KI-Detektoren funktionieren – und warum viele Menschen das Gegenteil behaupten

«Fundamentally I think it’s impossible to make it perfect». Die Aussage des OpenAI-Gründers Sam Altman über KI-Detektoren hallt heute in den Aussagen vieler Expert:innen und Pseudo-Expert:innen nach. Sie behaupten, KI-Detektoren funktionierten nicht. Deshalb sei es nicht sinnvoll, sie einzusetzen.

Diese beiden Aussagen muss man trennen: Die eine ist deskriptiv – sie macht eine Aussage über bestimmte Tools, die getestet werden können. Die Aussage lautet: Diese Tools funktionieren nicht. Diese Aussage ist so falsch. Es gibt funktionieren Detektoren, insbesondere Originality.ai kann recht zuverlässig erkennen, ob Texte von einer KI generiert wurden.

Die zweite Aussage ist normativ. Sie lautet: Solche Tools sollten in vielen Kontexten nicht eingesetzt werden, sie schaden mehr, als sie nützen. Das hängt von den Umständen ab, unter denen diese Tools eingesetzt werden. Und von den Konsequenzen, die dieser Einsatz hat. Damit der Einsatz sinnvoll ist, muss er transparent kommuniziert werden und so erfolgen, dass eine Toleranz bezüglich der Fehler, die solche System machen, berücksichtigt wird.

Warum behaupten viele Menschen, die sich mit KI auseinandersetzen, es gäbe keine funktionierenden Detektoren? Das hat verschiedene Gründe:

  1. Die Aussage, von Menschen gemachte Texte, Bilder und Videos seien grundsätzlich und prinzipiell nicht von maschinengenerierten zu unterscheiden, wird für Marketing von KI-Tools missbraucht. Menschen setzen sie auch da sein, wo sie nicht dürften. Die Anbieter:innen und Berater:innen nehmen ihnen die Angst, dass das erkannt werden könnte.
  2. Die Funktionsweise der Detektoren ist vielen Menschen nicht bekannt. Auch Fachpersonen behaupten, KI-Detektoren würden sich auf bestimmte Textmerkmale beziehen, um daraus eine Beurteilung abzuleiten. Die funktionierenden Detektoren setzen aber genau so wie die text- oder bildgenerierenden Tools Machine-Learning ein, um KI-gemachte von menschengemachten Produkten zu unterscheiden. Vereinfacht gesagt können Maschinen fast jedes Muster hervorbringen – und genau so können sie fast jedes Muster erkennen. (Und wir müssen ihnen nicht einmal sagen, worin das Muster besteht.)
  3. Viele Menschen testen die kostenlos zugänglich Detektoren und bilden sich darüber ihr Urteil. Die leistungsfähigen Tools sind aber kostenpflichtig, so auch Originality.
  4. «Funktionieren» wird zuweilen falsch verstanden. Detektoren erkennen nicht 100% der maschinengenerierten Texte. In 2-3% der Fälle kommt es zu False Positives und False Negatives. Diese Fehlerquote ist nicht 0, aber sie ist auch nicht so hoch, dass man diese Tools nicht benutzen könnte.
    (Hinzu kommt, dass Originality Prozent-Werte ausgibt, die oft missverstanden werden. 84% KI bedeutet, dass 100 solche Texte 84x von einer KI und 16x von einem Menschen geschrieben werden – es bedeutet nicht, dass 84% des Textes von einer Maschine geschrieben wurde, sondern drückt eine Wahrscheinlichkeit aus, dass KI verwendet wurde.)
  5. Expert:innen möchten oft nicht, dass KI-Detection zum Einsatz kommt, z.B. an Schulen oder Hochschulen. Das ist oft ein sinnvoll begründetes Urteil, das mit dem Hinweis verstärkt wird, dass diese Detection gar nicht funktioniere. Mit diesem Beitrag möchte ich das unterbinden: Wer gute Argumente hat, muss bei den Prämissen nicht ungenau werden.
  6. Das «Überarbeiten»-Problem: Frage ich Schüler:innen, ob sie einen Text von einer KI haben erstellen lassen, sagen sie fast immer: «Nein, ich habe ihn nur mit einem KI-Tool korrigiert, das darf ich ja.» Viele Fachpersonen denken, ein mit einem KI-Tool überarbeiteter Text sei nicht KI-generiert. Die Tools auf dem Markt verwenden eine Systematik, die ich unten abgebildet habe:
Klassifikation von Texten bei Originality und anderen Tools, vgl. Hines

Fazit: KI-Detektoren funktionieren. Und: Es gibt gute Gründe, sie nicht flächendeckend einzusetzen.

(Vielleicht noch eine persönliche Bemerkung: Mir ist es wichtig, offene, ehrliche Beziehungen mit Schüler:innen zu haben. Wenn sie mir sagen, was sie mit ChatGPT gemacht haben, kann ich sie unterstützen und mit ihnen arbeiten. Wenn sie mir etwas vormachen, geht das nicht. Der Verweis auf KI-Detektoren kann hier helfen, eine ehrliche Kommunikation herzustellen. Ohne Drohung, ohne Strafe. Es gibt kein Recht auf gute Noten durch Betrug.)

KI-Praxis: Aus informellen TikTok-Videos professionelle Texte erstellen

Auf TikTok findet man folgendes Video zum Thema «Vertiefungsarbeiten» in der Berufslehre:

Mit einem einfachen KI-Workflow (ich beschreibe ihn unten) lässt daraus ein formaler, professioneller Reflexions-Text generieren – ich habe ihn ganz unten abgedruckt.

Der Workflow sieht so aus:

  1. Transkription der Audio- oder Videodatei, hier mit Töggl, weil das Video in Dialekt aufgenommen wurde.
  2. Den Text in ein LLM-Tool der eigenen Wahl kopieren und mit folgendem Prompt arbeiten:
    «Bitte mach aus folgendem Text eine Reflexion für eine Vertiefungsarbeit an einer Schweizer Berufsschule.»

Das ist das komplette Ergebnis mit Gemini.

Das bedeutet: Wer heute auch nur eine Sprachnachricht aufnehmen kann, kann daraus einen längeren, strukturierten Text machen. Wer das direkt in die KI-App reinspricht, braucht nicht einmal diese Zwischenschritte.

Reflexion zur Vertiefungsarbeit (VA)

1. Thematische Wahl und Erwartungshaltung

Die Wahl des Themas meiner Vertiefungsarbeit, Social Media, stellte sich im Nachhinein als meine grösste Fehlentscheidung heraus. Während meine Mitschülerinnen und Mitschüler durch spezifische, handlungsorientierte Projekte – wie Interviews mit Fachpersonen (z. B. dem Polizeichef), der Entwicklung einer eigenen Website/eines Games oder dem Erlernen einer neuen Sprache – klare, messbare Ergebnisse erzielen konnten, empfand ich mein Thema als zu breit und unspezifisch. Dies führte anfänglich zu einer Unterschätzung des Arbeitsaufwands und einer unklaren Zielsetzung.

