Guideline: Fotos von Kindern/Jugendlichen veröffentlichen

In den Kommentaren zu meinem Blogpost über Kinderfotos im Internet wurde die Frage gestellt, wie denn Sportvereine, Schulen etc. mit Fotos von Kindern und Jugendlichen umgehen sollen. Auf der Homepage der Schule, an der ich unterrichte, werden Anlässe immer mit Fotos dokumentiert. Diese Guideline sind Überlegungen, die auch im Gespräch mit den dafür Verantwortlichen entstanden sind.

Der amerikanische Botschafter in der Schweiz, Donald S. Beyer Jr. zu Besuch an der Kantonsschule Wettingen.
  1. Einverständnis einholen.
    Sowohl die Kinder/Jugendlichen als auch die Eltern müssen damit einverstanden sein, dass Fotos publiziert werden. Um das Einverständnis einzuholen, muss der Modus der Aufnahmen und der Veröffentlichung klar geregelt sein.
  2. Recht am Bild reflektieren.
    An der Schule muss Verantwortlichen bewusst sein, was Recht am eigenen Bild bedeutet. Gute Lektüre dazu: Educa Guide Schulen am Netz. Rechte und Pflichten, S. 18f. (pdf)
  3. Sehr sorgfältig auswählen. 
    Alle Bilder, die unangenehme, zu emotionale, möglicherweise peinliche etc. Momente von Kindern oder Jugendlichen zeigen, müssen gelöscht werden – auch wenn man sie sehr lustig findet.
  4. Löschmöglichkeit klar angeben. 
    Wer will, dass ein Bild von ihr oder ihm (bzw. seiner/ihrer Kinder) gelöscht wird, muss das problemlos verlangen können und über diese Möglichkeit informiert sein.
  5. Namen und Bilder nicht verbinden. 
    Bildlegenden, welche die Personen auf Bildern identifizierbar machen, sollen nur in Ausnahmefällen vorgenommen werden (z.B. Preisverleihung etc.). Ansonsten ist allen Betroffenen klar, wer auf dem Bild zu sehen ist. (Namensangaben helfen Gesichtserkennungsdienste, Personen zu identifizieren.)
  6. Temporäre Galerien anlegen. 
    Es reicht, Fotos von Anlässen während zwei oder drei Monaten publiziert zu lassen. Danach sollen sie gelöscht werden.
  7. Galerien eingeschränkt zugänglich machen. 
    Alle professionellen Anbieter von Fotogalerien erlauben es, Einladungen zum Betrachten zu verschicken. Diese Einladungen können widerrufen werden und verhindern, dass die Bilder über Suchmaschinen etc. gefunden werden können. Meist gibt es keinen Grund, die Bilder über die Schulgemeinschaft hinaus verfügbar zu machen – interne Lösungen (Intranet) würden genügen.
  8. Für permanente Bilder zusätzlich Einverständnis einholen. 
    Werden Bilder für Broschüren, eine Homepage etc. permanent verwendet, muss dazu gesondert noch einmal das Einverständnis eingeholt werden.
  9. Generell: Zurückhaltung. 
    Es ist einfach, digitale Bilder zu machen. Und es scheint, als würde heute nur noch stattfinden, was im Bild dokumentiert ist. Dennoch ist Zurückhaltung hier eine Tugend. Wenige, gute Bilder publizieren. Auch mal eine Fotowand im Schulhaus ausstellen oder auf eine Galerie auf einem Schulpanel laufen lassen, anstatt die Bilder ins Netz zu stellen.
  10. Generell: Differenzieren. 
    Jüngere Kinder eher stärker schützen, ältere mehr in den Prozess einbinden. Analog auch für auffällige, normferne, scheue oder besonders offene Kinder.

Kinderfotos auf Social Media

Das bin ich. Als ich sieben war, wurde ich von Bienen gestochen. Meine Augen schwollen zu. Meine Eltern machten ein Bild, das Bild klebten sie in ein Fotoalbum. Als ich es vor drei Jahren durchsah, digitalisierte ich das Bild und publizierte es auf meiner Facebook-Seite.

Heute würden viele Eltern das Bild direkt ins Internet laden – ihren Freunden zeigen, wie lustig ihre Kinder aussehen, wie süss, wie unbeholfen. Einige tun es direkt aus dem Kreißsaal und dann sehr regelmäßig, z.B. auf einem speziellen Blog – andere sehr zurückhaltend oder fast nie. Und doch gibt es auch von diesen Kindern viele Bilder im Netz: Z.B. werden sie von Krankenhäusern wie dem Triemli-Spital in Zürich ins Netz gestellt und auch während Jahren archiviert.

Wo liegt das Problem? Wer fotografiert wird, hat das Recht am eigenen Bild. Es bedeutet, vereinfacht gesagt, dass fotografierte Personen bestimmen dürfen, wie und ob ihr Bild veröffentlich wird – außer, man befindet sich an einem Anlass, wo man gerechnet werden muss, dass Bilder gemacht und publiziert werden, oder man ist eine Person, an der ein sehr starkes öffentliches Interesse besteht. Genauer habe ich das für Social Media hier dargelegt, interessant ist auch dieser Text aus dem NZZ Folio.

Kinder haben auch ein Recht am eigenen Bild. Art. 301 ZGB besagt:

Die Eltern leiten im Blick auf das Wohl des Kindes seine Pflege und Erziehung und treffen unter Vorbehalt seiner eigenen Handlungsfähigkeit die nötigen Entscheidungen.

