Darf man bewusst Bilder so neu zusammenstellen, dass sie einen viralen Effekt auslösen und somit die Botschaft, die offenbar nicht der Wahrheit entspricht, weitertragen? Dies gilt es öffentlich zu diskutieren.
Bereits seit Längerem ist beobachtbar, dass die Anreize der Aufmerksamkeitsökonomie (Inhalte in sozialen Netzwerken sollen möglichst breit wahrgenommen werden) auch bei Journalistinnen und Journalisten dazu führt, dass sie die Echtheit ihrer Inhalte dem Interesse des Publikums unterordnen: »Warum muss eine Geschichte wahr sein, genügt es nicht, dass sie gelesen oder betrachtet wird?«
Diese Sichtweise hat – so scheint es – nun auch einen Effekt auf Menschen, die Medien kritisch reflektieren: Alle drei oben genanten Stories wurden von Expertinnen und Experten breit geteilt. Daraus kann man zwei unterschiedliche Schlüsse ziehen:
Es ist in sozialen Netzwerken schlicht nicht mehr möglich, wahre von falschen Geschichten zu trennen. (Hier der Aufwand, den Konrad Weber betreiben musste, um herauszufinden, wie es sich mit seinen drei Bildern verhält.)
Die Effekte, die Fälschungen auslösen – pädagogische, reflektive – sind für viele Menschen wichtiger als die Frage, ob es sich um Fälschungen handelt.
Letztlich ergibt sich die Gefahr, dass uns der Confirmation Bias egal wird: »Ich publiziere und verbreite einfach das, was meinen Standpunkt unterstützt. Ob es stimmt, ist mir egal – weil seine Wirkung immer größer ist als der negative Eindruck, den eine Fälschung erzeugt.«
Zwei Geschichten aus den sozialen Netzwerken sorgen in den letzten Wochen für Furore:
Zunächst die Schilderung auf dem Blog von »Victoria Hamburg«, die im Internet »Kai« kennen gelernt hat, der sie über Monate manipuliert hat, um eine Beziehung mit ihr aufzubauen;
Bei beiden Vorfällen spielen aufwändige Fakes eine große Rolle. Unter einem Fake-Profil verstehe ich im Folgenden ein Profil, mit dem vorgegeben wird, die Betreiberin oder der Betreiber hätten bestimmte Eigenschaften, die sie nicht haben. Diese Eigenschaften werden in der Folge benutzt, um andere Menschen zu manipulieren. (Obwohl es auch viele maschinenbetriebene, automatische Fakes gibt, klammere ich die hier aus. Ein interessantes Zitat dazu findet sich in der NYT: »Dating sites provide especially fertile ground for socialbots. Swindlers routinely seek to dupe lonely people into sending money to fictitious suitors or to lure viewers toward pay-for-service pornography pages.«)
Es geht hier nicht darum, die Tatsache zu beklagen, dass soziale Netzwerke die Möglichkeit bieten, oder Prüfung einer staatlich versicherten Identität Profile aufzubauen. Es kann für viele Zwecke sinnvoll und wichtig sein, erfundene Profile anzulegen. Erfundene Profile erachte ich nicht als verwerflich, selbst dann nicht, wenn Plattformen sie aus irgendwelchen Gründen nicht zulassen. Ein Problem entsteht erst dann, wenn anderen Menschen Schaden zugefügt wird.
Wie erkennt man, ob es sich bei einem Profil um einen Fake handelt oder nicht?
Aufwand spielt keine Rolle.
Fake-Profile werden oft über längere Zeiträume intensiv gepflegt. Die Betreiberinnen und Betreiber genießen es, andere Menschen zu täuschen und investieren entsprechend viel Zeit in ihre Profile.
Triangulationsmethode.
Es ist einfach, zu einem falschen Profil ein weiteres hinzuzufügen, das gegebenenfalls die Echtheit bestätigen kann. Aber sobald zwei unabhängige Quellen beigezogen werden, die ebenfalls seit längerer Zeit aktiv sind und echt wirken, wird es schwierig, alle drei Profile gefälscht zu haben.
Bilder überprüfen.
Ähnlich wie bei der Verifikation von Nachrichten (die wichtigsten Prinzipien finden sich bei Konrad Weber) geben Bilder oft darüber Aufschluss, ob ein Profil echt oder gefälscht ist. Die Google-Bildersuche ermöglicht es, nach ähnlichen Bildern zu einem bestehenden zu suchen. Das kann dabei helfen, herauszufinden, ob Profilbildern von anderen Menschen und oder Agenturen stammen.
