#filtertipps 2: Algorithmen

Orientierung und Konzentration erfordern bei digitalen Informationen eine Reihe von Kompetenzen, die man englisch »digital literacy« nennt. Filterkompetenz ist ein wichtiger Bestandteil: Die Fähigkeit, nicht relevante Informationen und Inhalte mit Filtern unsichtbar zu machen. Die analoge Welt nutzt viele Filter: Inhaltsverzeichnisse bei Büchern, Kataloge in Bibliotheken, Register, Redaktionen von Zeitungen etc. haben neben vielen anderen Funktionen auch die Aufgabe zu filtern. 

In einer losen Serie möchte ich hier Techniken und Werkzeuge vorstellen, mit denen digitale Informationen gefiltert werden können. Das ist der zweite Teil, im ersten ging es um Zeit als Filtermethode

* * *

[Mir war vor allem zuwider, dass] Facebook für mich die Entscheidung traf, wie die Welt für mich aussieht. Denn Facebook tut viel mehr als nur eine Blase aus Gleichgeschalteten zu bilden. Facebook verstümmelt. Es verstümmelt meine Wahrnehmung von der Welt, es verstümmelt die Charaktere meiner Kontakte, es verstümmelt meine eigene Vielseitigkeit.

Diese Feststellung von Meike Lobo, mit der sie begründet, weshalb sie auf Facebook verzichtet, ist Menschen in letzter Zeit stärker ins Bewusstsein gerückt. Die Ankündigungen von Twitter, Inhalte ebenfalls mittels Algorithmen auszuwählen, haben zu starken Protesten geführt. An Twitter schätzen viele User, dass sie (neben wenig Werbung) alles – und nur das – sehen, was ihre Kontakte teilen (und zwar in chronologischer Reihenfolge). Bei Facebook zeigt der Stream die Inhalte an, von denen schlaue Programme denken, sie könnten für mich interessant sein: Weil ich auf solche Inhalte reagiere, weil sie von Menschen stammen, mit denen ich viel kommuniziere oder weil andere User damit etwas anfangen konnten.

Wer sich das bewusst machen möchte, sollte sich einmal statt den »Hauptmeldungen« die »Neuesten Meldungen« anzeigen lassen. Dann erscheinen viele Beiträge, die in der Regel verborgen sind – und zwar auch wieder in chronologischer Reihenfolge.

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Die Algorithmen filtern. Sie machen Informationen unsichtbar und gewichten die verbleibenden für uns. In einem FB-Kommentar zum Post seiner Frau schrieb Sascha Lobo:

Hier in den Kommentaren erwarte ich bitte mindestens ein Dutzend altkluge Kommentare, die erklären, wie man ihr Grundproblem mit Facebook mithilfe von Listen, Gruppen, einer kanadischen App und fünf Tagen Sortierarbeiten supersimpel lösen kann.

Damit wies er darauf hin, dass algorithmische Filter zwar auch selbstbestimmt genutzt werden könnten, damit aber

  1. viel technisches Know-How
  2. eine große Zeitinvestition
  3. weitere Algorithmen von Dritten

verbunden sind. Tatsächlich gibt es schon bei Facebook die Möglichkeit, den maßgebenden Algorithmen mitzuteilen, wie sie funktionieren sollten. Nur ein Beispiel dafür: Der Pfeil auf der rechten Seite von FB-Beiträgen. Er erlaubt mir, dem Filteralgorithmus konkrete Regeln zu diktieren.

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In einem lesenswerten Beitrag erklärt Zeynep Tufekci, warum ihrer Meinung nach Twitter beim heutigen System blieben sollte. Sie bringt drei Schlüsselargumente an:

  1. Das menschliche Urteil ist oft besser und wichtiger als das von Algorithmen.
    Bsp.: Als amerikanische Soldaten Osama Bin Laden getötet hatten, bereite das Weiße Haus eine Pressekonferenz vor – ohne dass jemand wusste, worum es dabei gehen sollte. Der brisante Inhalt wurde schon vorher durch einen unauffälligen Mitarbeiter über Twitter kommuniziert – worauf ein findiger Journalist der Nachricht das nötige Gewicht gab. Ein Algorithmus hätte diesen Tweet nie prominent eingeblendet. 
  2. Algorithmen führen zu einer Stärkung des Matthäus-Effekts: »Wer hat, dem wird gegeben.« Algorithmen geben den Usern mehr Platz, die ohnehin schon gut wahrnehmbar sind. Das geht auf Kosten aller anderen.
  3. Algorithmen provozieren eine Verhaltensanpassung: Menschen versuchen Inhalte so zu präsentieren, dass Facebook sie anderen auch anzeigt. Dadurch kommunizieren sie aber schlechter und ineffizienter.
    Bsp.: FB zeigt zumindest im englischen Sprachraum Meldungen mit »Congratulations« viel prominenter an als andere. Diese Eigenschaft lässt sich gut ausnutzen

Mir scheint da wesentliche Problem die Allgemeinheit von Algorithmen zu sein. Wir alle nutzen dieselben – nämlich die, welche uns Facebook anbietet. Algorithmische Filter sind dann kein Problem, wenn es meine Filter sind, die meine Urteile und meine Erfahrung enthalten. Dann sind es letztlich nur Abwicklungen von Routinearbeiten, die wir bei der Sortierung unserer Briefpost oder bei der Lektüre der Tageszeitung täglich erledigen. Man darf nicht vergessen, dass es der Einsatz von Algorithmen Unternehmen schwerer macht, ein Zielpublikum umstandslos zu erleichtern – weil Algorithmen Spam recht zuverlässig unsichtbar machen.

Meine Anleitung wäre also folgende:

  1. Auf den genutzten Plattformen die Möglichkeiten nutzen, um Filter zu personalisieren.
  2. Programme einsetzen, die algorithmisches Filtern erlauben. Anfangen kann man gut mit E-Mail-Apps: Hier lassen sich mit Filtern Postfächer einrichten, die komplexen Regeln gehorchen. Die einfachste Übung: Sich zu fragen, welche Mail ich immer lesen will – sie stammen von einer bestimmten Person, enthalten bestimmte Begriffe, treffen zu bestimmten Zeiten ein etc. Oder welche ich sicher nie lesen würde.
  3. Sich allgemeinen Algorithmen nicht unterwerfen, sondern sie hintergehen und manipulieren, um sie zu persönlichen zu machen.

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