Wer ein Blog betreibt – und das hier ist ja eines -, kann so genannte Stöckchen weitergeben oder -werfen. Das ist zwar ein Euphemismus für einen Kettenbrief, weil mit dem Beantworten von einigen Fragen das Recht oder die Pflicht entsteht, das Stöckchen wiederum weiterzugeben. Und doch ist es ein netter Weg, sich zu ähnlichen Themen auszutauschen und Blogs zu vernetzen – etwas, was in der Zeit persönlicher Profilierung und fehlender Links etwas vergessen geht. Danke also Abi für das Stöckchen – hier meine Antworten auf deine Fragen. (Und alle anderen, die mir schon ein solche Stöckchen zugeworfen haben, bitte ich um Entschuldigung – ich hab’s einfach nicht geschafft, war nicht persönlich gemeint.)
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- Wie gehst du mit «Trollen» auf Twitter um? Füttern oder verhungern lassen?
Ich mag es, auf Twitter zu diskutieren und führe deshalb auch oft Gespräche weiter, bei denen kaum zu hoffen ist, dass sie einen konstruktiven Verlauf nehmen. Ich war früher gern bereit, andere Trolle zu nennen, seit mir aber klar gemacht wurde, dass das als sehr beleidigend empfunden wird – ich fasste den Begriff eher wissenschaftlich auf -, tue ich es kaum noch. Also wohl eher füttern, wenn Wortmeldungen klar polemisch oder sinnlos sind, ignoriere ich sie. - «Social Media» sind vergänglich. Teilst du diese These?
Mir ist nicht ganz klar, wie die These gemeint ist. Medienwandel verstehe ich so, dass Möglichkeiten zu bestehenden hinzukommen und alte kaum je verschwinden. Die Idee, dass es kaum Hürden gibt, um eigene Gedanken einer potentiellen Öffentlichkeit mitzuteilen, wird nicht mehr verschwinden. Auf welchen Plattformen das jedoch geschieht, lässt sich kaum vorhersagen. Facebook und Twitter sind also sicher vergänglich – wer die Geschichte von Software-Firmen kennt, muss das annehmen. Die dahinter stehende Idee sicher nicht. Die Inhalte in den Netzwerken werden wohl auch wieder in Vergessenheit geraten – wie schnell, scheint mir unklar. - Wenn man dich anfragen würde, würdest du die Chefredaktion eines Printmediums übernehmen? Falls ja, von welchem?
Abgesehen von meinem Privatleben wäre das sicher ein Traumjob für mich. Doch leider (oder zum Glück) habe ich den Einstieg in den Profi-Journalismus verpasst. Und ich kann mir kaum vorstellen, »Chef« zu sein. Daher müsste ich klar die Wochenzeitung nennen, weil die Struktur dort meinen Vorstellungen entsprechen würde. Mitgestalten würde ich aber viele Printpublikationen gerne. Am liebsten die Weltwoche, weil die Zeitschrift eine lange Tradition hat und weit davon entfernt ist, ihr Potential zu entfalten. - Inwiefern haben Twitter, Facebook und Co. einen Einfluss auf den Weltfrieden? Sind wir dank diesen Medien näher am globalen Frieden oder nicht?
Wenn man über soziale Netzwerke spricht, ersetze ich die immer gerne durch Zeitungen oder das Telefon. Haben Zeitungen oder das Telefon die Welt friedlicher gemacht? Kaum. Kommunikationsmöglichkeiten werden konstruktiv und destruktiv genutzt. Eine Bilanz fällt mir schwer. - Was wäre ein neues, innovatives Medium, dass du dir wünschen würdest?
Die großen Würfe schweben mir nicht vor. Zwei Ideen hätte ich aber:
(a) Eine Schweizer Newsseite, die Kommentare als journalistisches Produkt ansieht und daraus für mich als Leser einen Mehrwert generiert, weil Leserinnen und Leser neue Perspektiven, weiterführende Informationen und informierte Einschätzungen abgeben. Die eine Community bewusst pflegt und dafür belohnt, dass sie Stellung bezieht und Aufwand in gute Kommentare steckt und nicht davor zurückschreckt, Trolle und Halbschlaue mit ihren Kommentaren in eine unsichtbare Ecke zu verbannen.
(b) Ein cloudbasiertes Office, das so einfach ist wie Google Docs, so hübsch und funktional wie die alte iWorks-Version und zu umfangreich wie MS Office (indem viele Plugins zugeschaltet werden können, wenn sie gebraucht werden) – gleichzeitig aber so viel kostet, dass wir die Software nicht mit unseren Inhalten kaufen müssen, sondern mit Geld bezahlen können.
