Sexting: Inhalte von Social Media direkt auf Pornoseiten

Die Diskussionen um Reddit bzw. den User violentacrez, ein soziales Netzwerk, wo in Unterforen in den USA legale, sexualisierte Bilder von Jugendlichen und Unwissenden verbreitet werden, führen zur Erkenntnis, dass Inhalte, die sich Jugendliche untereinander zusenden, von Pornoseiten verwendet werden. Das berichtet der Guardian.

Der Artikel zitiert die Internet Watch Foundation IWF:

88% of self-made sexual or suggestive images and videos posted by young people, often on social networking sites, are taken from their original online location and uploaded on to other websites.
[Übersetzung phw:] 88% aller selbstgemachten sexuellen oder anzüglichen Bilder und Video, die junge Menschen verbreiten, oft auf Social Media Seiten, werden auf andere Seiten hochgeladen.

Sobald Bilder ins Internet geladen werden, können sich nicht mehr kontrolliert werden. Bei sexualisierten Darstellungen ist dies besonders fatal – weil einerseits ein großes Interesse daran besteht, das mit industriellen Einnahmemöglichkeiten gekoppelt ist, andererseits die Bilder besonders intim sind.

Die IWF berichtet von jungen Menschen, deren Bilder von gestohlenen Handys oder Dritten ins Internet hochgeladen wurden. Die Folgen waren verheerend: Von der Gefährdung einer beruflichen Karriere bis hin zu psychischen Problemen und Suizidalität.

Rechtliche Möglichkeiten gibt es nur, wenn klar nachgewiesen werden kann, dass es sich bei den Bildern um in einem Land verbotene Kinderpornographie handelt.

David Wright vom UK Safer Internet Center sagt:

Much of the advice for children and young people is, quite rightly, to not ’sext‘. However, this research, coupled with our experience, demonstrates that it is still not uncommon.
[Übersetzung phw:] Der einfachste Rat für Kinder und junge Menschen ist: Kein Sexting. Unsere Untersuchungen und Erfahrungen zeigen aber, dass es immer noch verbreitet ist.

Sexting ist ein klarer Fall für die pädagogische Verantwortung in der Vermittlung von Medienkompetenz, die sich nicht darin erschöpft, die Funktionsweise von Tools kennen zu lernen.

 

Meinungsfreiheit in Social Media

Auf der Trollcon hat Klaus Kusanowsky einige Einsichten zur Meinungsfreiheit vermittelt – ich zitiere meine Twitter-Zusammenfassungen:

Seine historische Analyse zeigte die ursprünglich enge Koppelung des Rechts auf Meinungsäußerung mit dem Recht, angehört zu werden. Meinungsfreiheit entkoppelt von diesem Recht führt zur Frage, was denn Meinungen noch bedeuten, wenn jede und jeder eine haben kann und die meisten nicht beachtet werden.

Das ist in Christoph Kappes‚ Analyse das »Gift der Moderne«. In seinem brillanten Rant (oder ist das ein Essay? ein Gedicht? ein Fragment?) schreibt er:

Die Aufmerksamen merken auf bis zur Unmerklichkeit. Auf Twitter heute lesen und sich heute empören, sich morgen über die Empörer empören, dann Schweigen, gelangweilt sein, Witzchen machen. Und alles wieder von vorn, bis Kommunikation zum Würfelspiel wird, weil man sich aussuchen kann, auf welchen Input man antwortet und dann selbst zur Black Box wird und mit den Schenkeln zuckt.

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In Bezug auf soziale Netzwerke haben sich in den letzten Tagen zwei Diskussionen zum Thema Meinungsfreiheit geöffnet, die einen etwas anderen Fokus haben. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob die Betreiber solcher Netzwerke, insbesondere Twitter und Reddit, freie Meinungsäußerung beschränken sollen. Ein beliebtes Missverständnis ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung als positives Recht zu verstehen: Es gibt kein Recht darauf, seine Meinung äußern zu dürfen. Vielmehr gibt es ein (negatives) Recht darauf, vom Staat daran nicht gehindert zu werden. Konkret heißt das: Wenn Twitter oder Reddit gewisse Meinungen nicht tolerieren will, dann haben diese Firmen das Recht dazu. Genau so, wie eine Zeitung bestimmen kann, ob sie eine Kolumne oder einen Leserbrief abdrucken will.