2. Zeitmanagement und Projektplanung: Der gravierendste Fehler

Der kritischste Fehler im gesamten Prozess war das mangelhafte Zeitmanagement und die ungenügende Planung. Ich ging fälschlicherweise davon aus, dass die Erstellung der notwendigen 10’000 Wörter (ca. 10 Seiten) innerhalb des letzten Monats vor der Abgabe realistisch wäre. Diese Haltung – „Ja, ja, das schaffe ich schon noch“ – war fatal.

In der Endphase mündete diese Fehleinschätzung in extremem Zeitdruck. Am letzten Abend war noch ein Grossteil der Arbeit (etwa 5’000 Wörter) zu verfassen. Die Fertigstellung der reinen Textmasse führte kurzfristig zu Erleichterung, wurde jedoch unmittelbar von der Erkenntnis abgelöst, dass essenzielle formale Anforderungen fehlten.

3. Formelle und strukturelle Mängel

Unter dem enormen Zeitdruck wurden wichtige formelle Schritte vernachlässigt oder nur oberflächlich ausgeführt:

  • Quellenmanagement: Die vollständige und korrekte Verlinkung aller recherchierten Quellen und Bilder wurde erst auf den letzten Drücker und hastig durchgeführt.
  • Struktur: Die Erstellung eines aussagekräftigen Titels, eines Inhaltsverzeichnisses und die saubere Gliederung der Arbeit litt stark unter dem Zeitmangel.
  • Abgabeform: Während einige Kollegen ihre Arbeit professionell druckten, laminierten und binden liessen, reichte ich meine Arbeit in einer unpersönlichen Form (auf einem USB-Stick beim Lehrer) ein. Dies signalisierte eine mangelnde Wertschätzung für die erbrachte Leistung.

Ein weiteres Versäumnis war die unsaubere Ausführung des Arbeitsplans. Da die Vertiefungsarbeit in einer Zweiergruppe durchgeführt wurde, war der Plan quasi leer, da wir davon ausgingen, dass wir die tatsächlichen Arbeitsschritte nachträglich ergänzen könnten – eine Haltung, die unseren Betreuungslehrer zu Recht unzufrieden stimmte.

4. Ergebnis und wichtigste Lektionen

Das Endergebnis war mit der Note 3 (Dreier) entsprechend meiner eigenen kritischen Einschätzung. Das war eine herbe, aber ehrliche Quittung für die vielen gemachten Fehler.

Die wichtigsten Erkenntnisse, die ich aus dieser Arbeit gezogen habe, sind:

  1. Priorität der Planung: Eine Vertiefungsarbeit erfordert eine detaillierte, realistische Zeitplanung, die frühzeitig beginnt und konsequent eingehalten wird.
  2. Themenspezifität: Ein klar eingegrenztes und spezifisches Thema führt zu fokussierter Recherche und besseren Ergebnissen.
  3. Formelle Wertschätzung: Die saubere formelle Aufbereitung (Quellen, Struktur, Abgabeform) ist integraler Bestandteil der Gesamtleistung und sollte nicht unterschätzt werden.

Zukünftigen Studierenden kann ich nur raten: Nehmen Sie sich die Zeit, erstellen Sie einen soliden Plan und legen Sie Wert auf die professionelle Ausführung – ich bin überzeugt, dass jede und jeder diese Arbeit deutlich besser abschliessen wird, als es mir in diesem Prozess gelungen ist.

Das fundamentale KI-Problem

Aktuell gibt es eine KI-Blase. Diese hat primär wirtschaftliche Gründe, hat aber auch stark damit zu tun, dass es rund um KI-Versprechen gibt, welche diese Technologie nicht wird einlösen können. Aktuell denken viele Menschen, dass die KI immer leistungsfähiger wird. Damit ist die Befürchtung verbunden, dass viele Tätigkeiten, die Menschen heute ausüben oder ausüben müssen, von Maschinen übernommen werden könnten.

Diese Versprechen basieren ähnlich wie bei Crypto-Technologien und beim Web 2.0 auf unrealistischen Annahmen. Um das zu verstehen, lohnt es sich zu überlegen, was eine KI heute so gut kann, dass das für Menschen eine Entlastung darstellt. (KI meint hier meistens LLM). Meine Liste sieht wie folgt aus:

  1. Textarbeit: Korrekte, stilistisch einheitliche Texte schreiben. Texte transkribieren, umformatieren, übersetzen. Strukturen vorgeben, Textsortenmerkmale überprüfen etc.
  2. Websuche: Die Enshittification (Doctorow) von Google durch Werbung und KI führt dazu, dass KI-Tools bessere Suchergebnisse bieten. Das betrifft insbesondere aufwendigere Anfragen, die mehrere Ergebnisse kombinieren.
  3. Coding: KI-Tools finden Fehler in Programmen, können Routine-Code automatisiert schreiben und erlauben Vibe Coding. Zudem können Code unterschiedlich formatieren.
  4. Verarbeitung grosser Textmengen: KI-Tools können helfen, Orientierung in grossen Textmengen zu finden, suchen Stellen raus und können Zusammenhänge auch visuell klar machen – auch wenn die Zuverlässigkeit noch mangelhaft und die Kontextfenster zu klein sind.
  5. Assoziieren/Ideen finden: KI kann gut Ansätze für weiteres Arbeiten liefern. Nicht dass sie selbst kreativ wäre, aber der Textgenerator erzeugt Einstiegspunkte, z.B. für Buchtitel usw.
  6. Illustrationen / Videos generieren: Visuelle Darstellungen, auch in Video-Form, können in einfacher Form von KI-Tools vorgenommen werden. Auch hier gilt: Kreativ werden diese Ausdrucksweisen nie sein, weil sie vom bereits verarbeiteten Input abhängig sind. Muster lassen sich aber problemlos reproduzieren.
Unterrichtsidee: Plakat gestalten, das für oder gegen den Konjunktiv Position bezieht. Ergebnis von ChatGPT 5.1.

All das werden KI-Tools in Zukunft wohl noch etwas besser können als heute. Sie werden dafür aber viel Energie aufwenden, so dass die Kosten in absehbarer Zeit beträchtlich sein werden. Heute werden sie durch Investments vor- oder querfinanziert. Nach dem Platzen der Blase wird das nicht mehr gehen.

Damit wird die Arbeit von Menschen nicht überflüssig oder ersetzt. Menschen werden zudem KI-Tools einsetzen und ihre Ergebnisse überprüfen müssen. Grundsätzlich arbeitet KI in einer Zone zwischen Laien und Profis. KI kann fast alles besser als Laien – und fast alles schlechter als Profis. Ich habe das so dargestellt:

Das ist der Grund, weshalb KI für Schüler:innen so attraktiv ist: Die Ergebnisse sind besser als diejenigen, die Schüler:innen in der verfügbaren Zeit erreichen können. Für Fachpersonen ist aber KI ein minderwertiger Ersatz. Menschen wollen keine KI-Texte lesen, keine KI-Filme sehen, keinen KI-Code laufen lassen. Sie tun das nur, wenn es nicht anders geht. Ein gutes Beispiel ist dafür Spotify: Die Plattform wird von KI-Songs überschwemmt. Diese hören sich Menschen aber nur an, wenn sie ihnen über den Algorithmus unbewusst abgespielt wird.

