Ein Blog-Stöckchen

Wer ein Blog betreibt – und das hier ist ja eines -, kann so genannte Stöckchen weitergeben oder -werfen. Das ist zwar ein Euphemismus für einen Kettenbrief, weil mit dem Beantworten von einigen Fragen das Recht oder die Pflicht entsteht, das Stöckchen wiederum weiterzugeben. Und doch ist es ein netter Weg, sich zu ähnlichen Themen auszutauschen und Blogs zu vernetzen – etwas, was in der Zeit persönlicher Profilierung und fehlender Links etwas vergessen geht. Danke also Abi für das Stöckchen – hier meine Antworten auf deine Fragen. (Und alle anderen, die mir schon ein solche Stöckchen zugeworfen haben, bitte ich um Entschuldigung – ich hab’s einfach nicht geschafft, war nicht persönlich gemeint.)

* * *

  1. Wie gehst du mit «Trollen» auf Twitter um? Füttern oder verhungern lassen?
    Ich mag es, auf Twitter zu diskutieren und führe deshalb auch oft Gespräche weiter, bei denen kaum zu hoffen ist, dass sie einen konstruktiven Verlauf nehmen. Ich war früher gern bereit, andere Trolle zu nennen, seit mir aber klar gemacht wurde, dass das als sehr beleidigend empfunden wird – ich fasste den Begriff eher wissenschaftlich auf -, tue ich es kaum noch. Also wohl eher füttern, wenn Wortmeldungen klar polemisch oder sinnlos sind, ignoriere ich sie.
  2. «Social Media» sind vergänglich. Teilst du diese These?
    Mir ist nicht ganz klar, wie die These gemeint ist. Medienwandel verstehe ich so, dass Möglichkeiten zu bestehenden hinzukommen und alte kaum je verschwinden. Die Idee, dass es kaum Hürden gibt, um eigene Gedanken einer potentiellen Öffentlichkeit mitzuteilen, wird nicht mehr verschwinden. Auf welchen Plattformen das jedoch geschieht, lässt sich kaum vorhersagen. Facebook und Twitter sind also sicher vergänglich – wer die Geschichte von Software-Firmen kennt, muss das annehmen. Die dahinter stehende Idee sicher nicht. Die Inhalte in den Netzwerken werden wohl auch wieder in Vergessenheit geraten – wie schnell, scheint mir unklar.
  3. Wenn man dich anfragen würde, würdest du die Chefredaktion eines Printmediums übernehmen? Falls ja, von welchem?
    Abgesehen von meinem Privatleben wäre das sicher ein Traumjob für mich. Doch leider (oder zum Glück) habe ich den Einstieg in den Profi-Journalismus verpasst. Und ich kann mir kaum vorstellen, »Chef« zu sein. Daher müsste ich klar die Wochenzeitung nennen, weil die Struktur dort meinen Vorstellungen entsprechen würde. Mitgestalten würde ich aber viele Printpublikationen gerne. Am liebsten die Weltwoche, weil die Zeitschrift eine lange Tradition hat und weit davon entfernt ist, ihr Potential zu entfalten.
  4. Inwiefern haben Twitter, Facebook und Co. einen Einfluss auf den Weltfrieden? Sind wir dank diesen Medien näher am globalen Frieden oder nicht?
    Wenn man über soziale Netzwerke spricht, ersetze ich die immer gerne durch Zeitungen oder das Telefon. Haben Zeitungen oder das Telefon die Welt friedlicher gemacht? Kaum. Kommunikationsmöglichkeiten werden konstruktiv und destruktiv genutzt. Eine Bilanz fällt mir schwer.
  5. Was wäre ein neues, innovatives Medium, dass du dir wünschen würdest?
    Die großen Würfe schweben mir nicht vor. Zwei Ideen hätte ich aber:
    (a) Eine Schweizer Newsseite, die Kommentare als journalistisches Produkt ansieht und daraus für mich als Leser einen Mehrwert generiert, weil Leserinnen und Leser neue Perspektiven, weiterführende Informationen und informierte Einschätzungen abgeben. Die eine Community bewusst pflegt und dafür belohnt, dass sie Stellung bezieht und Aufwand in gute Kommentare steckt und nicht davor zurückschreckt, Trolle und Halbschlaue mit ihren Kommentaren in eine unsichtbare Ecke zu verbannen.
    (b) Ein cloudbasiertes Office, das so einfach ist wie Google Docs, so hübsch und funktional wie die alte iWorks-Version und zu umfangreich wie MS Office (indem viele Plugins zugeschaltet werden können, wenn sie gebraucht werden) – gleichzeitig aber so viel kostet, dass wir die Software nicht mit unseren Inhalten kaufen müssen, sondern mit Geld bezahlen können.
Das Kommentarsystem von Gawker ist großartig.
Das Kommentarsystem von Gawker ist großartig.