Flickr cutiemoo. CC BY-ND 2.0

Konkret geht es um einen Twitteraccount, den Twitter in Deutschland gesperrt hat – aus anderen Ländern ist er weiterhin verfügbar. Der Pirat Stefan Urbach hat daraufhin gefordert, Twitter müsse konsequent gegen Nazis vorgehen. Sein Argument grenzt jedoch an willkür – entsprechend kontrovers wurde es diskutiert.

Menschenverachtung ist keine Meinung, sondern eine geäußerte Einstellung. Nach meinem moralischem Kompass muss man die zugrunde liegende Ideologie bekämpfen. So lange wir das nicht geschafft haben, dürfen wir den Menschenverachtern niemals ein Podium bieten. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit einer aufgeklärten Geisteshaltung.

Im Falle von Reddit geht es um Foren, in denen geschmacklose, menschenverachtende Bilder gepostet werden – deren Publikation in den USA aber legal ist. Dazu hat sich der CEO von Reddit, Yishan Wong, wie folgt geäußert:

We stand for free speech. This means we are not going to ban distasteful subreddits. We will not ban legal content even if we find it odious or if we personally condemn it. Not because that’s the law in the United States – because as many people have pointed out, privately-owned forums are under no obligation to uphold it – but because we believe in that ideal independently.

John Scalzi analysiert die Praxis von Reddit pragmatisch: Die User solcher Foren sind häufige Besucher auf der Seite. Entsprechend viele (Werbe-)einnahmen generieren sie. Die Politik von Reddit, alle Meinungen zuzulassen, ist nicht eine Haltung, sondern eine Strategie um möglichst viel Geld zu verdienen.

Wir können nicht erwarten, dass Unternehmen sich anderen Standards verpflichen als juristischen und ökonomischen. Es würde aber Medienunternehmen – wie das Twitter und Reddit sind – gut anstehen, transparente Regeln im Umgang mit Meinungsäußerungen zu haben und dieser verständlich zu kommunizieren.

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Ein dritter Aspekt ist die Meinungsfreiheit auf Social Media und das Arbeitsrecht. Dazu möchte ich den Artikel von Patrik Tschudin empfehlen.

Wie ein Online-Stalker vorgeht

Reddit – »The Front Page of the Internet« – ist in den USA eines der bedeutesten Social Media-Angebote. Das Forum mit einer eigenwilligen Grafik ist sehr breit in seinem Angebot – und qualitativ sehr hochstehend. Die User von Reddit können eigentlich jedes Problem lösen; Präsident Obama hat sich sogar die Zeit genommen, auf Reddit Fragen der User zu beantworten.

In einem der Sub-Reddits, Unterforen, gibt es die Möglichkeit, Geständnisse abzulegen. Ein Online-Stalker legt dort detailliert dar, wie er bei seinem Stalking-Versuch vorgegangen ist. Ein Lehrstück, wie Informationen übers Internet verbreitet werden.

Der Text eignet sich gut für eine Schulstunde. Ich übersetze ihn auf Deutsch, das englische Original lässt sich hier nachlesen.

