ist eine Steigerung der Verarbeitungstiefe des Materials. Es wird nicht so präsentiert, dass es möglichst einfach verarbeitet werden kann, sondern schon die Verarbeitung fordert die Lernenden heraus.

Screen-Shot-2013-06-10-at-18.12.50-1up1m42Didau bezieht sich auf ein Konzept von Robert A. Bjork, der zwei Gedächtnisleistungen unterscheidet: Die Fähigkeit, Informationen zu speichern, und die Fähigkeit, gespeicherte Informationen abzurufen. Unsere Adresse, an der wir früher gewohnt haben, haben wir tief in unserem Gedächtnis gespeichert, rufen sie aber selten ab. Die neue Adresse unserer besten Freundin rufen wir oft ab, sie ist aber noch nicht tief in unserem Gedächtnis verankert.

Die grundsätzliche Aussage ist nun die: Leistungsmessungen beziehen sich nur auf die »retrieval strength«, also auf das Abrufen von Informationen. Dabei wird ignoriert, wie wichtig es wäre, Informationen so zu speichern, dass sie nicht vergessen gehen.

Konkret heißt das:

  1. Lernen darf nicht in Einheiten erfolgen, sondern in regelmäßigen Abständen.
  2. Erfolgreiches Lernen bringt Lernende dazu, Informationen selbst zu generieren statt sie nur zu konsumieren.
  3. Themen abwechseln statt in Blöcken zusammenzufassen.
  4. Häufige Tests mit geringem Risiko für Lernende, aber vielen Varianten und Schwierigkeiten.
  5. Feedback reduzieren. Positives Feedback macht Lernende abhängig und kann den Lernprozess verlangsamen (weil alle auf Feedback warten).

Diese fünf Schwierigkeiten scheinen die Leistungen zu senken. Sie sind nicht intuitiv und fühlen sich oft falsch an, sie bewähren sich aber, wenn man wissenschaftlichen Untersuchungen vertraut.

Es lohnt sich, mit Lernenden darüber zu sprechen, warum Lernprozesse schwieriger sein sollten und nicht einfacher. Das leistungsorientierte Modell scheint professioneller zu sein und befriedigender für Schülerinnen und Schüler, welche sich an die entsprechenden Verhaltensweisen anpassen. Es führt aber zu weniger nachhaltigem Lernen.

Hier die Folien von Didau: