Heute ist in der NZZ ein Artikel mit dem Titel »Schöner spicken mit dem Smartphone« erschienen. Matthias Böhni diskutiert Möglichkeiten, wie Schülerinnen und Schüler mit dem Smartphone bei Prüfungen betrügen können, befragt diese Schülerinnen und Schüler und zitiert abschließend auch mich:
Und was meint ein Lehrer zu diesem Treiben? Philippe Wampfler ist Mathematik- und Deutschlehrer an der Kantonsschule Wettingen. «Wie oft Schüler mit dem Smartphone spicken, hängt stark von der Prüfungsart, der Lehrperson, der Infrastruktur wie dem WLAN-Netz und der Klasse ab», so Wampfler. «Wenn klassisches Spicken oft vorkommt, würde ich bei Smartphones von wenig sprechen – es ist riskanter und teilweise aufwendiger.» Der 34-Jährige bestätigt zudem, dass es unter den Lehrern viele digitale Analphabeten gebe, die das sogar noch zelebrierten. «Sie haben keine Ahnung, was technisch möglich ist. Eine Katastrophe, dass sie sich das im Jahr 2012 immer noch leisten können. Oft ist nur schon das Bedienen eines Beamers ein unüberwindbares Hindernis», so Wampfler […]. «Von den 20- bis 40-jährigen Lehrern wissen etwa die Hälfte, was die Schüler mit Smartphones anstellen. Je älter, umso weniger haben die Lehrer eine Ahnung.» Von Verboten hält er nicht viel. «Man sollte die Prüfungen so formulieren, dass das Smartphone nicht viel nützen kann, also keine reinen Wissensfragen stellen.»
Hier ein paar ausführlichere Kommentare von mir:
- Es ist nicht möglich, Prüfungen zu schreiben, bei denen der Einsatz eines Smartphones unter keinen Umständen einen Vorteil verschaffen könnte. Und oft ist es auch wichtig, Wissensfragen zu stellen.
- Es sollte immer möglich sein, dass Lehrpersonen vor Prüfungen Smartphones einziehen oder abschalten lassen.
- Auch der geschickte Einsatz von Smartphones demonstriert eine Kompetenz – wer unentdeckt betrügen kann, hat gewissermassen auch etwas gelernt. Selbstverständlich ist das keine Entschuldigung und auch keine Rechtfertigung, aber es hilft vielleicht zu einer gewissen Gelassenheit (auch mit Grafiktaschenrechnern oder anderen Geräten kann man betrügen).
- Gute Prüfungen stellen meiner Meinung nach neue Fragen und finden in einem möglichst realistischen Lernumfeld statt: Man darf Hilfsmittel benutzen. Schulen, die mit iPads ausgerüstet sind, sollten die auch bei Prüfungen einsetzen – genau so wie Duden bei Deutschprüfungen eingesetzt werden kann, weil niemand einen Text schreibt, ohne den Duden zu konsultieren. (Das einzige Problem ist, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler gleichermassen mit Smartphones ausgerüstet sind.)
- Das Profil der Lehrperson hat sich verändert: Das traditionelle Bild erforderte keine speziellen technischen Kenntnisse, sondern Fach- und Sozialkompetenz. Heute erweitert sich – wie in vielen Berufen – der Anforderungskatalog: Es ist kaum möglich, die perfekte Lehrperson zu finden – weil die halt neben vielen Sachkenntnissen psychologische und kommunikative Fähigkeiten mitbringen soll, motiviert sein muss in einem aufreibenden Job und gleichzeitig auch noch die neuesten technologischen Entwicklungen überblicken und beherrschen soll. Dennoch sollte darauf in Ausbildung und Weiterbildung mehr Gewicht gelegt werden.
- Ein generelles Verbot von Smartphones halte ich für problematisch, wie ich hier ausgeführt habe.
Der Fotograf der NZZ, Christoph Ruckstuhl, hat noch weitere Bilder gemacht, eines davon verwende ich hier. Alle Rechte liegen bei ihm bzw. bei der NZZ.
Zusatz 21. August 2012: Auch der Blog der Swisscom, Hallo Zukunft, verwendet ein Zitat von mir.