Social Media im Deutschunterricht

Titelblatt, Klick aufs Bild führt zum Dokument (pdf)
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Für eine Fortbildung habe ich ein Papier geschrieben, in dem ich Vorschläge mache, wie Social Media in den Deutschunterricht einfließen könnte.

Das Papier kann hier runtergeladen werden (pdf, Version 2.1, 17. Juni 2013), über Rückmeldungen, Kritik und Anregungen freue ich mich wie immer!

Hier der Inhalt mit Links auf die relevanten Blogposts, in denen einzelne Ideen ausführlicher formuliert werden:

  1. Einführung: Lurken – wie man Social Media lernt
  2. Bloggorrhoe oder Präzision beim Schreiben in Social Media
  3. Mit Google dichten
  4. Bloggen als Schreibtraining
  5. Wikipedia-Artikel verfassen
  6. Twitter für Rollenspiele und Literaturunterricht verwenden
  7. Werther neu geschrieben
  8. Kontakt mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern auf Social Media
  9.  Lesen 2.0

Unterrichtsprojekt: Brechts Verfremdungseffekt – Youtube und »bring your own device«

Im Folgenden möchte ich ganz knapp eine Unterrichtseinheit darstellen, die ich soeben durchgeführt und abgeschlossen habe. Ich werde ganz unten diskutieren, wie sich der Einsatz Neuer Medien ausgewirkt hat – wer sich nicht für eine Deutschlektion interessiert, müsste vielleicht gleich runterscrollen.

1. Die Deutschsequenz: Brecht, Jasager/Neinsager und episches Theater

Ziel der Einheit war eine Einführung in das literarische Schaffen Bertolt Brechts mit einer 10. Klasse (Gymnasium).

Nach einem biographischen Einstieg (Gedicht: »Vom armen B.B.« (1927), pdf) hat die Klasse die Schuloper »Jasager / Neinsager« gelesen (hier als pdf abrufbar). Brecht hat dieses Stück 1930 mit einer Klasse der Karl-Marx Schule Berlin diskutiert und aufgrund der Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler Änderungen vorgenommen.

Die Absicht Brechts kann sehr gut herausgearbeitet werden, wenn die Unterschiede zwischen Ja- und Neinsager-Teil präzise herausgearbeitet werden, das unten stehende Tafelbild ist nicht ganz optimal gelungen.

Parallel wurden die Schülerinnen und Schüler theoretisch mit dem epischen Theater Brechts vertraut gemacht (Theorieblatt als pdf). Die Strassenszene wurde in mehreren Versionen vorgespielt und diskutiert.

Nach der Herausarbeitung der Gesamtaussage des Stückes (siehe unten) erhielten die Schülerinnen und Schüler den Auftrag, mit ihren eigenen Smartphones eine Version des Stückes aufzunehmen.

Die improvisierte Aufnahme sollte dazu dienen, einen automatischen Verfremdungseffekt zu erzeugen. Die Ergebnisse wurden visioniert und diskutiert – mit dem Auftrag, zu überprüfen, ob Brechts Forderungen an das epische Theater eingehalten würden.

Dabei haben die Schülerinnen und Schüler »automatisch« stärker gespielt, als es nötig gewesen wäre – durch die improvisierten Aufnahmen ist aber nie die Illusion entstanden, ein echtes Geschehen vor sich zu haben. Highlights waren, als in den Aufnahmen eine Schülerin andere aufgefordert hat, sie müssten jetzt sagen, der Knabe solle dem Brauch gemäss antworten – also gerade den Zwang auch auf der Ebene des Spielens vorgeführt hat.

Man kann abschließend sagen, dass wohl erst die Auswertung, nicht das Spielen selbst Brechts Konzeption verständlich gemacht hat.

2. Der Einsatz von Neuen Medien

Die Videoaufnahmen mit den eigenen Smartphones gemäß der Idee von »Bring Your Own Device«hat erstaunlich gut geklappt. Es gab keine technischen Probleme: Die Akkus waren geladen, Speicherplatz vorhanden, die Qualität passend (in der Klasse verfügen viele über aktuelle iPhones und Samsung Galaxy-Geräte). Die Aufnahmen wurden in rund 60 Minuten eingespielt.