Die verwendete Darstellung kann auch erklären, weshalb es zwei gegensätzliche Ansichten zu KI gibt. Aus der Sicht von Laien wird KI überschätzt, Erfahrungen und Beispiele werden so angesehen, als sei es unvorstellbar, was KI kann. Profis hingegen unterschätzen KI, weil sie im Bereich ihrer Expertise zahlreiche Fehler und qualitative Defizite in den KI-Produkten erkennen (rote Pfeile).

Das fundamentale Problem besteht nun darin, dass sich daran erstens nichts ändern wird. Zweitens werden Laien zwar mit KI-Tools bessere Ergebnisse erzielen als ohne, aber sie werden das Level von Expert:innen nicht erreichen – und oft gar nicht verstehen, worin die Expertise überhaupt liegt. Was wiederum dazu führen wird, dass Expertise entwertet wird (ökonomisch und kulturell).

Relevante Auseinandersetzungen führen – meine Wünsche an die Weiterentwicklung der (Zürcher) Gymnasien

Aktuell läuft in der Schweiz eine umfassende Revision der gymnasialen Lehrpläne, die den Namen «Weiterentwicklung» trägt. Während ich in einer Arbeitsgruppe am nationalen Projekt beteiligt war, war meine Mitarbeit beim kantonalen Projekt nicht erwünscht. Aktuell läuft die Vernehmlassung zu WegZH, dem kantonalen Projekt. Viele Lehrpersonen, Schulleitungen und andere an Schulen Beteiligte füllen Fragebögen aus, mit denen sie ihr vorhandendes oder fehlendes Einverständnis ausdrücken. Ich habe mich in an meiner Schule beteiligt, möchte aber darüber hinaus der Jahreszeit entsprechend meine Wünsche für eine Weiterentwicklung formulieren – im Wissen darum, dass unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen nur wenige davon erfüllt werden können.

Mein Fach, Deutsch, erhält neu die Möglichkeit, an einem Schwerpunktfach beteiligt zu sein. Es heisst «Medien, Identität und Kommunikation» und befasst sich mit dem, womit ich mich hier auf dem Blog seit Jahren befasse: Den Wechselwirkungen zwischen Leben, Gemeinschaften und Denken von Menschen und wie diese durch Informatik- und Kommunikationstechnologie beeinflusst und verändert werden. Das ist eine grosse Chance – ein Schwerpunktfach funktioniert ähnlich wie ein Leistungskurs, es sammelt interessierte und in diesen Fachbereichen kompetente Schüler:innen und erlaubt eine zeitliche Vertiefung.

Solche Schwerpunktfächer nehmen viele der Wünsche auf, die Schüler:innen im Vorfeld der Weiterentwicklung geäussert haben, z.B.

  • … vielfältige Wahlmöglichkeiten, um individuelle Interessen zu vertiefen und Potenziale zu stärken.
  • … einen fachspezifischen Aktualitätsbezug, um Anknüpfungspunkte in der eigene Lebenswelt zu finden.
  • … die Verknüpfung von Theorie mit praxisbezogenen Inhalten, um die Anwendung und somit die Einsatzmöglichkeiten zu kennen.
  • … projektorientiertes Arbeiten, um für die berufliche Zukunft mit organisationalen Kompetenzen gerüstet zu sein.
  • … interdisziplinäre Verknüpfungen, um das vernetzte Denken zu üben und Themen überfachlich einzuordnen.
  • .. die Auseinandersetzung mit Lebenskompetenzen, um die Herausforderungen in unserer Gesellschaft gesund und kompetent zu meistern.

Betrachte ich die Beschreibung des Schwerpunktfachs und die Möglichkeiten, die Schulen zur autonomen Gestaltung von Fächern und Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen erhalten, macht mir diese Reform Hoffnung. Hoffnung, dass die Zürcher Gymnasien zu besseren Schulen werden und Lernerfahrungen anbieten können, die sich für Schüler:innen sinnvoll und wertvoll anfühlen. Das ist denn auch mein Wunsch: Mit Interessierten Schüler:innen eine Gemeinschaft bilden, die in die Tiefe gehen kann. So entstünde Raum für Projekte, die den Rahmen der Schule sprengen und mit Menschen ausserhalb der Schule zusammen umgesetzt werden können. Ich möchte Lernerfahrungen designen, die sich nicht auf das Klassenzimmer und vorbereitete Unterrichtsmaterialien beschränken, in denen Schüler:innen in einem Masse aktiv sind, wie das heute kaum denkbar ist. In meinem Wunschgymnasium wäre ich als Lehrperson ein lernendes Mitglied dieser Gemeinschaft, wie meine Kollgen:innen auch. Wir hätten Zeit für echte Interdisziplinarität und könnten Stundenpläne und Notenabgaben in den Hintergrund rücken, weil die Auseinandersetzung mit wichtigen Fragen Priorität hat, zeitlich wie auch administrativ. Selektion erfolgte rein darüber, wer diese Auseinandersetzung in dieser Intensität führen möchte und kann. Schüler:innen würden ihre Leistungen mit Portfolios ausweisen und sich nicht über Noten Kompetenzen attestieren lassen, die sich nicht direkt nachvollziehen lassen.

Ich wünsche mir eine Reform der Grammatik der Schule. An meiner idealen Schule ist alles so eingerichtet, dass möglichst viele und wirksame Lernerfahrungen möglich sind. Sachzwänge gibt es möglichst wenige. Lehrpersonen sind nicht über Stundendotationen angestellt, Stundenpläne nicht in Fächer geteilt. Schüler:innen setzen sich längerfristige Ziele, an denen sie mit Unterstützung der ganzen Schulgemeinschaft arbeiten.

Betrachte ich vor diesem Hintergrund die WegZH-Vorlage, dann falle ich spätestens bei der Stundenzuteilung aus meinem Wunschdenken. Diese Schwerpunktfächer werden wohl nicht in Klassenverbänden, sondern in Kursgruppen unterrichtet werden. Als Deutschlehrer bin ich mit 5-8 Jahreslektionen beteiligt, auch eine Englischlehrperson unterrichtet dieses Fach, weil es politisch notwendig war, auch den Englischlehrpersonen Zugang zu einem Schwerpunktfach zu geben, da ihnen das eigene genommen wurde. Zusammen sollen wir interdisziplinäre Bezüge zu Psychologie/Pädagogik schaffen und möglicherweise zu einem weiteren Fach. Nur wenige Lektionen können wir gemeinsam unterrichten, den Rest teilen wir auf. Ich werde also mit diesem Kurs drei Jahre lang ungefähr eine Doppelstunde abhalten, die ich mit zwei anderen Lehrpersonen abstimmen und an einem Lehrplan ausrichten muss, der noch zu erarbeiten sein wird. Die Schüler:innen werden neben diesem Fach noch mehr als 10 andere besuchen. Ich werde eine Lehrperson unter vielen sein, kein Mitglied einer Lerngemeinschaft.

