Wie ein Online-Stalker vorgeht

Reddit – »The Front Page of the Internet« – ist in den USA eines der bedeutesten Social Media-Angebote. Das Forum mit einer eigenwilligen Grafik ist sehr breit in seinem Angebot – und qualitativ sehr hochstehend. Die User von Reddit können eigentlich jedes Problem lösen; Präsident Obama hat sich sogar die Zeit genommen, auf Reddit Fragen der User zu beantworten.

In einem der Sub-Reddits, Unterforen, gibt es die Möglichkeit, Geständnisse abzulegen. Ein Online-Stalker legt dort detailliert dar, wie er bei seinem Stalking-Versuch vorgegangen ist. Ein Lehrstück, wie Informationen übers Internet verbreitet werden.

Der Text eignet sich gut für eine Schulstunde. Ich übersetze ihn auf Deutsch, das englische Original lässt sich hier nachlesen.

Ich habe ein Mädchen online während Monaten gestalkt…

…bis ich einen Schritt zu weit ging.
Zunächst fand ich das Mädchen per Zufall auf Tumblr. Ich klickte durch Posts und Quellenangaben bis ich ihr Bild sah. Ihr Bild. Gott, ist sie schön. Und sexy. Zweifelsohne eines der schönsten Mädchen, das ich je gesehen hatte.
Ich durchsuchte ihre Tumblr-Seite bis ich ihre anderen Social Media-Profile gefunden hatte. Alle waren öffentlich…
Twitter, Instagram, Facebook, Pinterest. Sie war nicht zurückhaltend mit dem, was sie veröffentlichte. Viele Nacktbilder und andere sexy Aufnahmen, aber auch viele Schnappschüsse. Das Mädchen ist atemberaumbend.
Schließlich schaute ich mir ihre Instagram-Bilder auf einer Drittseite an und bemerkte – ihre Bilder waren mit Geotags versehen. Eins. Zwei. Drei. Und so weiter. Geotags verzeichneten ihr ganzes Leben auf einer Karte. Shit, das kann ja nicht sein. Diese Tags. Die meisten waren weniger als eine Stunde von mir zuhause entfernt. Dieses Mädchen lebt nicht auf der anderen Seite der Welt, sondern in nächster Nähe! Da begann es. Ich weiß nicht, was mich ergriff, aber ich begann, tiefer zu graben. Ich musste einfach.
Während der nächsten Monate sammelte ich alle Informationen von allen Social Media Profilen des Mädchens.
Ich fand heraus, wo sie wohnte, wo sie arbeitete, wo sie zur Schule ging, was sie studierte, in welchem Schulareal, in welchem Gebäude. Ich fand auch ihren Stundenplan heraus. Ich wusste, wer ihre nächsten Freunde waren, ihre Namen und wo sie wohnten (sie hatte auch diese Bilder mit Geotags versehen). Ich wusste, wo ihre Eltern wohnten, ihre Schwester und ihr Freund. Sie machte so viele Fotos von ihrer Wohnung, dass ich einen Plan hätte zeichnen können. Ich wusste, wo sie ihre Freizeit verbrachte und welche Lokale sie frequentierte. Ich wusste, was für ein Auto sie fuhr und wo sie tankte.
Um sicher zu sein, schaute ich die Satellitenbilder von Google Maps an und benutzten Google Street View um Bäume und andere Objekte zu identifizieren, die man im Hintergrund von Bildern sah. Ich konnte nicht aufhören, es ergriff mich. All das hätte ich nicht wissen sollen und auch sonst niemand.
Mit all diesen Fragmenten konnte ich ihr ganzes Leben zusammensetzen. Es war erstaunlich und fühlte sich gut an, obwohl ich nicht weiß, warum. Aber ich tat nichts; es war einfach wie ein Spiel.
Bis ich eines Tages, auf meinem Heimweg – ich machte zuerst ein paar Einkäufe. Ich hielt an einem Rotlicht und plötzlich wurde mir klar: Hier wohnt sie. Ich bin in ihrer Nähe. Ich erkannte alles um mich herum, obwohl ich noch nie hier gewesen war. Ich erkannte Schilder, Läden, Bäume. Ich war da. Es war kein SPiel mehr. Sobald die Ampel grün wurde, entschied ich mich. Ich tat es. Ich fuhr herum, bis ich zu ihrer Strasse kam.
Dort war es. Ich fuhr weiter und da vorne war ihr Haus. Ihr Auto. Sie selber.
Alles, was ich zusammengesetzt hatte, war echt. Nicht nur Daten im Computer, Einsen und Nullen. Ich fuhr vorbei, schaute mir das Haus an. Ich erkannte die Vorhänge, sie hatte sie auf Instagram gepostet.
Was zum Teufel tat ich hier?
Ich drückte aufs Gas und fuhr heim. Ich musste weg. Das ist kein Spiel, du Idiot, das ist ein Leben von jemandem.
Ich weiß nicht, warum ich das hier aufschreibe. Es ist über ein Monat her, dass ich bei ihrem Haus vorbeifuhr, und bisher habe ich nicht einmal mehr ans Stalking gedacht. Aber ich musste das einfach loswerden. Bitte nimm das als Warnung, deine Online-Identiät zu schützen. Ihre Postings enthielten alleine nicht zu viel Information. Aber sie erwartete nicht, dass sich jemand die Mühe machte, alles zu kombinieren.

