Lest eure Mail nicht!

Eine der entscheidenden Literacies, also Kompetenzen im Umgang mit Information, ist die Filterkompetenz: Wenn alle Information der Welt übers Smartphone erreichbar ist und Nachrichten über mich reinbrechen, dann stellt sich die Frage, wie kann ich verhindern, dass ich belastende und irreführende Informationen von mir fernhalte, wichtige und relevante aber direkt einsehen kann.

Eine einfache Übung in Filterkompetenz besteht darin, Mails nicht zu lesen. In meiner Mailbox befinden sich zur Zeit 50’000 Emails, rund 2’500 davon sind ungelesen. Immer wieder markiere ich alle Mails als gelesen, weil die hohe Zahl jemanden irritiert. Mich selber stört sie nicht: Täglich lese ich ganz viele Mails nicht. Ich lese auch viele Facebook-Statusmeldungen nicht, ich lese die Werbung am Bahnhof nicht und auch die Gratiszeitungen lasse ich liegen.

An einem Workshop wurde ich von einer Lehrerin heute gefragt, wie ich denn das mache, Mails nicht lesen: Woher ich wüsste, welche wichtig seien und welche nicht. Eine Frage, die ich mir noch gar nie überlegt habe, gerade weil sie so selbstverständlich ist. Aber mir ist auch schon aufgefallen, dass das viele Menschen nicht tun, nicht wollen oder können. Sie lesen alle Nachrichten, die an sie gerichtet sind – und so filtern sie zu wenig.

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Beim Nachdenken und Ausprobieren bin ich auf folgende Hinweise gestoßen:

  1. Ich lese auch einen großen Teil der Briefpost nicht. Die meisten Couverts, die ich erhalte, werfe ich ungeöffnet weg, weil ich weiß, dass mich die Inhalte nicht interessieren oder nicht betreffen.
  2. Ich nutze eine mobile Ansicht, die mir Absender, Datum, Betreff sowie die ersten rund 15 Wörter anzeigt. Das ist meine Entscheidungsgrundlage.
  3. Mails von wichtigen Absendern, also Einzelpersonen mit klaren Anliegen, lese ich meistens. Wichtige Personen erhalten ein eigenes Postfach, das ich immer lese.
  4. Ausnahme zu 2.: Mails von MitarbeiterInnen, SchülerInnen, von denen ich weiß, dass sie nicht sofort bearbeitet werden müssen. Die lese ich später, weil sie sich oft selbst erledigen.
  5. Ich übe das Nichtlesen. Ich mache es ständig und entwickle so eine Routine darin. Twitter ist wohl die beste Übung im Nichtlesen – man überfliegt eine nie endende Liste von Mitteilungen, die man gar nicht alle lesen kann.

Twitter zeigt aber auch ein Mechanismus im Web 2.0: Alles, was wirklich wichtig ist, wird nach oben gespült. Suchen bringen wichtige Mails als Resultate, sie werden von anderen Leuten weiterverschickt, beantwortet, etc.

Das Nichtlesen ist eine große Entlastung. Es befreit davon, ständig erreichbar zu sein, und gibt ein einfaches Signal zurück: Sei auch im Zeitalter der real-time-Kommunikation geduldig und lasse dir Zeit.

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