Wie heute werden die Jugendlichen von Prüfung zu Prüfung denken. Die Reform der Prüfungskultur hat eine Ausdehnung der Jahrespromotion bewirkt, mehr war nicht möglich. Ja, Lehrpersonen dürfen über alternative Prüfungsformate nachdenken. Ich biete eine Weiterbildung dazu an, wie man auf Prüfungen verzichten kann. Vieles kann sich ändern, die Reform verlangt das aber nicht.

In der Vernehmlassung werden viele bestehende Konzepte durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Die Fachschaften werden um jede einzelne Lektionen ringen. «Wir geben Neuem Raum, erhalten Bewährtes und verabschieden uns von Überholtem», ist einer der Grundsätze, an denen sich das Projekt orientieren soll. Die Aufteilung von Lernzeit in zu viele Fächer gehört genauso zum Überholten wie eine stoffbasierte Prüfungskultur. Beides wird auch nach der Weiterentwicklung in die Grammatik der Schule eingeschrieben sein.

Das Projekt geht in die richtige Richtung, aber es wird, insbesondere in der Umsetzung, Schulen nicht so stark verändern, wie das nötig wäre. Das erklärt für mich, weshalb die Verantwortlichen mir keine Form der Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe angeboten haben – politisch war von Anfang an klar, dass die Weiterentwicklung zu einem Kompromiss führen wird, der vieles unangetastet lässt, was Fachpersonen gern ändern würden. Fällt eine Reform zu progressiv aus, dann wächst der Widerstand und die Gefahr einer Ablehnung.

Was im Kanton Zürich passiert, ist nur ein Reflex von dem, was schon auf Bundesebene passiert ist. Von Anfang an wollte das nationale Projektteam das Fächerproblem nicht angehen. Politisches Kalkül war wichtiger als eine Vision, Pragmatik erstickte den Mut, der nötig wäre. Die Umsetzung in den Kantonen ist das Resultat dieser Entscheidung.

«So eine Reform erleben die meisten Lehrpersonen in ihrer Karriere nur einmal», sagte mein Rektor Jürg Berthold in der Einstimmung auf die Auseinandersetzung mit der Vorlage. Das stimmt, auch für mich. Ich bin noch nicht ganz 50 und muss wohl rational einsehen, dass mehr in diesem System nicht möglich ist. Nein, ich will nicht an einer Privatschule für Privilegierte arbeiten. Nein, ich will nicht resignieren und meine Arbeitszeit abspulen, ohne an das zu denken, was eigentlich möglich wäre. Ich werde weiterhin nach Möglichkeiten suchen, meine Wünsche und Ideen umsetzen zu können. Aber ich weiss, dass ich damit zu einer kleinen Gruppe gehöre, die wenig Macht hat. Die Menschen, die Entscheidungen treffen, haben sich mit der Pragmatik angefreundet, sie sind bereit, Kompromisse zu machen, bis nur noch ganz wenig von dem sichtbar ist, was so wichtig wäre.

Und deshalb formuliere ich zum Schluss noch einen politischen Wunsch: Mutige, ambitionierte Projekte, die auch einmal scheitern und nicht umgesetzt werden können. Dieses Scheitern würde zumindest markieren, was denkbar wäre – während die permanente Kompromissbereitschaft leidenschaftliches Lernen an Schulen nicht einmal als Möglichkeit anerkennt, sondern schon davon ausgeht, dass Lernaktivitäten kleinteilig verwaltet und vermessen werden müssen.

Projektarbeit, KI und die Vorstellung «resistenter» Aufgaben

An meiner Schule läuft ein Prozess, bei dem sich alle Beteiligten intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie KI Unterricht und Lernen verändert. In Gesprächen ist mir aufgefallen, dass hier zwei Sichtweisen unterschieden werden können, aus denen unterschiedliche Verständnisse auf die Möglichkeiten des KI-gestützten Arbeitens resultieren.

Ich beginne mit meiner Sicht: Ich arbeite für mich selber an verschiedenen Projekten. Gerade habe ich einen Kurs zu True Crime ausgeschrieben. Ich wusste, was der Kern des Kurses sein soll. Von Perplexity habe ich mir 10 Erkenntnisse über True Crime aus der kulturwissenschaftlichen Forschung formulieren lassen, auf Bluesky habe ich nachgefragt, welche Texte Fachpersonen mir empfehlen würden. Den Ausschreibungstext habe ich mit Claude stilistisch überarbeitet. Von der Konzeption über die Ausschreibung bis zur Durchführung ist diese Kurs mein Projekt. Mein Ziel ist es, mit den Schüler:innen neue Arbeitsformen zu finden, neue Perspektiven auf True-Crime-Narrative zu erhalten. Ich möchte lernen und andere zum Lernen inspirieren. Aus diesen Gründen nutze ich KI immer wieder dort, wo mir das in diesem Prozess hilft. Für einige Arbeitsschritte ist das extrem nützlich (durch die 10 Erkenntnisse bin ich auf Forschungsprojekte aufmerksam geworden, die ich nicht kannte), für andere weniger (Claude hat einen etwas kindlichen Text formuliert, der kaum besser war als mein eigener).

Mein Arbeitsmodus ist das Prozess- oder Projektmodell, das ich so darstellen würde: Die KI-Möglichkeiten sind gerahmt von meiner Arbeit, die auch klare Grenzen setzt. Das Ziel meiner Arbeit ist eine Entwicklung, ein Lernvorgang.

Auf der anderen Seite steht das Produktmodell. Hier steht die Vorstellung im Vordergrund, Lernende müssten in beschränkter Zeit ein Produkt abgeben, das bestimmten Kriterien genügt. Diese Kriterien braucht es auch deshalb, weil dadurch Kompetenzen erkennbar werden, die bei der Herstellung des Produkts verwendet wurden. Ein Produkt kann eine Prüfungsantwort sein, ein Poster, ein Aufsatz, eine Präsentation etc.

Betrachtet man KI nun so, dass gibt es die Grenzen nicht mehr. Es kann gut sein, dass eine KI-Anwendung das gesamte Poster designt und jeden Text darauf formuliert hat. Das ist in diesem Modell problematisch, weil Schüler:innen gar nicht mehr selber arbeiten, im Produkt sind ihre Kompetenzen nicht mehr erkennbar.

Aus diesen Gründen gehen Lehrpersonen zunehmend davon aus, Projektarbeit sei aufgrund der Verfügbarkeit von KI problematisch geworden. Sie denken darüber nach, wie sie Aufgaben formulieren können, die «KI-resistent» sind, bei denen also Schüler:innen nur eigene Kompetenzen einbringen können, weil es gar nicht möglich ist, diese durch automatisierte Verfahren bearbeiten zu lassen. Die Suche nach solchen Aufgaben ist aufwendig, oft gleicht sie einer Sysiphus-Arbeit, weil KI-Tools laufend erweitert werden und in einer Woche vielleicht auch das können, was heute noch nicht geht.

