Wie Schülerinnen und Schüler übers Bloggen denken

Ein Blogprojekt, das ich regelmäßig durchführe, habe ich hier schon einmal vorgestellt. Es geht kurz darum, dass sich Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, die in der 10. Klasse neu eine Klasse bilden, sich selber vorstellen – und zwar ihren Lehrerinnen und Lehrern und einander. Ein Vorstellungsaufsatz hatte Tradition an der Schule, das Blogprojekt löst ihn bei den Klassen, die im Fach Deutsch unterrichte, ab.

Der Auftrag ist, kurz gefasst: 20 Posts schreiben, 40 Kommentare hinterlassen. Thematische Vorgaben gibt es keine – man kann die eigene Person, Erlebnisse, Gedanken, Interessen vorstellen. Entsprechend groß ist die Bandbreite.

Die Blogs werden bewertet, wobei ich folgende Grundsätze berücksichtige:

  1. Es gibt eine Zwischenbewertung als Feedback. 
  2. Die Schülerinnen und Schüler können einzelne Posts auswählen, die für die Bewertung im Mittelpunkt stehen sollen – und auch solche ausschließen, die nicht berücksichtigt werden sollen.
  3. Sie bewerten sich selber; meine Bewertung ist eine Reaktion auf ihre Selbsteinschätzung.

Im Folgenden einige Aussagen der Schülerinnen und Schüler, ihre Blogs sind verlinkt (einige davon könnten privat sein, dafür entschuldige ich mich). Ich versuchte, die Auswahl auf interessante Aspekte zu fokussieren, wählte also weder besonders positive, noch besonders negative Kommentare aus. Darunter fasse ich wesentliche Punkte zusammen:

Am Anfang war ich ziemlich skeptisch eingestellt gegenüber diesem Projekt. Zumal ich vorher noch nicht einmal den Hauch einer Ahung hatte, was ein Blog überhaupt ist. Irgendein Onlinetagebuch, in dem man der ganzen Welt seine Sorgen und Probleme mitteilt und alles berichtet, was man so erlebt. Geht’s noch?! Ich möchte doch nicht mein Leben vor irgendwelchen Leuten, die vielleicht per Zufall auf meinen Blog stossen, ausbreiten! Musste ich dann aber doch nicht. Es verlief nämlich alles viel besser, als erwartet und ich hatte sogar Spass beim Schreiben meiner Artikel. – galivinci

Eine Tatsache, der ich leider ins Auge schauen muss: Mein Blog ist nur eine winzige Insel im grossen Meer des WorldWideWeb. Vielleicht stösst jemand beim Surfen auf diese Seite und kann in meinen Beiträgen schmökern. Ich bezweifle aber, dass sich allzu viele Leute in diese Gewässer verirren. Doch manchmal, ich war selbst überrascht, ziehe ich einen der vielfältigen  Kommentare und Feedbacks an Land. Diese wurden zwar nie als Strandgut(„Spam“)abgestempelt und wieder zurück ins Meer geworfen, nein, sie waren immer ermunternd und konstruktiv. Um es zuzugeben, ich war, bis vor einigen Monaten, noch nie richtig mit dem Thema „Blog“ in Berührung gekommen. – sunset007

Sehr hilfreich bzw. störend beim schreiben von Blog Posts fand ich die eigene Einstellung. Je nach dem wie ich mich fühlte, sieht man in den Blog Posts. Gefühle wie Wut & Hass gaben zwar viele Ideen zum schreiben, doch meine Gedanken einfach so aufschreiben & ins Internet posten ist nicht gerade klug. Positive Gedanken & gute Stimmung brachten mich dazu, einfach mal los zu schreiben. Das Einfach-Los-Schreiben ist eine „Fähigkeit“, die sich während dieser Blogging-Phase bei mir etwas entwickelt & etabliert hat. – bagobi

Die Vorgabe mit den Kommentaren (Wir mussten mind. 40 Kommentare auf den Blogs unserer Mitschüler hinterlassen.) bereitete mir etwas Mühe. Ehrlich gesagt bin ich kein Fan von „Oh, schön geschrieben.“ oder „Ich bin der gleichen Meinung.“. Ich kommentiere im Internet generell nur Dinge, die mich wirklich faszinieren und begeistern und nicht, weil ich einen gewissen Umfang an Kommentaren hinterlassen muss. – Fiorella

