Ist Kommunikation im Internet zu kompliziert?

In einem kurzen Post auf der ZDF-Plattform Hyperland schreibt Julius Endert über die Frage, ob das Internet zu kompliziert sei. Dafür spreche folgender Zusammenhang:

Das Internet vereinfacht die Kommunikation nicht, im Gegenteil: Sie wird beliebig kompliziert, funktioniert wahlweise realtime oder asynchron. Wer sich sicher sein will, dass seine Botschaft auch wirklich ankommt, sollte immer mindestens zwei Kanäle nutzen. Ein Prinzip, welches schon seit der Erfindung der E-Mail gilt. Typisch ist seitdem der Anruf: “Du, ich habe dir ein Mail geschickt.” Kaum einer, der alle verfügbaren Kanäle kennt oder gar zu nutzen weiß. E-mail, Skype, Messenger, Facebook-Chat, Google-Hangout, Twitter, WhatsApp. Und das ist nur der Anfang.

Andererseits, so Endert, gehe die technische Entwicklung der menschlichen immer voraus:

Sozialwissenschaftler wissen: Die technische Entwicklung läuft den Fähigkeiten der Menschen, damit umzugehen, immer voraus. Künftige Generationen werden den Werkzeugkasten der digitalisierten Kommunikation preisen und sogar noch mehr fordern und mehr Möglichkeiten werden kommen. Denn: Sie befreien uns aus der technisch bedingten Limitierung auf wenige Kanäle. Sie schenken uns eine Palette der vielfältigsten Gesprächsmöglichkeiten.
Der Mensch wird endlich wieder Souverän seines Mitteilungsverhaltens und die Art der Kommunikation entscheidet mit über den Grad der Intimität, die wir eingehen möchten – und wir können darüber frei entscheiden.

Diesen Zusammenhang verdeutlicht das unten stehende Prisma – das die Kommunikation im Internet abbildet. Es ist so kompliziert, dass es immer nur in Ausschnitten betrachtet werden kann. Es zeigt aber, wie genau ich die Bedingungen meiner Kommunikationskanäle steuern kann: Ich kann festlegen, wie intim ein Gespräch sein soll und wie öffentlich es sein soll. Ich kann meinem Gegenüber meine Erwartungen an sein Kommunikationsverhalten klar machen, aber dies auch verweigern. Ich kann offene Kommunikationen führen oder sehr enge, klar definierte.


Für die Schule stellen sich im Anschluss an diese Feststellung zwei Fragen:

  1. Wie kann ein Umgang mit diesen Möglichkeiten gelehrten werden?
  2. Kann und soll man davon ausgehen, dass es in der Kommunikation in zehn Jahren auch eine Alternative zu Social Media geben wird? (Die Frage müsste sich auch Sherry Turkle stellen, denke ich.)

Auf seinem Blog schreibt »Swissroman«:

Nehmen wir die Herausforderung sofort an, denn über kurz oder lang bleibt uns nichts anderes übrig.

Wäre dies tatsächlich der Fall, dann hätte dies auf mehreren Ebenen Konsequenzen für den Schulalltag:

  • Im Deutschunterricht müssten die vermitteln Textsorten stark digital orientiert werden und die neuen kommunikativen Rahmenbedingungen wie Öffentlichkeit einbeziehen. Auch Bewerbungen funktionieren nicht mehr nach dem gelernten Schema.
  • Die Kommunikation zwischen Lehrpersonen und zwischen Lehrpersonen und SchülerInnen müsste frühzeitig auf die Bedeutung der Veränderung überprüft werden. Wenn Lehrpersonen mit SchülerInnen über Facebook kommunizieren, so kann das auch gefährlich werden oder zumindest Unsicherheiten erzeugen.
  • Als dritte Eben müsste das technische Umfeld vorhanden sein, um diese Art von Kommunikation zu ermöglichen.

Die Frage ist in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen: Die Schule läuft Gefahr, in für Jugendlichen wesentlichen Lebensbereichen keine Orientierung mehr anbieten zu können.

5 Kommentare

  1. Rolf Todesco sagt:

    hmmm… meine Idee war nicht, dass der Zug schon abgefahren ist, sondern dass ich nicht sehen kann, wie dieser Zug je zur Schule kommen könnte.
    Das Ausdruck „soziale Medien“ ist insgesamt denkbar ungeeignet um das Phänomen zu begreifen, aber in einem gewissen Sinn schliesst er an MASSENmedien an und das zeigt wohl, dass er eine Art Gegenteil zur Schule reklamiert. Denn was anderes als ein Massenmedium ist die Schule?
    Der Ausdruck „Zug“ – abgefahren oder nicht – ist dagegen sehr treffen, weil es nicht um Mediumszeugs geht, sondern um eine neue Technik, wie damals die Eisenbahn, die dem Volk auch allerhand neue Möglichkeiten aufmachte.

  2. Rolf Todesco sagt:

    > Die Schule läuft Gefahr, in für Jugendlichen wesentlichen Lebensbereichen
    > keine Orientierung mehr anbieten zu können.

    hmmm… ich frage mich gerade, in welchen Lebensbereichen sie eine Orientierung gibt. Mir scheint, es wird vielmehr Anstand als Kommunikationstheorie unterrichtet (und von Technik ganz zu schweigen)

    1. Rolf Todesco sagt:

      PS: tolle Graphik übrigens – gute Zusammenstellung

    2. Das ist eine berechtigte Frage. Vielleicht hat die Schule auch noch nie Orientierung ermöglicht – ganz grob gesagt. Mir scheint, man muss pädagogisch vorgehen: Festzuhalten, der Zug sei schon abgefahren, hilft wohl nicht weiter… Andererseits ist es auch gefährlich zu denken, es handle sich hier um eine Mode.
      Pschera schreibt:

      Die sozialen Medien, die ihre Ausbreitung einer modischen Dynamik der nachahmung verdanken, sind in diesem Sinne modern und mythisch, und sie sind eben nicht modisch. Sie sind mehr als eine allgemeingültige Sprache des Augenblicks, die mit der Zeit ihre lesbarkeit verliert. Sie sind ein Phänomen der Modernität, weil sie auf Zukünftiges, noch nicht Anwesendes vorausweisen. es handelt sich um eine Sprache, die zwar schon jetzt geschrieben und gesprochen wird, deren Sinn aber mit der Zeit erst ausreifen wird. Die sozialen Medien sind nicht katastrophisch, weil im Augenblick verfallend, sondern sie sind eine poetische Konstruktion, die uns auf eine neue ebene des Sprechens und des sozialen Miteinanders heben kann.

      Quelle: https://docs.google.com/open?id=0B4AyFbz6l0dKRHpYNmFrcGFneWc

      1. Rolf Todesco sagt:

        huch meine Antwort steht ganz oben, immer diese Technik 😉

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