Portfolio-/Blogprojekt als Basis für zeitgemäßes Lernen

Heute Morgen wurde ich in einem Interview gefragt, was denn ein Projekt im Rahmen des zeitgemäßen Lernens sei, mit dem konkret werde, wie denn das gemeint sei.

Meine Antwort: Einen persönlichen Blog einrichten.

Ich habe diese Methode vor fünf Jahren hier im Blog vorgestellt und nutze sie seither ununterbrochen mit Klassen und Studierenden.

Hier ein paar Links:

  1. Reflexion und Auswertung zum Projekt von 2013
  2. a) Anleitung Lernportfolio für Studierende, FS 2017
    b) Liste mit den Lernportfolios
  3. a) Anleitung Blogprojekt für 9. Klasse, HS 2017
    b) Liste mit den Blogs

Einige Bemerkungen zum Projekt:

Die wichtigste Wirkung ist die Einsicht: Ich habe einen Platz im Netz. In seinem neuen Buch »Die Bildung und das Netz« schreibt Martin Lindner zur »A Domain of One’s Own«-Idee:

DOOO sagt: Wir geben dir deinen Lebensraum im Web. Dein Hauptquartier, einen Rückzugsraum und ein Basislager für alle lebenslangen Lern- und Bildungsprozesse. (Kap. 12 – Das Indie-Web)

Genau dieses Ideal steht auch hinter diesen Blogprojekten. Lernende können den Blog weiterentwickeln und weiterverwenden. Das Projekt gibt ihnen zunächst eine konkrete Aufgabe, führt aber immer auch vor: Es gibt die Freiheit, im Netz was anderes zu publizieren.

In meiner Erfahrung nutzt ein konstanter Anteil von rund 30% an Lernenden diese Erfahrung für sich. Der Rest lässt den Blog fallen, wenn er für den Unterricht nicht mehr obligatorisch ist. Das ist nicht schlimm: Die Erfahrung ist auch so wertvoll und führt zum Aufbau verschiedenen Kompetenzen:

  1. Viel schreiben, viel lesen.
  2. Für ein Publikum schreiben.
  3. Feedback von anderen Schreibenden erhalten.
  4. Selbst- und Fremdwahrnehmung unterscheiden.
  5. In einem konkreten Gefäß auf den Unterricht reagieren können, wahrnehmbare Kritik üben zu dürfen.

Gerade der letzte Punkt führt zu den beeindruckendsten Ergebnissen. An meiner alten Schule war es Usus, dass die ersten Klassen im Deutschunterricht einen Aufsatz geschrieben haben, in dem sie sich den Lehrkräften vorgestellt haben. Reaktion im Blog:

Mir persönlich ist es gleich, ob ich darüber erzählen soll, was meine Hobbys sind oder welche meine tiefsten Lebensgeschichten sind oder welche Unterwäsche ich heute trage. Mir geht es um das Prinzip. Es ist einfach ungerecht, dass wir so etwas machen müssen, während die Lehrer sich zurücklehnen und über unser Leben bemitleiden oder darüber lachen, was wir als Kinder angestellt haben. Meiner Meinung nach sollten sie auch einen Aufsatz über sich schreiben, die wir dann lesen dürfen.

Das Letzte, das ich noch sagen will ist, dass immer gesagt wird, dass SIE durch den Aufsatz besser mit uns arbeiten können, aber nie die Rede davon ist, dass WIR, SCHÜLER UND LEHRER, besser zusammen arbeiten können.

Es wird deutlich: Wer das geschrieben hat, hat zeitgemäße Bildung besser verstanden als die Lehrkräfte, die sich diese Aufgabe ausgedacht oder umgesetzt hatten.

Dasselbe gilt auch für die Studierenden meines Fachdidaktik-Seminars: Auch sie üben Kritik an Lehrveranstaltungen, entwickeln eigene Ideen und Konzepte (z.B. hier) und bilden so letztlich ihr eigenes Lernnetzwerk, indem sie mitlesen, was andere schreiben, denken und planen.

Die Schwierigkeit am Projekt: Als Lehrer mitzulesen, dranzubleiben – auf alles Wichtige angemessen zu reagieren, Inputs aufzugreifen, Konflikte zu moderieren. Auch Lernende mitzuziehen, die abgehängt haben, erfordert viel Aufwand und einige Gespräche.

Aber als Fazit bleibt: Das ist meine wichtigste Methode, die ich beibehalten und immer wieder in neuen Kontexten einsetzen werde.

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