Es war nicht immer leicht zu entscheiden, was nun in meinen Blog gehört und was nicht. Meiner Meinung nach geben manche Leute zu viel von sich im Internet preis; nicht unbedingt in ihren Blogs, sondern auch auf Facebook, Twitter und Co. Ich schreckte schon davor zurück, meinen richtigen Namen als Benutzernamen zu verwenden, wie es einige meiner Klassenkameraden getan haben. Irgendwie habe ich einfach dieses fest verankerte Gefühl, dass mein Leben nicht in ein weltweites Netzwerk gehört, auf das alle Zugriff haben (das mag angesichts der Tatsache, dass ich auf Facebook zu finden bin, sehr seltsam klingen, aber auch dort stelle ich nicht gerne Fotos und dergleichen rein). Das Problem am Internet ist einfach: Was einmal hochgeladen ist, bekommt man so schnell nicht wieder aus dem Web. Deshalb sollte man sich immer zweimal überlegen, was man postet. – teenagetage

Die Rückmeldungen die ich bis jetzt zu meinem Blog bekommen habe, waren überwiegend positiv und das freut mich unglaublich. Ich hätte nie gedacht dass es Menschen gibt, die sich freiwillig mein Gelaber anhören. Beziehungsweise durchlesen. Ist ja auch egal, auf jeden Fall habe ich viele nette Worte bekommen und bin dafür sehr dankbar. Man fühlt sich schon so ein bisschen…wie soll ich sagen…komisch dadurch? Immerhin bekomme ich Lob dafür, dass ich mit dem Laptop in meinem Bett sitze, mich im Internet ein bisschen auskotze und nebenbei einen sehr leckeren Energydrink trinke, dessen Name ich hier nicht nennen werde. Aber er ist echt monströs.- Lego

Denn, abgesehen von diesem Blog, bin ich eher ein passiver Internetnutzer: ich höre mir Lieder oder sehe mir Videos auf YouTube an, recherchiere auf Wikipedia und anderen Seiten. Dieser Blog ist also für mich eine ganz neue Seite des Internets: Das erst Mal schreibe ich aktiv im Internet und theoretisch kann es auch jeder ansehen, lesen und dabei mitdiskutieren! Genau das ist ja auch der Unterschied zu einem herkömmlichen Schulaufsatz: Jeder, sogar Aussenstehende, können den Blog lesen und ihren Kommentar hinterlassen. Das Bloggen ist also regelrecht eine neue Kommunikationsform und beinhaltet als solche auch viele Vorteile, denn jegliche zeitliche und örtliche Grenzen werden aufgehoben. – awinkler12

Und ganz wichtig: Ich habe durch das Projekt etwas über meine Mitschüler gelernt, was auf jeden Fall das wertvollste am Projekt ist. Um von einem Hobby oder Vorlieben für Reisen, Musik, Filme, usw. zu erfahren, ist ein Blog eine ziemlich gute Methode, doch aus meiner Sicht nicht für den alltäglichen Austausch mit Freunden geeignet, dafür ist er mir persönlich zu formal. – pauliimpro

Dieser Kuchen ist eine meiner Lieblingsentdeckungen, die ich in der mir nun bereits viel vertrauteren Blogwelt gemacht habe. Er soll auch Euch, an Tagen wenns an Schreibmotivation mangelt einen literarischen Regenbogen herzaubern! – Nadine

Regenbogentorte aus dem Blog von Nadine.
Regenbogentorte aus dem Blog von Nadine.

Für mich entscheidend an diesen Äußerungen sind einige recht banale Punkte:

  1. Social Media ist oft einfach viel Schreibarbeit. Auch für Schülerinnen und Schüler. 
  2. Ein Schulprojekt ist ein Schulprojekt: Es wird im Hinblick auf Noten und Bewertungen durchgeführt.
  3. Diversität ist wichtig: Die Aktivitäten sollten noch mehr wie die Regenbogentorte sein und alle Farben des Spektrums umfassen. Dazu brauchen die Lernenden mehr Freiheiten, als Lehrender muss ich mich trauen, ihnen zu vertrauen. Abweichungen zuzulassen, wohl auch Verweigerung.
  4. Das Internet ist mit vielen Ängsten verbunden.
  5. Blogs sind weit gehend ein unbekanntes Land für Jugendliche.
  6. Aktivitäten mit Neuen Medien brauchen glaubwürdige Begleitung.
  7. Praxis, Reflexion und Dialog sind die entscheidenden Momente, die am meisten auslösen können.

