Diese Woche habe ich ein Interview für die Masterarbeit von Dominic Wirth (MAZ) geführt. Er untersucht Haltungen in Bezug auf die Verantwortung für die Vermittlung von Medienkompetenz. Seine Einstiegsfrage – mit der er dann verschiedene qualitative Interviews vergleicht – galt der Definition von Medienkompetenz. Ich möchte die hier kurz schriftlich vornehmen und dann etwas zur Bedeutung sagen.
(1) Definition von Medienkompetenz
Die Stadt Zürich gibt ein Dossier Medienkompetenz heraus (pdf) und fasst Medienkompetenz dort so:
Was brauchen Kinder und Jugendliche heute und morgen an Wissen und Fertigkeiten, um in einer von Medien geprägten Gesellschaft selbstbestimmt und kreativ, sachgerecht und sozial verantwortlich zu handeln?
Zudem werden Tulodziecki und Herzig (2002) zitiert:
Kinder und Jugendliche sollen Kenntnisse und Einsichten, Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihnen ein sachgerechtes und selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln in einer von Medien stark beeinflussten Welt ermöglichen.
Gemein ist beiden Definitionen, dass Wissen und Fähigkeiten (Fertigkeiten darf als Synonym verwendet werden) als Grundlage für das Handeln angesehen werden – daraus ergibt sich ein klassisches Schema:
Diese Darstellung impliziert, man könne Medienkompetenz aufteilen in drei Bereiche. Korrekt wäre, die Übergangsbereiche durchgehend einzuzeichnen: Reflexion gibt es nur mit Wissen und bei der Nutzung etc.
Medienreflexion ist in meinen Augen zentral. Damit ist die grundlegende Einsicht gemeint, dass Medien etwas abbilden oder darstellen und dieser Prozess Selektionsprozesse, Perspektivenwahl und Verzerrungen enthält. Medien zeigen uns die Welt nicht, wie sie ist, sondern sie zeigen uns ausgewählte und verzerrte Aspekte der Welt. Diese Einsicht ist entscheidend. Sie kann darüber hinausgehend aktiv und passiv genutzt werden: In der Rezeption oder in der Herstellung von medialen Inhalten (das wäre dann der Handlungsaspekt). Aber Wissen und Fähigkeiten sind immer schon verschmolzen, es gibt nicht Wissen ohne Fähigkeiten oder Fähigkeiten ohne Wissen.
(2) Die Bedeutung von Medienkompetenz
Das oben zitierte Dossier hebt die Bedeutung von Medienkompetenz hervor:
Die Entwicklung der Medien und der Informationstechnologien trifft die Schule damit im Kern. Sie verändert die Grundbedingungen für Lehren und Lernen, für Wissen und Forschen. Die Fülle von medialen Hilfsmitteln und Angeboten ermöglicht vollkommen neue didaktische Konzeptionen.
Diese Ansicht teile ich nur bedingt: Medienkompetenz war nie unwichtig. Ob Informationen per Twitter oder am Stammtisch ausgetauscht werden, um einen populären Vergleich zu verwenden – es handelt sich bei beidem um Medien, die nicht unvergleichbaren Gesetzen folgen. Das einzige, was sich verändert hat, ist die Menge an parallel existierenden, verschiedenen Medienangeboten und ihre Haltbarkeit. Wir wissen nicht, welche Medien wir in 20 Jahren konsumieren werden – können jedoch annehmen, dass es viele verschiedene sein werden.
In der Konsequenz heißt das, dass Medienwissen und Mediennutzung in der Schule nie zu stark an bestimmte Werkzeuge gebunden werden dürfen. Wer heute versteht, wie Twitter funktioniert, versteht später davon möglicherweise nichts mehr. Auch das ist ein Grund, weshalb ich Medienreflexion für entscheidend halte.
Frage: Was ist mit der Medienschaffung?
Gehört das nicht auch zur Medienkompetenz?