Was lernen wir eigentlich?

Im Rahmen einer Blogparade lade ich ein, übers Lernen nachzudenken. Digitales Lernen verspricht aufgrund neuer technischer und medialer Möglichkeiten einen Wandel, der mir aber oft recht unklar erscheint, weil wir nicht genau verstehen, was sich eigentlich ändert oder ändern soll.

Als Ergänzung zu den Beschreibungen von Lerngschichten möchte ich hier eine theoretische Frage aufrollen, die in einem längeren Kommentarthread auf Google Plus von Rolf Todesco gestellt wurde:

[I]ch glaube ja sehr gerne, dass Du etwas gelernt hast, als Du gelernt hast Textverarbeitungsprogramme zu benutzen, ich weiss nur nicht, WAS Du dabei gelernt hast. Und noch weniger weiss ich, wie ich lernen könnte Texte zu schreiben. Schreiben ist immer Texte schreiben. Ich kann also nur das Schreiben lernen und dabei ist für mich ganz unklar WAS ich dabei lerne – vielleicht Buchstaben korrekt zu zeichnen? Es ist wie bei der Textverarbeitung, wo ich die richtigen Tasten verwenden muss.
Wer reden kann – und da weiss ich auch nicht, was lernen heissen soll – kann Aussagen machen, die er eben als Texts schreiben kann, wenn er schreiben kann. Was also kommt da noch hinzu? Auch die Vorstellung, dass man Denken lernen könnte (+Lisa Rosa) finde ich extrem komisch. Ich kennen keinen Menschen, der nicht denken kann. Denken ist wie reden oder gehen oder atmen.
Ich glaube, dass Ihr etwas viel spezifischeres meint, vielleicht nicht denken, sondern „so denken, wie Ihr denkt“ – und das müsste man dann vielleicht lernen, aber ich kann mir auch das nicht vorstellen.

An dieser Stelle könnten wir natürlich die Diskussion abbrechen und auf entsprechende lernpsychologische Literatur verweisen, die wissenschaftliche Begriffe von Lernen enthält. Diesen Weg möchte ich nicht gehen, weil ich gerade als Lehrer ja oft mit impliziten Annahmen darüber arbeite, was Lernen bedeuten könnte – und diese Annahmen kann man einerseits im Nachdenken über das eigene Lernen aufdecken, andererseits indem man sie zu formulieren versucht.

Welche Prozesse sind für mich mit Lernen verbunden:

  1. Varianten und Alternativen von Verhaltensweisen kennen lernen
  2. die Varianten beurteilen können und die beste wählen können
  3. die eigene Tätigkeit aus einer anderen Perspektive betrachten können
  4. Abkürzungen kennen, mit denen sich repetitive Arbeit vereinfachen lassen
  5. Form (Methoden) und Inhalt (Funktion) von Tätigkeiten bewusst aufeinander beziehen bzw. Form an den Inhalt anpassen oder Inhalt durch Form akzentuieren.