Schule ist heute oft so gestaltet, dass Lehrpersonen auf das Produktmodell angewiesen sind. Sie unterrichten so viele Schüler:innen und haben so wenig Zeit für die Begleitung der Lernenden, dass sich ihr Feedback auf die Begutachtung von Produkten beschränken muss. Das wiederum führt zur unbefriedigenden Situation, dass entweder der Zugang zu KI-Tools eingeschränkt werden muss oder mit viel Aufwand KI-resistente Aufgaben gesucht werden müssen. Letztlich führt das Produktmodell in der Tendenz zu kleinteiliger Kontrolle, auch wenn Lehrpersonen das grundsätzlich nicht möchten.

Wenn Schüler:innen ganz grundsätzlich in einem Prozessmodell arbeiten sollen, dann brauchen sie Freiräume, Vertrauen, Autonomie, individuelle Settings und Begleitung. Entwicklungen verlaufen ungleichzeitig und lassen sich nicht durch Kontrolle und Anreize erzwingen. Das bedingt aber ein Umdenken, eine neue Grammatik der Schule, mehr Möglichkeiten für Lernende wie Lehrende. So lange zu fixen Zeitpunkten Produkte benotet werden müssen, werden Lernende ins Produktmodell gezwungen. Das bedingt Kontrolle, Beschränkungen und letztlich auch Arbeitsformen, die Lernenden oft nicht entsprechen. Dann stellen sie Sinnfragen, die wir Lehrpersonen oft nicht so genau beantworten können. Das hat auch mit KI zu tun: Wir haben zwar bestimmte Lernerfahrungen im Produktmodell gemacht, arbeiten aber mittlerweile alle im Projektmodell. Und wenn wir jungen Menschen zusichern, dass sie all das, was sie in kleinteiligen Kontrollsettings lernen, später einmal brauchen, dann wissen wir insgeheim, dass das wohl nicht ganz stimmt… 

Wie Anstellungen von Lehrpersonen reformiert werden könnten – das Beispiel der mbA-Anstellung im Kanton Zürich

Lehrpersonen arbeiten. Ihre Arbeitsverhältnisse müssen rechtlich geregelt werden. Dabei entsteht eine gewisse Komplexität, die sich an folgenden Fragen zeigt:

  1. Wie attraktiv sind die beruflichen Rahmenbedingungen für Einsteiger:innen?
  2. Wovon ist der Lohn einer Lehrperson abhängig? Wofür gibt es in den Anstellungsbedingungen Anreize, wofür nicht?
  3. Wie gut erlauben die Anstellungsbedingungen einer Schule, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen und Probleme zu lösen?
  4. Wie stark erlauben die Anstellungsbedingungen Schulentwicklung, wenn sie auch Veränderungen der Aufgaben und Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen betrifft?
  5. Wie flexibel können Lehrpersonen und Schulleitungen agieren, wie viel Spielraum lassen ihnen die Anstellungsbedingungen?

Ich kann das kurz am Beispiel des Kantons Zürich aufzeigen, in dem ich als Gymnasiallehrer mbA angestellt bin. mbA bedeutet drei Dinge kombiniert: Erstens sind diese Lehrpersonen unbefristet angestellt, erhalten zweitens den höchstmöglichen Lohn und drittens «übernehmen sie im Rahmen der Klassen- und Schulführung sowie der Schulverwaltung zusätzliche Aufgaben, wobei in der Regel ein Beschäftigungsgrad von mindestens 50% vorausgesetzt wird» (MBVO). (Auch wenn im Folgenden kritische Bemerkungen folgen: Die Anstellungsbedingungen im Kanton Zürich sind hervorragend.)

Die Kombination dieser drei Aspekte bedeutet, dass alle Lehrpersonen, die eine unbefristete Anstellung oder den besten Lohn erhalten möchten, auch zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen (oder sollten). Die Lehrpersonen mit mbA-Anstellungen müssen also in der Regel als Klassenlehrpersonen agieren, auch wenn sie das nicht unbedingt möchten oder nicht optimal dafür qualifiziert sind. (Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit einer unbefristeten Anstellung ohne besondere Aufgaben, die aber nur sehr selten genutzt wird. Damit ist dann ein etwas tieferer Lohn verbunden.)

Das bedeutet für Einsteiger:innen auch eine hohe Hürde: Weil die Anstellungen als Lebensstellen konzipiert sind, müssen Schulleitungen und Schulkommissionen sehr genau abklären, ob eine Lehrperson dafür geeignet ist. Auch wenn sich das in den ersten Unterrichtsjahren nur beschränkt bis zur Rente prognostizieren lässt, betreiben alle Verantwortlichen einen hohen Aufwand und führen eine intensive Prüfung mit vielen Unterrichtsbesuchen durch.

Die Tatsache, dass in diesen Anstellungen Aufgaben in der Klassen- und Schulführung sowie Schulverwaltung enthalten sind, führt aktuell zu ungleichen Arbeitsbedingungen. Schulleitungen entschädigen Lehrpersonen für Aufgaben, die über diese «mbA»-Anteile hinausgehen, oft zusätzlich. Diese Entschädigungen erfolgen aber nicht mit System. An einigen Schulen sind sie höher, an anderen tiefer. Einige Aufgaben werden nie, andere selten, andere immer entschädigt. Jede Schule hat hier andere Verfahren, die nur sehr erfahrene Lehrpersonen genau verstehen. Für alle anderen wirken sie oft kryptisch und willkürlich, auch wenn sie schlicht historisch gewachsen sind und von vielen wohlwollenden Schulleitungen mit viel Aufwand erarbeitet worden sind.

Ein weiteres Problem: Ein Schulwechsel bedingt eine neue Prüfung des mbA-Status. Auch Lehrpersonen, die an der einen Schule bereits geprüft worden sind, müssen an jeder neuen Schule das aufwändige Verfahren durchlaufen. Das schreckt viele davon ab, die Schule zu wechseln, auch wenn sie an einer anderen Schule eine bessere berufliche Entwicklung durchlaufen könnten und Schulen von der Expertise erfahrener Lehrkräfte profitieren könnten.

Die Lohnentwicklung verläuft nach einer mbA-Anstellung mehr oder weniger automatisch, wenn die Beurteilung von Lehrpersonen mit dem Prädikat «sehr gut» erfolgt, was bei den meisten der Fall ist. (Eine tiefere Einschätzung ist deshalb auch ein grösseres Problem und kommt deshalb nur selten vor.)