Kinder können nicht darüber entscheiden, wo und wie ihre Bilder publiziert werden sollen – also übernehmen die Eltern diese Entscheidung. Das ist die gängige Praxis. Nun gibt es aber einen grundlegenden Konflikt, der analog auch in der Debatte um die Beschneidung von Knaben aufscheint: Die Interessen der Eltern – ein Bild zu publizieren, weil sie ihren Nachwuchs präsentieren wollen – kollidieren mit dem Recht des Kindes an seinen eigenen Bildern.

Für die Kinderlobby Schweiz formuliert Daniel Goldberg ein wichtiges Prinzip:

Das Ausmass der Fremdbestimmung möglichst klein und die künftige Selbstbestimmung möglichst offen zu behalten.

Gerade darum geht es auch bei der Publikation von scheinbar harmlosen Bildern: Es ist unklar, wie sich das Kind entwickelt. Vielleicht wird es durch einen Unfall behindert. Vielleicht ändert es seine sexuelle Orientierung. Vielleicht wird es eine öffentliche Figur. Der Punkt ist: Eltern können nicht wissen, welche Interessen ein Kind haben wird und welche Bilder es von sich publizieren will. Es gibt nichts, was hier zu einer Güterabwägung führen könnte: Das Interesse der Eltern, Bilder ihrer Kinder zu publizieren, ist sicher weniger stark als das Recht der Kinder.

Das Fazit ist ganz einfach: Keine Bilder von Kindern im Internet öffentlich verfügbar machen. Das fordert eine Initiative auf Facebook bereits seit längerem. Sind die Kinder Teil eines größeren öffentlichen Anlasses und als einzelne nicht identifizierbar, mag das eine Ausnahme sein. Ansonsten sehe ich aber nicht, warum man diesen Grundsatz verletzen würde. Ich freue mich aber über eine Diskussion in den Kommentaren.

Kinderfotos auf Facebook

Gestern machte ein Artikel von Golem.de die Runde auf dem Internet (auch auf zeit.de), in dem es um folgenden Vorfall geht:

In Braunlage im Harz wurden sechs Schüler von einer Unterrichtsstunde mit einem Geschichtenerzähler ausgeschlossen, weil ihre Eltern einer Veröffentlichung von Fotos der Veranstaltung bei Facebook nicht zugestimmt hatten.

Das Beispiel zeigt die Bedeutung der Frage, ob Eltern und Schulen Fotos von Kindern in sozialen Netzwerken oder überhaupt im Internet publizieren dürfen. (Klar ist, dass man keine Kinder von Veranstaltungen ausschließen kann, nur weil sie oder ihre Eltern nicht wollen, dass sie auf Facebook-Fotos erscheinen.)

Auf Facebook gibt es eine Gruppe, die fordert, dass im Social Web keine Kinderfotos publiziert werden dürfen.

Bild

Die wesentlichen Argumente sind die folgenden:

  • Man überträgt mit der Publikation gewisse Rechte an Facebook.
  • Eltern und Schule haben die Aufgabe, die Privatsphäre von Kindern zu schützen.
  • Eltern und Schule dürfen nicht über die Publikation von Bildern befinden, welche die Kinder unter Umständen später nicht wünschen.
  • Pädophile nutzen Social Media zum Finden von potentiellen Opfern.

Wenn Schulen trotzdem darauf bestehen, Bilder zu publizieren, so müssen sie das Einverständnis der Eltern einholen und sie dabei auch darauf hinweisen, was eine Publikation bedeutet. Golem.de erwähnt »Risiken wie weltweite Abrufbarkeit, Veränderbarkeit und Nutzung«.

Der Datenschützer von Schleswig-Holstein findet deutliche Worte:

Selbst der unzulässige Betrieb einer Facebook-Fanpage ist im Schulbereich nicht tabu – und zugleich ein pädagogisch katastrophales Vorbild für die Kinder und Jugendlichen. Facebook legt alles darauf an, nicht nur den Kindern, sondern auch den Schulleitungen den Kopf zu verdrehen.

Die rechtliche Situation mag in der Schweiz eine leicht andere sein. Eine Schule kann über eine Facebook-Seite Kommunikationsaufgaben wahrnehmen und es ist auch möglich, sich und die Schülerinnen und Schüler ausreichen zu schützen. Dennoch ist es wichtig, sich folgende Fragen zu stellen:

  • Was ist der Zweck des Hochladens?
  • Wer soll dieses Bild überhaupt sehen – und wer nicht?
  • Wenn ich es jetzt und hier poste, welchen Bedingungen unterwerfe ich mich, wie viel Kontrolle habe ich?
  • Verstehe ich all diese Bedingungen? Verstehe ich meine Kontrollmöglichkeiten?
  • Bin ich nun in der Lage, hier eine sichere Entscheidung zu treffen, mich guten Gewissens dafür oder dagegen zu entscheiden?
  • Oder gibt es sozialen Druck: weil alle mitmachen, ich nicht außen vor bleiben will oder ich schon zugesagt habe, ohne mich vorher ausführlich zu informieren?
  • Gibt es Alternativen zum bisherigen Vorhaben?
  • Wie kann ich die mir aufscheinenden Risiken minimieren oder gar ganz ausschließen?

Die Fragen stammen aus diesem aufschlussreichen Grundlagenartikel von Dr. Stephan Humer.