Rolf Todesco hat als Replik auf diese Formulierung die Begriffe Kennen und Können aufeinander bezogen:

Wie ich schon geschrieben habe, geht es um das kennenLERNEN. Und das Kennenlernen endet – dort von von Lernen die Rede ist – beim Können.
Ich habe Dich hier kennengelernt. Ich kenne Dich jetzt ein Stückweit. Das ist aber kein Können, also nehme ich dieses Kennenlernen nicht als Lernen. Wenn ich dagegen eine Textverarbeitung (also Dinger wie MS-Word) kennenlerne, dann endet das in einem Können, wo ich die Textverarbeiten sinnvoll verwenden KANN. Deshalb spreche ich hier von lernen, worin das Kennenlernen zum Können wird.

Lernen als Kennen Lernen, das zu einem Können wird finde ich als Formulierung passend: Die fünf oben erwähnten Punkte umfassen beide Dimensionen. Die praktische Frage ist dann wieder, in welchen Konstellationen Menschen bereit sind, Varianten für ihre Verhaltensweisen kennen zu lernen und daraus ein Können zu entwickeln. Meine Vermutung wäre, dass sowohl eine kreative Offenheit als auch eine fast zwanghafte Einengung beide Abläufe beschleunigen können.

Learning French.
Learning French.

 

In der achten Klasse hatte ich einen weit gefürchteten Französischlehrer. Wir lernten den subjonctif kennen und mussten alle Verben aufsagen können, die ihn verlangen. Das ging so: Wir erhielten vier recht dicht beschrieben DIN-A4-Seiten mit Listen und mussten die eine Woche später auswendig aufsagen können und zwar enorm schnell. Wir wurden in der Stunde abgefragt (»Philippe, Seite 3 unten, los!«) und erhielten direkt eine Note. So ging das einige Wochen. Das war vor mehr als 20 Jahren. Ich kann die Listen immer noch auswendig hersagen.

Dasselbe wäre wohl passiert, wenn ich zu dieser Zeit ein Jahr in Frankreich verbracht hätte. Im Gespräch hätte ich wohl zuerst ohne subjonctif auskommen müssen, hätte ihn dann aber wohl kennen und können gelernt – ohne Aufforderung, ohne Zwang.

Geändert hätte sich – das eine triviale Einsicht – wohl meine Motivation und meine Haltung zum Gelernten. Die Frage, wie ein Lernprozess bewertet werden soll (gibt es bessere und schlechtere, effizientere und weniger effiziente?), spare ich mir für einen nächsten Post auf.

Blogparade: Wie Martin Jonglieren gelernt hat

Vor rund einem Monat habe ich zu einer Blogparade aufgerufen. Mittlerweile sind schon ein paar Texte entstanden, die der Frage nachgehen, wie wir denn bestimmte Kompetenzen erworben haben, indem sie den Lernprozess beschreiben:

Ich würde mich sehr über weitere Beiträge freuen, einen Abschlusspost werde ich wohl erst Mitte Mai schreiben.

MAKE ME SOME ART, society6
MAKE ME SOME ART, society6

Jonglieren
Bedeutung
Unterhaltung, Entspannung

Phasen
Motivation: unbestimmt, irgendwas zwischen Langeweile und  Gelegenheit, und es gab so Sendungen das man sein Gehirn immer mal wieder mit was neuem beschäftigen solle, es sollte etwas sein das im Zimmer ohne Ausrüstung und ohne Vorbereitung geht

Idee: aus dem Buch Der Medicus, er muss da jonglieren lernen mit wenigstens 4 Bällen

Information: ungewiss, muss per Internet gewesen sein, der Tipp war langsam mit einer, dann 2 Bällen mit einer Hand zu üben

Üben, üben: ging eigentlich ganz gut, 1-2 Wochen mit einer und 2 Kugeln, dann klappten 2 mit einer Hand, nach ca 3 Wochen klappte es dann mit 3; alles allein; evtl. so was wie 15 min;  die Aufgabe war eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen zu schaffen ohne das die Kugel runterfällt, die Anzahl dann immer etwas höher gedreht

Gelernt fürs Lernen
grundlegendes geht eher einfach
4 Bälle habe ich nie geschafft, das müsste man offenbar „richtig“ üben
letzlich sowas wie viel Anfangsmotivation, genügend Informationsmaterial um zu glauben das es machbar ist, Gelegenheit und kontinuierliche Erfolge beim üben