Die mbA-Anstellung enthält also eine Reihe von (Fehl-)anreizen:

  • Fachkräfte, die gerne eine unbefristete Stelle an einem Gymnasium oder einer Berufsschule erhalten möchten, müssen einen aufwändigen Prüfungsprozess mit unsicherem Ergebnis durchlaufen. Eine Anstellung ist im Rahmen eines regulären Bewerbungsverfahrens kaum denkbar.
  • Lehrpersonen müssen Funktionen übernehmen, die sie vielleicht gar nicht übernehmen möchten oder können. Schulen müssen diese Aufgaben an mbA-Lehrpersonen übergeben, weil sie die anderen zusätzlich entschädigen müssten. Das führt bei vielen Lehrpersonen zu Überlastungen und Burnout.
  • Lehrpersonen sind hauptsächlich für ihr «Pensum» bezahlt, d.h. für die Anzahl der Lektionen im Fachunterricht, die sie pro Woche abhalten. Alle anderen Arbeitsformen sind darin enthalten. Wer ein höheres Pensum unterrichtet, ist grundsätzlich besser bezahlt, weil die Arbeitsanteile für Aufgaben, die nicht Unterricht betreffen, geringer sind.
  • Nur sehr wenige Lehrpersonen könnten 100% arbeiten. Die Löhne in den Lohntabellen werden politisch oft als reale Löhne betrachtet, sind aber in der Realität meist Fiktionen, weil nur ein kleiner Teil der Lehrpersonen eine Vollzeitstelle besetzt.
  • Lehrpersonen werden für einige Aufgaben zusätzlich, für andere nicht entschädigt.
  • Lehrpersonen müssen zu Beginn ihrer Karriere intensiv geprüft werden.
  • Lehrpersonen haben hohe Hürden bei einem Wechsel der Schule.
  • Lehrpersonen können über das System der Leistungsbeurteilung nur schwer klar kritisiert werden, weil das gravierende Konsequenzen für die Lohnentwicklung hat.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Im aktuellen politischen Klima bedeutet jede Reform das Risiko einer Verschlechterung der Anstellungsbedingungen. Wenn eine Reform möglich wäre, welche die aktuell vorhandenen Mittel umverteilt, dann würde ich mir Folgendes wünschen:

  1. Anstellungen basieren auf Arbeitszeit
    Lehrpersonen werden für ihre Arbeit bezahlt, egal, wofür sie erfolgt. Wer zu viel arbeitet, muss entlastet werden und kann die Überzeit kurzfristig in Form von Urlaub beziehen. Grundsätzlich können Lehrpersonen ihre Arbeitszeit erheben.
  2. Besondere Aufgaben sind Arbeit
    Jede Aufgabe einer Lehrperson ist Arbeit, für die Zeit und Lohn zur Verfügung gestellt wird. Es gibt keine Aufgaben, die quasi nebenbei erledigt werden müssen. Schulen sprechen sich über die Definition dieser Aufgaben ab und verwenden vergleichbare Systeme.
  3. Arbeitsverträge
    Lehrpersonen können einfacher und genauer angestellt werden, indem Arbeitsverträge verwendet werden, die denen in vergleichbaren Aufgabengebieten entsprechen. Die Vorstellung einer lebenslangen Anstellung entfällt somit. Die so entstehende Flexiblität hilft sowohl Lehrpersonen bei ihrer Karriereentwicklung wie auch Schulen bei der Entwicklung.
  4. Mehr Lohn für anspruchsvolle Aufgaben
    Heute steigt der Lohn grundsätzlich mit dem Alter einer Lehrperson. Dieses System könnte leicht geschwächt werden, indem Einstiegslöhne erhöht und bessere Löhne für wichtige Aufgaben bezahlt werden (z.B. Funktion der Klassenlehrperson, Beteiligung an der Schulführung etc.).

Mit diesen vier Punkten wären sowohl Schulen als auch Lehrpersonen besser aufgestellt, um die nötigen Transformationsschritte von Schulen zu bewältigen.

KI-Videos mit NotebookLM

Seit ein paar Monaten kann mit NotebookLM Videos zu Quellensammlungen erstellen lassen. Das Tool kann mit einem Google-Konto genutzt werden, wer ein Gemini-Abo hat, erhält Zugang zu einer leistungsfähigeren Version. NotebookLM hat als Grundlage eine Sammlung von bis zu 50 Quellen. Das können Dokumente sein, Links zu Webseiten oder Youtube-Videos oder direkt einkopierte Texte.

Die Video-Funktion ist denkbar einfach: Nutzbar. Rechts wird in der Standardansicht das «Studio» eingeblendet. Ein Klick auf «Videoübersicht» generiert ein 6-8-minütiges Video.

Das folgende Video basiert auf der Erzählung «Kinderseele» von Hesse, ergänzt durch den Wikipedia-Eintrag sowie zwei kürzere literaturwissenschaftliche Einordnungen des Textes.

Ich würde das Ergebnis so bewerten, wie ich das mit vielen KI-Ergebnissen tue: Das Video ist ingesamt besser als das, was ich und meine Schüler:innen hätten gestalten können – insbesondere in dieser Zeit. Es ist aber deutlich schlechter, als es ein professionelles Video wäre. Beeindruckend finde ich, dass hier eine konsequente Bildsprache gefunden wird, die auch Aspekte der Erzählung illustrieren können. Für eine kritische Auseinandersetzung eignet sich das Video durchaus.

Unten findet ihr noch zwei Beispiele von Videos zu Sachtexten: Erstens das Video zum Prüfungskultur-Buch, zweitens ein Video zu Skripten zum Thema Personalmanagement. Hier merkt man, dass NotebookLM eine Art Storytelling-Format wählt. Dabei werden Inhalte aus bestimmten Perspektiven gezeigt.

Wie ich mit einem Podcast Freundschaft schloss – und die Freundschaft zerbrach

Podcasts sind ein intimes Medium: Menschen sprechen über ganz persönliche Dinge, und nur wir hören sie – alle andere Menschen im öffentlichen Raum hören andere Podcasts oder Musik. Wir lachen über Witze, die wir nur verstehen, weil wir die Menschen kennen, die sie machen. Wir erfahren das, was sie lange Zeit nicht erzählt haben. Wir nehmen Anteil an den Veränderungen ihres Lebens.

Diese Intimität führt zu parasozialen Beziehungen. Das bedeutet, dass es sich so anfühlt, als entstünden über Podcasts Freundschaften, auch wenn diese Beziehung nur einseitig ist. Die Menschen, welche für uns sprechen, kennen uns gar nicht, sie nehmen keinen Anteil an unserem Leben, während wir so viel von ihnen erfahren. Ryan Broderick kennt mich nicht, er hat mich noch nie gesehen, weiss nicht einmal, dass es mich gibt. Ich weiss, dass sein Vater an Verschwörungstheorien glaubt, mit welchen psychischen Problemen er kämpft und welche Memes er am liebsten mag.

Ich beurteile das vorerst nicht – es passiert einfach. Im Folgenden möchte ich kurz erzählen, wie dieser Prozess sich bei mir auch aufgelöst hat.