Ich habe ein Mädchen online während Monaten gestalkt…

…bis ich einen Schritt zu weit ging.
Zunächst fand ich das Mädchen per Zufall auf Tumblr. Ich klickte durch Posts und Quellenangaben bis ich ihr Bild sah. Ihr Bild. Gott, ist sie schön. Und sexy. Zweifelsohne eines der schönsten Mädchen, das ich je gesehen hatte.
Ich durchsuchte ihre Tumblr-Seite bis ich ihre anderen Social Media-Profile gefunden hatte. Alle waren öffentlich…
Twitter, Instagram, Facebook, Pinterest. Sie war nicht zurückhaltend mit dem, was sie veröffentlichte. Viele Nacktbilder und andere sexy Aufnahmen, aber auch viele Schnappschüsse. Das Mädchen ist atemberaumbend.
Schließlich schaute ich mir ihre Instagram-Bilder auf einer Drittseite an und bemerkte – ihre Bilder waren mit Geotags versehen. Eins. Zwei. Drei. Und so weiter. Geotags verzeichneten ihr ganzes Leben auf einer Karte. Shit, das kann ja nicht sein. Diese Tags. Die meisten waren weniger als eine Stunde von mir zuhause entfernt. Dieses Mädchen lebt nicht auf der anderen Seite der Welt, sondern in nächster Nähe! Da begann es. Ich weiß nicht, was mich ergriff, aber ich begann, tiefer zu graben. Ich musste einfach.
Während der nächsten Monate sammelte ich alle Informationen von allen Social Media Profilen des Mädchens.
Ich fand heraus, wo sie wohnte, wo sie arbeitete, wo sie zur Schule ging, was sie studierte, in welchem Schulareal, in welchem Gebäude. Ich fand auch ihren Stundenplan heraus. Ich wusste, wer ihre nächsten Freunde waren, ihre Namen und wo sie wohnten (sie hatte auch diese Bilder mit Geotags versehen). Ich wusste, wo ihre Eltern wohnten, ihre Schwester und ihr Freund. Sie machte so viele Fotos von ihrer Wohnung, dass ich einen Plan hätte zeichnen können. Ich wusste, wo sie ihre Freizeit verbrachte und welche Lokale sie frequentierte. Ich wusste, was für ein Auto sie fuhr und wo sie tankte.
Um sicher zu sein, schaute ich die Satellitenbilder von Google Maps an und benutzten Google Street View um Bäume und andere Objekte zu identifizieren, die man im Hintergrund von Bildern sah. Ich konnte nicht aufhören, es ergriff mich. All das hätte ich nicht wissen sollen und auch sonst niemand.
Mit all diesen Fragmenten konnte ich ihr ganzes Leben zusammensetzen. Es war erstaunlich und fühlte sich gut an, obwohl ich nicht weiß, warum. Aber ich tat nichts; es war einfach wie ein Spiel.
Bis ich eines Tages, auf meinem Heimweg – ich machte zuerst ein paar Einkäufe. Ich hielt an einem Rotlicht und plötzlich wurde mir klar: Hier wohnt sie. Ich bin in ihrer Nähe. Ich erkannte alles um mich herum, obwohl ich noch nie hier gewesen war. Ich erkannte Schilder, Läden, Bäume. Ich war da. Es war kein SPiel mehr. Sobald die Ampel grün wurde, entschied ich mich. Ich tat es. Ich fuhr herum, bis ich zu ihrer Strasse kam.
Dort war es. Ich fuhr weiter und da vorne war ihr Haus. Ihr Auto. Sie selber.
Alles, was ich zusammengesetzt hatte, war echt. Nicht nur Daten im Computer, Einsen und Nullen. Ich fuhr vorbei, schaute mir das Haus an. Ich erkannte die Vorhänge, sie hatte sie auf Instagram gepostet.
Was zum Teufel tat ich hier?
Ich drückte aufs Gas und fuhr heim. Ich musste weg. Das ist kein Spiel, du Idiot, das ist ein Leben von jemandem.
Ich weiß nicht, warum ich das hier aufschreibe. Es ist über ein Monat her, dass ich bei ihrem Haus vorbeifuhr, und bisher habe ich nicht einmal mehr ans Stalking gedacht. Aber ich musste das einfach loswerden. Bitte nimm das als Warnung, deine Online-Identiät zu schützen. Ihre Postings enthielten alleine nicht zu viel Information. Aber sie erwartete nicht, dass sich jemand die Mühe machte, alles zu kombinieren.

Entscheidende Punkte sind:

  • Der Wille zum Stalking entstand als Nebenprodukt, aus einer Social Media-Dynamik.
  • Problematisch ist die Verknüpfung verschiedener Accounts.
  • Geotagging ist etwas, was viele Kameras automatisch machen. Die entsprechenden Seiten zeigen Informationen an, als User merkt man das unter Umständen gar nicht.
  • Das Risiko berechnet sich nicht aus einzelnen Postings, sondern aus ihrer Kombination.
  • Der Stalker kannte zunächst keine Daten wie Adresse, Telefonnummern oder Namen.