12 Kommentare

  1. germanteacher sagt:

    Die Inspiration ist bei uns/ mir erst jetzt, über 3 Jahre später angekommen. Wir – eine Kantonsschule – wollen jetzt aber auch Erfahrungen im Bloggen machen. Die Handlungsanleitungen (oben) sind sehr hilfreich, auch jene aus einem Blogpost von 2012. Blogeinträge können also noch Jahre später ihre Wirkung entfalten. Du hast schon einen Workshop an unserer Schule geleitet und wir finden es spannend, dein Wirken als Influencer mitzuverfolgen und uns immer wieder von dir inspirieren zu lassen.

  2. Patrick sagt:

    Your article peetrcfly shows what I needed to know, thanks!

  3. Was ich enorm schätze an deinen Posts ganz allgemein: dass du so viel zeigst aus deinem Schul- und Denkalltag. Dass du (dir selber) wichtige Fragen stellst, Antworten suchst, Einblick in deine didaktischen Überlegungen ermöglichst, konkrete Unterrichtsbeispiele vorstellst, Tipps und Tricks verrätst, Aufgabenstellungen weitergibst – und alles das unterlegst mit deinen Reflexionen dazu auf der Metaebene. Hochbwertvoll, spannend jnd inspirierend für mich. Danke!
    Von diesem Post zum Bloggen hat mir das am besten gefallen: „… als Lehrender muss ich mich trauen, ihnen zu vertrauen.“ Genau!
    (Was mich immer wieder ein bisschen ärgert: Das schwarze Kästchen, das mich zum Folgen einlädt und mir das Absenden des Kommentars schwer macht…)

    1. Danke sehr!
      (Kannst du von dem Kästchen einen Screenshot machen, wenn es mal wieder auftaucht? Ich schalte es sofort ab, wenn das geht. Weiß nicht, was du genau meinst, hab das noch nie gesehen. Etwas von WordPress?)

  4. Lisa Rosa sagt:

    Danke für die Veröffentlichung der Schüler_innen-Feedbacks! Das ist doch wunderbares empirisches Material.
    Und besonders wichtig finde ich Deinen Punkt vii „Praxis, Reflexion und Dialog sind die entscheidenden Momente, die am meisten auslösen können.“ Genauso ist es. Und nicht nur im Umgang mit „Neuen“ Medien, sondern beim Lernen überhaupt.

    Hier sind die Feedbacks „meiner“ Schüler aus einem Projekt: http://ewgprojektblog.wordpress.com/feedback-der-projektgruppe/ – ich freue mich immer so, wenn die Schüler staunend entdecken, dass entgegen ihren Erwartungen Lernen in der Schule doch Freude machen kann.
    Ebenso hier: http://migrationintegration.wordpress.com/arbeit-am-projekt/feedback-zum-projekt/
    (Erst stöhnen sie bei dem Hinweis, dass es Projektarbeit und Neue Medien gibt, denn sie wissen, dass es Arbeit für sie sein wird. Dann werden sie in den Strudel des Lernens hineingezogen – von „Mangel an Anstrengungsbereitschaft“, wie die Skeptiker unter den Lehrern gerne das allgemeine Schulproblem auf die Schülerpersonen abschieben, kann keine Rede (mehr) sein.
    Ich empfehle: Probieren!

  5. dissidentch sagt:

    was mich nach dem ersten lesen der aufschlussreichen berichte brennend interessiert: wann (während / ausserhalb des unterrichts, wo (in der schule / zuhause) und mit welcher art von computer (desktop / labtop / tablet / smartphone) haben die sus geschrieben?
    was haben die sus aus ihrer sicht / aus der sicht ihrer lehrperson gelernt? haben sie sich gegenseitig lektoriert / korrigiert?
    au – ich habe viele fragen, aber nicht alle aufs mal
    herzliche grüsse reihum, beat rüedi

    1. Die Arbeit erfolgte am Anfang ab und zu in der Schule, aber eigentlich nur, damit ich sie mit WordPress etwas coachen konnte und ihnen Rückmeldungen geben konnte, danach eigentlich zuhause. Geräte haben sie meist private benutzt, in der Schule Laptops; auf mobile Möglichkeiten habe ich hingewiesen, die haben einige auch benutzt, aber wenige.
      Die Lerneffekte beziehen die SuS häufig auf ihre Schreibkompetenzen, auf Zeitmanagement etc. – vieles, was bei größeren Projekten erwähnt wird; aber auch auf ihre Beziehungen untereinander und auf die Fähigkeit, mit Rückmeldungen etc. umzugehen.
      Sie haben 40 Kommentare schreiben müssen, also einander Rückmeldungen gegeben. Lektorat/Korrektorat war freiwillig, sie haben einander aber geholfen, v.a. denen, die Deutsch nicht muttersprachlich sprechen.

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