Die Aufnahmen wurden dann auf Youtube hochgeladen und auf der klasseneigenen Lore.com-Plattform zur Verfügung gestellt. Damit nicht alle die Videos anschauen können, wurden sie nicht gelistet.

Dieser praktische Aspekt (wie machen wir, dass niemand das Video sieht, und es doch im Netz abrufbar ist), wurden von den Schülerinnen und Schülern, die die Videos hochgeladen haben, ohne Schwierigkeiten gelöst. Einige haben zudem ihre Videos auf dem Computer oder Smartphones verbunden und leicht geschnitten.

Fazit: Darauf vertrauen, dass Schülerinnen und Schüler solche Aufgaben lösen können und ihnen konkrete Aufträge geben, funktioniert sehr gut auf dieser Stufe – ich werde das wieder machen.

Zeichenbegrenzungen kreativ nutzen – Twitter im Deutschunterricht

Für viele Texte steht nur ein bestimmter Platz zur Verfügung. Historisch war Papier eine teure Ressource, über die man nicht beliebig verfügte. Ich konnte einmal zusehen, wie ein vom Literaturarchiv Marbach ersteigerter Schiller-Brief ausgepackt wurde: Der Brief umfasste einen Bogen und Schiller füllte jede Zeile aus – ohne, dass man das dem Inhalt oder Stil des Briefes angemerkt hätte.

Ähnlich war es mit Postkarten, die nicht nur sehr limitierten Platz boten, sondern auch nur dann günstiger frankiert werden konnten, wenn sie 20 Wörter oder weniger enthielten.

http://www.suetterlin-online.de/postkarte-1911.html (mit Abschrift des Textes)

Ein weiteres Beispiel sind journalistische Texte, deren Länge oft exakt vorgegeben ist, um das Layout zu erleichtern.

Kurz gesagt: Zum Schreiben gehörte lange Zeit der Umgang mit Begrenzungen. Sie stellen Anforderungen an präzise Wortwahl, an inhaltliche Verdichtung, an bewusste Stilwahl.

Digitale Medien erlauben es, Texte von unbeschränkter Länge zu schreiben. Gerade bei Blogs führt das oft zu zu langen Texten, wie ich kürzlich an einem anderen Ort festgehalten habe.

Aus diesen Gründen halte ich den Einsatz von Twitter in einem Schreibprojekt für sehr sinnvoll. Ich skizziere es hier grob und werde den Post vervollständigen, wenn ich damit konkrete Erfahrungen gesammelt habe. (Bisher habe ich Schülerinnen und Schüler nur in Twitter eingeführt und sie ausprobieren lassen.)

  • Das Projekt ist wohl ab dem 7. Schuljahr denkbar.
  • Alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse sollen ein Profil unter einem Phantasienamen erstellen.
  • Idealerweise wird dem Profil eine Rolle und den geäußerten Tweets eine Funktion zugewiesen: Bsp. Lästern über fiktive MitarbeiterInnen, Kommentare zum Zeitgeschehen, ein Vater rapportiert lustige Aussagen eines Kindes, Kommentare zu Fernsehwerbung, das Wetter des Tages in Reimform etc.
  • Ziel: Unterhaltsame und dennoch tiefgründige Entwicklung einer Rolle durch die Äußerung fiktiver Tweets.
  • Regeln:
    a) Es dürfen keine  Abkürzungen verwendet werden.
    b) Aussagen dürfen nicht auf mehrere Tweets aufgeteilt werden.
    c) Vollständige Sätze sind Pflicht.
    d) (optional) Alle Tweets in Standardsprache (z.B. Duden-konform).
  • Eine bestimmte Kadenz wird vorgegeben: Z.B. 5 Tweets pro Woche. (Können dann von mobilen Geräten aus oder auch vom PC aus verfasst werden.)
  • Ein Mal pro Woche gibt es die Möglichkeit für Feedback: Z.B. stellen immer fünf SchülerInnen ihren Lieblingstweet der Woche vor (ausgewählt aus den Tweets der Klasse).
  • Projektdauer: Ein Semester, als rund 20 Wochen.
    Ergibt 100 geschriebene Tweets.
  • Abschluss: Projektreflexion, Auswahl der gelungensten Tweets, stilistische Betrachtungen (z.B. Satzlänge, Satzbau, Semantik, evtl. mit einem Statistiktool arbeiten).

Ich freue mich über weitere Inputs und Anregungen…