Bei Ausreden skeptisch sein.
Benutzt jemand ein falsches Bild oder einen falschen Wohnort, dann fallen gewisse Dinge schwer (z.B. Videotelefonie, Beschreibung des Ortes, Treffen etc.). Dabei werden immer wieder Ausreden verwendet, die erklären, warum etwas nicht geht (Kamera kaputt, Unfall, schlechte Erfahrungen gemacht etc.). Sobald diese Ausreden neue Informationen beinhalten, aufpassen.
Realistisch bleiben.
Es gibt gewisse Dinge, die auf sozialen Medien nicht passieren, ohne gefälscht zu sein: Dass ein attraktiver Mensch gerade mich besser kennen lernen möchte, beispielsweise. Oder dass mich jemand übermäßig lobt, meinen Schreibstil, meine Ausstrahlung, you name it.
Googlen.
Menschen hinterlassen an verschiedenen Orten Spuren, die auf Google auffindbar sind. Gemachte Angaben sollten immer wieder überprüft werden.
Beziehungsnetz überprüfen.
Wer auf Social Media aktiv ist, hat ein ähnliches Beziehungsnetz: Verwandte und Schulfreundinnen/-freunde bei Facebook, alte Bekannte und Arbeitskolleginnen und – kollegen auf allen Profilen. Ist das bei jemandem nicht der Fall, ist das ein Indiz für einen Täuschungsversuch.
Auf das Urteil erfahrener Social-Media-Userinnen und -User hören.
Man sieht vielen Fake-Profilen nicht an, dass sie gefälscht sind. Aber einige Dinge, die dort geschehen, machen misstrauisch. Bevor man sich einer anderen Person anvertraut oder eine eigene Grenze überschreitet, sollte man mit jemandem darüber sprechen, die oder der viel Zeit mit sozialen Netzwerken verbringt und bestimmte Effekte beurteilen kann.
Dem eigenen Gefühl misstrauen.
Wer Fake-Profile betreibt, ist häufig geschult in Manipulation. Gerade dass ein gutes Gefühl entsteht, Vertrauen möglich ist, kann oft ein Zeichen dafür sein, dass Manipulation vorliegt.
Zu viel Zurückhaltung ist nicht angebracht: Betrügerinnen und Betrüger stecken nicht hinter vielen Profilen. Aber sobald man davor steht, eine aussergewöhnliche Beziehung einzugehen oder die Aussagen, die auf einem bestimmten Profil gemacht werden, zum Anlass für bestimmte Handlungen nimmt, ist Vorsicht geboten.
Über weitere Hinweise in den Kommentaren freue ich mich.
Konrad Weber hat eine dreiteilige Anleitung für Journalistinnen und Journalisten geschrieben, mit der er eine Hilfestellung für die Verifikation von Inhalten anbietet, die man auf sozialen Netzwerken findet. Weber schreibt in der Einleitung:
Um es gleich vorweg zu nehmen: Die folgende Serie beweist, dass es auch in Zeiten zunehmender Digitalisierung Journalisten braucht und unser Beruf nicht aussterben wird. Im Gegenteil: Je mehr Daten wir selbst von uns ins Netz stellen, desto wichtiger wird deren Verifikation durch geschulte und moralisch handelnde Personen.
Eine ähnliche Rolle wie Journalistinnen und Journalisten haben auch Lehrpersonen. Auch sie müssen Schülerinnen und Schüler darin unterrichten, welche Informationen glaubwürdig sind und welche nicht.
Der erste Teil von Webers Anleitung ist stark auf den Beruf der Journalistin bzw. der Journalisten bezogen, er empfiehlt sich mit Social Media vertraut zu machen – weshalb der Text auch für Lehrpersonen lesenswert ist.
Der zweite Teil zeigt auf, wie es möglich ist, einen Faktencheck durchzuführen. Dabei bezieht er sich insbesondere auf News, also auf Ereignisse, die live und zum ersten Mal berichtet werden. Dennoch ist es hilfreich, da einen Blick reinzuwerfen – auch wenn einige Aspekte sehr technisch sind und eine gewisse Vertrautheit mit sozialen Netzwerken erfordern. Weber geht detailliert auch auf Fotos und Videos ein und verlinkt jeweils technische Schwierigkeiten mit Hintergrundinformationen.