Entscheidende Punkte sind:

  • Der Wille zum Stalking entstand als Nebenprodukt, aus einer Social Media-Dynamik.
  • Problematisch ist die Verknüpfung verschiedener Accounts.
  • Geotagging ist etwas, was viele Kameras automatisch machen. Die entsprechenden Seiten zeigen Informationen an, als User merkt man das unter Umständen gar nicht.
  • Das Risiko berechnet sich nicht aus einzelnen Postings, sondern aus ihrer Kombination.
  • Der Stalker kannte zunächst keine Daten wie Adresse, Telefonnummern oder Namen.

5 Kommentare

  1. Es geht wirklich ziemlich einfach. Als mich mal ein vermeintlich anonymer User im Blog beschimpft hatte habe ich seine Mailadresse gegoogelt, dadurch seinen vollen Namen, seine Arbeitsstelle und sogar ein Foto und eine Kleinanzeige im Web von ihm gefunden. Gemacht habe ich damit nichts aber es ist schon interessant, da der User seine Beschimpfungen vermutlich nicht unter seinem vollen Namen und mit Foto gepostet hätte.

  2. Ich weiss nicht, die Geschichte wirkt für mich etwas zu konstruiert. Da hat eher jemand geschrieben, wie es sein könnte. Wer stellt schon selber Nacktbilder von sich ins Netz mit Geotags und public auf Facebook, Instagram, Twitter? Meines wissen, werden solche Fotos von diesen Diensten gar nicht zugelassen, sonst wäre die ganze Pornoindustrie ja schon längst da. Gut, vielleicht sind mit den „nudes“ nicht wirklich Nacktbilder gemeint, sondern einfach „viel nackte Haut“ oder so. Trotzdem, ich bin skeptisch. Die ganze Beschreibung wirkt wie aus einer Abschreckungsbroschüre für besorgte Eltern. Ich will damit nicht sagen, dass Stalker nicht ein Problem sein können und ich kann mir auch vorstellen, dass durch die einfachere Gelegenheit mehr Stalking-Fälle auftreten. Aber man sollte nicht suggerieren, dass die online Welt von Stalkern wimmelt, die den ganzen Tag die Profile der Leute zusammenklauben. Ein paar wenige Vorsichtsmassnahmen lösen das Problem sofort.

    Zu Deinen entscheidenden Punkten sei darum noch anzumerken:

    1) Der Wille zum Stalking war offenbar schon ausgeprägt. Dieser Herr, sollte es sich wirklich so zugetragen haben, kann sich nicht darauf berufen, dass die Gelegenheit ihn zu Stalker gemacht hat. Er hat selber eine moralische Verpflichtung seine Handlungen zu reflektieren und im Zaum zu halten. Man kann ihm zu Gute halten, dass er nach einer Weile damit aufgehört hat. Er hat sich verhalten wie ein Schuljung der sich das erste mal verliebt hat. Das Problem ist also nicht nur strukturell zu identifizieren, sondern auch psychologisch bei ihm. Das heisst es braucht eben beides, die Social Medialen Möglichkeiten und seine psychologische Veranlagung.

    2) Problematisch ist vor allem das öffentliche posten aller privaten Daten, und die oftmals fehlende Auseinandersetzung der User mit den Diensten, die sie benutzen. Niemand wird dazu gezwungen seine privaten Familienfotos öffentlich zu publizieren. Wer auf Facebook oder Google+ die Einstellungen einmal richtig einstellt, hat diese Probleme nicht. Ich finde es auch doof, dass es für die meisten Nutzer zu kompliziert zu sein scheint, aber das entbindet niemanden von der Verantwortung für sein eigenes Handeln. Man muss sich halt einfach mit den Werkzeugen auseinander setzen, die man benutzt. Es nimmt auch niemand einfach eine Motorsäge in die Hand, ohne ein paar wichtige Punkte zur sicheren Bedienung einer solchen gelernt zu haben.

    1. Danke für diesen ausführlichen Kommentar.
      Ob die Story stimmt oder nicht – das wissen wir nicht. Evtl. prahlt er auch mit der Schönheit seines Opfers, um Aufmerksamkeit zu generieren. Ich habe schon Aktphotos auf verschiedenen Portalen gesehen – einfach ohne Geschlechtsmerkmale.

      Bei den beiden Punkten bin ich einverstanden. Mir schien bei 1) einfach bemerkenswert, wie er einen Sog beschreibt, den viele Menschen kennen: Sie schauen öfter bei (halb-)fremden Profilen vorbei, als nötig und sinnvoll wäre.

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