Als ich begann, Podcasts zu hören, hörte ich eine Reihe von NBA-Podcasts. Nach zwei Hinweisen auf die Dan LeBatard Show begann ich den Podcast wohl im Frühling 2017 zu hören. Die Sendung war eine Mischung aus Sport und Comedy, mit enorm vielen Anspielungen auf frühere Sendungen und schrägen Clips mit Aussagen von Sport-Personen. Schnell hörte ich jeden Tag zwei bis drei Stunden von diesem Podcast, der von einer Gruppe von Menschen aus Miami gestaltet wurde. Ich lernte ihre Vorlieben und Lebensweisen kennen, begleitete sie bei ihrem Streit mit ihrem Arbeitgeber und dem Start in die Selbständigkeit. Mitglieder verliessen die Show, neue kamen hinzu. Immer wieder entstanden neue Formate und Segmente. Ich begann durch den Podcast wieder American Football zu schauen, entwickelte ein vertieftes Verständnis für Aspekte der Latino-Kultur in den USA, konnte einen neuen Blick auf politische Vorgänge einnehmen und nahm am Leben ganz vielfältiger Menschen teil.

Der Podcast begleitete mich durch eine depressive Phase und durch die Unsicherheiten der Covid-Krise. Ich war damit nicht allein, die Hosts erwähnten immer wieder, wie oft sie genau dieses Feedback sie von primär männlichen Hörern bekämen. Ich wusste, dass es auch an den dunkelsten Tagen etwas zum Lachen gab, und zwar in einer menschlichen Form, in einer liebevollen Form. Die LeBatard-Show lachte mit und für mich so, dass es sich respektvoll anfühlte und ein Gefühl der Zugehörigkeit entstand.

Wer sieben Jahre lang mehrere Stunden pro Tag Menschen zuhört, fühlt sich ihnen zugehörig – im Rückblick finde ich das nicht erstaunlich. Bemerkenswert ist für mich, wie diese Bindung sich auflöste. Ich bemerkte im Sommer 2024, dass ich immer öfter Folgen nicht mehr anhörte oder ausliess. Plötzlich verstand ich bestimmte Anspielungen nicht mehr, ich verpasste auch Segmente, die ich liebte, und hörte sie manchmal nach, manchmal nicht. Was war passiert? Die Show feierte ein Jubiläum, es gab sie 20 Jahre. Dafür produzierte sie eine Oral History, in der die wichtigsten Etappen nacherzählt wurde. Diese Serie brach plötzlich ab, ohne Erklärung. Zudem fehlte Stugotz, einer der wichtigsten Hosts, während Wochen. Die Show nahm das, wie üblich, mit Humor – es gab aber auch dafür keine klare Erklärung. Zudem wurde immer mehr Werbung eingespielt. Einerseits verständlich: In meiner ersten Hörphase war der Podcast quasi ein Nebenprodukt von Radio- und Fernsehsendungen war und entsprechend fast ohne Werbung auskam. Später musste er sich auch über Werbung finanzieren. Andererseits waren die fehlenden Erklärungen und die teilweise fast irren Werbespots ein verstoss gegen die Werte der Sendung, die sich immer gegen Unehrlichkeit und Bullshit-Gerede im Sport und in der Politik auflehnte. Plötzlich hatte ich den Eindruck, die Hosts würden einfach irgendwas erzählen, um nicht über das Wesentliche sprechen zu müssen, sie würden aus finanziellen Gründen Quatsch tolerieren, den sie persönlich und professionell niemandem durchgehen lassen würden (viele der Werbespots werden von den Hosts selber eingesprochen). Das war damit verbunden, dass der Star der Show, Dan LeBatard, immer mehr und immer schlechter sprach. Seine Monologe wiederholten dieselben Gedanken und sprachlichen Formeln, immer wieder sah er sportliche und politische Zusammenhänge offensichtlich falsch – und niemand traute sich, ihm das zu sagen.

Mein Gefühl nach vielen Folgen war, dass sich das eigentlich nicht gelohnt hatte. So löste sich die Freundschaft auf. In den letzten Wochen habe ich fast keine Sendungen mehr gehört, nur solche, auf die in den entsprechenden Reddit-Foren explizit hingewiesen wurden. Aber es entstand nie der Eindruck, ich müsste mehr hören. Zudem verliessen die für mich wichtigsten und interessantesten Stimmen die Show:

Parallel entdeckte ich andere Podcasts, besonders die Formate von Sarah Marshall, Michael Hobbes, Aubrey Gordon, Peter Shamshiri und Matt Bernstein sprachen mich mehr an. Sie sind genau so humorvoll, aber politisch konsequenter, direkter und informativer. Diese Podcaster:innen telefonieren nicht mit ihren Partner:innen während der Show und lassen vieles in ihrem Privatleben in den Gesprächen aussen vor. Dafür recherchieren sie mehr und tragen auch mal einen Zusammenhang vor, der nicht allen bekannt ist. Für mich sind das anregende, interessante Stimme, aber keine Freund:innen. Sie trösten mich weniger, aber sie unterhalten und informieren mich gleich gut wie ein Podcast von parasozialen «Freund:innen».

Zum Schluss noch etwas Bewertung: Die Vorstellung, es gäbe echtere oder bessere Freundschaften, Beziehungen, Persönlichkeiten – die halte ich nicht für sehr belastbar. Wir spielen Rollen, wir verstecken Teile von uns, wir sind von Persönlichkeiten fasziniert, die uns etwas vorspielen. So passiert es auch, dass wir die Menschen hinter Podcasts oder Streams in unser Leben lassen, dass wir mit ihnen Dinge verbinden, die wir als Kinder mit Menschen verbunden haben. Aber auch da haben wir uns vorgestellt, unsere Lehrerin sei eine Art Freundin, wir haben das Liebesleben von Pop- oder Fussballstars so wahrgenommen, als ginge es uns etwas an. Parasoziale Beziehungen sind nichts Verwerfliches, wir müssen uns dafür nicht schämen. Selbstverständlich ersetzen sie keine Freundschaften, keine Gemeinschaft mit echten Menschen. Aber sie können uns trösten und tragen, sie können uns eine Konstanz geben, die sonst vielleicht fehlt. Dafür bin ich dem LeBatard-Teams dankbar. Und ich bin etwas traurig, dass die Show mich nicht mehr so anspricht, wie das früher der Fall war.

KI-Protokolle: Möglichkeiten und Grenzen von Tools

In vielen Meetings ist es üblich, Protokolle zu verfassen. Meist muss eine der anwesenden Personen, teilweise mit Leitungsfunktion oder mit Verantwortung für administrative Prozesse, beim Meeting mitschreiben und das Protokoll dann in der gewünschten Form den Anwesenden vorlegen, die dann wiederum Korrekturen vornehmen können und schliesslich eine bereinigte Form archivieren. So kann später nachgelesen werden, was am Meeting besprochen und beschlossen wurde.

Dieses Setting eignet sich sehr gut für KI-Anwendungen. Im Folgenden zeige ich kurz, wie sie funktionieren (könnten) – und diskutiere, wo ich bei der Anwendung Grenzen sehe.

