Das Fächerproblem – nicht nur am Gymnasium

Die Darstellung der Entwicklung der Fächerverteilung an einem traditionsreichen Gymnasium in Basel ist eindrücklich: Sie zeigt eine zunehmende Zersplitterung der Lernzeit in Fachgefäße.

Die Entwicklung der Fächer am Gymnasium von 1620-2013
Entwicklung der Fächerverteilung am Gymnasium am Münsterplatz Basel, Darstellung NZZ Folio

Dieser Zersplitterung nimmt weiter zu: Informatik nimmt als neues Fach einigen Platz ein. Zudem erfordert der aktuelle Stand von WEGM, dem Projekt zur Überarbeitung der Rahmenlehrpläne der Gymnasien, in den einzelnen Fächern Arbeit an »transversalen Bereichen«: Also Themenfeldern und Fragestellung, die eigentlich in ein eigenes Fach gehörten, aber nun in allen anderen Fächern verankert werden.

Dahinter steht eine Entwicklung des Wissensmanagements und der Wissenskultur: Es hat im Laufe der Jahrhunderte eine Ausdifferenzierung und Spezialisierung stattgefunden. Nehmen wir mein Fach, Deutsch: Da kommt zu den Grundpfeilern Lese- und Schreibdidaktik sowie Rhetorik einiges hinzu – Medienbildung, Filmanalyse, Linguistik, Nutzung von digitalen Sprachressourcen und Tools etc.

Dieser Entwicklung kann die Fachlogik, welche die Lernzeit in Einzellektionen unterteilt und sie dann thematisch fixiert, nicht gerecht werden. Alle Fächer sind wichtig – nichts geht verloren. Literarisches Lernen wird nicht obsolet, wenn es Filme gibt. Informatik ist nicht wichtiger als Biologie, sondern beide sind wichtig. Nur: Menschen können nicht alles wissen, sie können nicht in allen Fächern gleichzeitig auf einem Matur-Niveau denken und arbeiten.

Das Schweizer Modell der breiten Matur muss angepasst und überdacht werden – fundamentaler. Lernen braucht Zeit und Vertiefung. Die Lernzeit in Fächer aufzusplittern verhindert zunehmend, dass intensive Lernerfahrungen möglich werden.

(Zudem führt die Arbeit in Fächern dazu, dass bei jeder Reform die Mitglieder von Fachschaften ihr Fach mit allen Mitteln verteidigen – und so große Würfe gar nicht möglich sind. Nicht nur die Lernzeit, auch die Anstellungen müssen vom Fachdenken gelöst werden: Lehrpersonen müssten mit guten Bedingungen angestellt werden, aber nicht für fachspezifische Arbeit, sondern mit der Bereitschaft, auch fachübergreifend Lernumgebungen zu gestalten.)

Eine zeitgemäße Schule muss sich vom Denken in Fächern lösen.

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