Wer über die negativen Auswirkungen von Medien spricht, meint damit meistens die negativen Auswirkungen, die Medien auf Jugendliche haben. Sie nutzen Medien innovativ, verfügen über viele Möglichkeiten und passen sie an ihr intensives, abwechslungsreiches Leben an. Dadurch ist sind ihre Gewohnheiten und Praktiken sichtbar: Jugendliche bewegen sich häufig in halb-öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln, weil sie sich nicht ungestört in Wohnungen treffen können.
Dadurch ecken Jugendliche an: Sie stören ihre Mitmenschen durch ihre Gespräche, ihre Ausgelassenheit, ihre Musik. Ihr Verhalten unterscheidet sich von dem Erwachsener, sie fallen auf. Das hat damit zu tun, dass Jugendliche die Aufgabe haben, ein neues Beziehungsnetz zu knüpfen, das von dem ihrer Eltern unabhängig ist. Gleichzeitig müssen sie sich in einer Welt orientieren, die sich seit der Jugend und den Erfahrungen ihrer Eltern verändert hat: Neue Normen und Umgangsformen müssen erlernt werden. Das geht nur, indem Jugendliche eigenständige Erfahrungen sammeln und sich dabei exponieren. Um neue Menschen kennen zu lernen, müssen sie sich dort aufhalten, wo sie gesehen werden und wo sie andere beobachten können. Kontakte müssen sich leicht ergeben und in einem ersten Schritt unverbindlich bleiben. Es wird deutlich, wie ergiebig Social Media für Jugendliche ist: Ein halb-öffentlicher virtueller Raum, der vielfältige Begegnungen und Beziehungen ermöglicht.
Im Vorgang der Abgrenzung von der Welt Erwachsener wird die Jugend zu einer Art Kreativitätslabor. Rollen können erprobt werden, ohne dass sich jemand darauf festlegen lassen muss – damit geht ein innovativer Gebrauch von Sprache einher, von Medien und Mode.
Dafür wurden Teenager schon immer kritisiert. Seit es Bücher gibt, wirft man ihnen Frechheit, Unseriosität und Risikobereitschaft vor. Dieser Vorwurf ist aber uninteressant, weil er gleichförmig ist: Er ist die Reaktion der Erwachsenen auf die Funktion der Jugend. So zeigt er gewissermaßen, dass die Abgrenzungsstragie Jugendlicher funktioniert – werden sie für ihre Bemühungen gescholten, waren sie damit – zumindest teilweise – erfolgreich.
Medienkritik ist häufig ein Teil einer allgemeinen und unspezifischen Jugendkritik. Weil junge Menschen sich auch in ihrem Mediengebrauch ausleben, bezieht sich die Reaktion auf ihr Verhalten auch darauf. Dadurch verliert diese Kritik aber an Bedeutung: Sei es Rockmusik oder eine freizügige Sexualität – Jugendbewegungen haben die düsteren Prophezeiungen in Bezug auf die Auswirkungen ihres Verhaltens noch immer widerlegt. Aus Jugendlichen werden Erwachsene, die Muster befolgen und Regeln einhalten.
Von diesem Problem ist aber nicht die ganze Medienkritik betroffen, die primär das Verhalten Jugendlicher betrifft. Genau so wie es Rockmusik gibt, die heute zum Kanon der Populärkultur gehört, gibt und gab es Jugendliche, die ihr Gehör durch zu laute Musik beschädigt haben. Und genau so wie es heute gesellschaftlich weit gehend akzeptiert ist, erste sexuelle Erfahrungen vor der Ehe zu sammeln, gefährden ungeschützte Sexualkontakte die Gesundheit Jugendlicher. Eine saubere Trennung von kulturhistorisch standardisierter Jugendkritik und einer seriösen Auseinandersetzung mit den Auswirkungen und Risiken digitaler Kommunikation ist deshalb so sinnvoll wie notwendig