Funktionsweise

Kürzlich habe ich nach einer Besprechung folgende E-Mail bekommen. Offenbar hatten ein Hosts einer Besprechung geplant gehabt, das Meeting mit Otter.ai aufzunehmen und es dann transkribieren zu lassen.

Otter ist eine der Anwendungen, welche automatisierte Protokolle generieren kann. Auf der Website wird das Tools als «Meeting Agent» beschrieben.

Grundsätzlich kann man bei einer optimalen Funktionsweise vier Ebenen unterscheiden: Eine Audioaufnahme des Meetings, die dann bereinigt und transkribiert wird, so dass man die Aussagen aller Beteiligten ohne Versprecher und Pausen nachlesen kann. Dieses Wort-Protokoll kann dann zu einem Beschluss-Protokoll verdichtet werden, in dem nur die wesentlichen Vereinbarungen stehen. In einem Überarbeitungsprozess kann daraus – ebenfalls mit KI-Support – ein öffentliches Protokoll generiert werden, in das auch nicht Beteiligte Einblick erhalten.

Ohne KI-Einbezug fehlen heute einige dieser Möglichkeiten. Grundsätzlich erlaubt die Technologie ein Zoom-Feature: Wer etwas genauer wissen möchte, kann von den Beschlüssen quasi nahtlos zu den Audio-Aufnahmen gelangen und den Ausschnitt nachhören, der für eine spätere Diskussion relevant sein könnte. Diese Genauigkeit können herkömmliche Protokolle nicht anbieten, was zu Missverständnissen und Konflikten führen kann.

Grenzen der Nutzung

Unternehmen und Institutionen sind vergesslich. Was vor zwei Jahren diskutiert und beschlossen wurde, ist heute oft kaum noch relevant, weil neue Menschen Sachverhalten unter neuen Umständen diskutieren. Protokolle sind schwache Abgrenzungen gegen das institutionalisierte Vergessen – sie dienen der Legitimation von Treffen, nicht unbedingt ihrer Dokumentation. Oft wird am Wortlaut von Protokollen gefeilt, heikle Aussagen werden beschönigt oder aus dem Protokoll gelöscht.

Das Führen des Protokolls ist eine Möglichkeit, jemandem Verantwortung zu übergeben und eine vertrauensbildende Massnahme: Wer so Protokolle führt, dass die Leitung von Meetings damit einverstanden ist, gewinnt an Ansehen in einem Unternehmen oder einer Institution.

Würden nun transparente Protokolle per Knopfdruck angefertigt, würden diese beiden machtbezogenen oder sozialen Funktionen von Protokollen entfallen. Grundsätzlich wäre es ja schon länger möglich, Meetings einfach aufzuzeichnen und diese Audio-Aufnahmen statt verschriftlichten Aussagen zu archivieren. Das geschieht aber auch deshalb nicht, weil es gar nicht unbedingt erwünscht ist, das Gesagte präzise rekonstruieren zu können. Verhandlungen und Kompromisse sind oft auch deshalb möglich, weil man vergessen kann, was jemand genau gesagt hat (oder vorgeben kann, es vergessen zu haben).

KI-Protokoll-Tools sind ein schönes Beispiel dafür, dass Technologie Beziehungsstrukturen und Handlungen verändert. Meetings, die mit einer KI aufgezeichnet und verarbeitet werden, laufen anders als solche, bei der eine ausgewählte Person Protokoll führt. Weder ein blinder Techno-Optimismus noch eine grundsätzliche Skepsis neuen Möglichkeiten gegenüber können genau erfassen, weshalb Unschärfe bei Protokollen gewollt ist. Und weshalb diese Unschärfe nicht nur toll ist, sondern auch ein zuweilen problematisches Machmittel darstellt.

Dopamin-Sucht gibt es nicht – und warum «Dopamine Detox» ein so verbreiteter Ratschlag ist

Auf digitalen Plattformen finden sich unzählige Ratschläge, die von ähnlichen Annahmen ausgehen, wie sie sich in diesem Video des Influencers Iman Gadzhi finden. Gadzhi fordert Menschen auf, ihre Handyzeit zu beschränken, keine Youtube-Videos zu schauen (!), auf Pornos zu verzichten und zu meditieren. Das alles begründet er einerseits mit Produktivitätszielen, andererseits mit «Dopamine Levels», die gesenkt werden müssen.

Die Vorstellung, die Nutzung von Smartphones oder Social-Media-Plattformen sei mit der Ausschüttung von Dopamin und einer Art Sucht verbunden, hält sich hartnäckig – auch unter Pädagog:innen, Politiker:innen, Eltern. Stimmt das?

Ein SRF-Beitrag fasst die Ergebnisse der Forschung so zusammen:

Ein grosses Missverständnis. Falsch verstandene Wissenschaft. Eine fehlgeleitete Modewelle. Das sagen Forscherinnen und Forscher zum Hype ums Dopamin-Fasten. […] Sucht ist weit komplizierter als die eh schon komplexe Natur eines einzelnen Neurotransmitters. Entsprechend haben Versuche mit Dopamin in der Suchttherapie nichts gebracht.

Auf einer Harvard-Website formuliert ein Arzt das noch klarer – Dopamin ist ein Neurotransmitter, «Dopamin-Detox» oder «Dopamin-Fasten» reduziert sein Level nicht:

Dopamine is one of the body’s neurotransmitters, and is involved in our body’s system for reward, motivation, learning, and pleasure. While dopamine does rise in response to rewards or pleasurable activities, it doesn’t actually decrease when you avoid overstimulating activities, so a dopamine “fast” doesn’t actually lower your dopamine levels.

Dopamin ist mit Sucht-Verhalten verbunden. Wenn Menschen lustvolle Aktivitäten erleben, schüttet ihr Hirn quasi als Vorbereitung Dopamin aus. Drogen wie Heroin, Kokain oder Amphetamine können diesen Ausstoss vervielfachen – während er bei der Nutzung von Handy, bei Youtube-Videos oder Pornografie in einem ähnlichen Ausmass ausgeschüttet wird, wie bei jeder anderen lustvollen Aktivität.

Was als «Dopamine Detox» verkauft wird, erleben viele Menschen als hilfreich. Das hat damit zu tun, dass sie dabei Praktiken entwickeln, die psychologisch generell hilfreich sind:

  1. Sie lenken sich weniger ab.
  2. Sie agieren achtsamer.
  3. Sie betreiben eine bessere Schlafhygiene.
  4. Sie vergleichen sich weniger stark mit anderen.
  5. Sie erleben Selbstwirksamkeit und Kontrolle über ihr eigenes Verhalten.

Die Bildschirmzeit zu reduzieren, vor dem Schlafen nicht mit dem Handy zu spielen, Pornos bewusst zu schauen, während der Arbeit nicht gleichzeitig TikToks zu schauen – all das hat fast nichts mit Dopamin-Levels zu tun, aber ist trotzdem vernünftig und meist gesund.

(Ich habe hier nur wenige Quellen zitiert, wer mehr sucht, kann in dieser Perplexity-Sammlung welche finden.)