Mein Studium wäre ohne Papier kaum denkbar, da der ‹Faust› oder der ‹Mann ohne Eigenschaften› auf dem Bildschirm nicht das Gleiche sind wie zwischen Buchdeckeln.
Dieses Zitat findet sich unten am oben abgebildeten Artikel über Krystina Schaub – ein Klick vergrößert ihn so, dass er lesbar wird, hier die Online-Version. Schaub benutzt für ihr geisteswissenschaftliches Publikum nur ein Tablet. Sie nutzt es produktiv, rezeptiv und zur Kommunikation – und kann so, wie auch die Illustration zeigt, gänzlich auf Papier verzichten. (Studien belegen, dass man heute auf Tablets gleich gut Texte lesen kann wie auf Papier.)
Wie eine Umfrage von Per Bergamin zeigt, nutzen Studierende heute Tablets vor allem für rezeptive Tätigkeiten: Sie lesen Texte und betrachten Videos oder Präsentationen darauf, hingegen schreiben oder arbeiten sie wenig damit. Das mag damit zu tun haben, dass Tastaturen eine schnellere Texteingabe ermöglichen oder Papiernotizen weniger Ablenkungsgefahr bieten.
Die Lernrealität vieler Lernenden umfasst heute so eine Reihe von Medienwechseln: Vom Buch zum Smartphone zum Computer zum Tablet, vom Online-Portal zur Facebook-Seite zum eBook zum Youtube-Video. Jeder dieser Medienwechsel ist mit Verlusten verbunden, wie Bergamin ausführt:
Die Sprünge zwischen dem Lehrbuch auf Papier und den Notizen aus dem Unterricht und dem Diskussionsforum im Web bringen Lernverluste. Bis man jeweils von einem auf den anderen Datenträger umgestiegen ist, hat man viel vergessen.
Die Vision, papierlos zu arbeiten, würde auch für die Schule solche Verluste vermeiden. Es müsste dann energischer nach sauberen Lösungen gesucht werden, die sowohl für Lernende als auch für Lehrende die Organisation und Verteilung von Daten erleichtern. Ein Beispiel aus meinem Unterrichtsalltag: Ich lese viele Bücher auf meinem Kindle (in der App oder auf dem Gerät). Dort markiere ich Stellen und halte Notizen fest. Diese Arbeit muss ich dann wieder auf ein Arbeitsblatt übertragen oder auf eine Präsentation, mit der ich die Schülerinnen und Schüler arbeiten lasse. Gleichzeitig notiere ich aber die Links, mit denen sie diese Dateien wieder aus der Cloud abrufen können. Sie lesen die Texte aber in einem Buch; stelten verweise ich sie auf Online-Ausgaben längerer Bücher.
Das Problem, so scheint mir, ist nicht das Papier. Ich werfe Papiere immer fort und benütze sie allenfalls kurzfristig. Ich archiviere Daten nur digital. Und doch besteht das Problem der Verzettelung. Krystina Schaub nutzt Evernote zur Organisation von Notizen, Bildern, Links und anderen Dokumenten; Evernote ist eine Art komplettes Archiv. Ich speichere alle meine Daten auf meinem Google-Drive-Profil und kann sie so einfach verteilen, verlinken und von jedem Endgerät aus bearbeiten.

Letztlich reicht aber eine individuelle Lösung für guten Unterricht nicht. Die Lösungen der Lernenden müssen mindestens an die Lösungen der Schule und der Lehrpersonen anschließbar sein. Natürlich können sie jedes Handout schnell mit dem Tablet oder Smartphone scannen und so ablegen. Aber oft werden schuleigene Intranet gebraucht, die nicht offen sind, oft werden Dokumente über zu viele verschiedene Kanäle zugänglich gemacht etc.
Kommuniziere so, dass andere deine Daten ohne Aufwand in ihren Archiven ablegen können, könnte die Maxime für die Zukunft lauten. Klar müsste dabei aber sein, ob Papier oder Daten das primäre, komplette Archiv darstellen. Sinnvoll wäre ein kompletter Datensatz, der auszugsweise ausgedruckt wird.
(Disclaimer: Ich kenne Krystina Schaub persönlich.)