Dialogisches Lernen – auch im #digifernunterricht

Heute habe ich fürs Landesmedienzentrum Baden-Württemberg ein Webinar zu dialogischem Lernen abgehalten. Im Fokus stand die Rhythmisierung dialogischer Lernprozesse. Die Grundgedanken halte ich hier auch schriftlich fest.

Mein Verständnis des dialogischen Lernens

Ich habe bei Urs Ruf und Peter Gallin studiert, die das Modell entwickelt und theoretisch begründet haben. In meinem Unterricht passe ich das Modell an, nutze eine vereinfachte Variante. Sie lässt sich gut mit einem Kreislauf vergleichen, den ich an einem Beispiel aus meinem Fachdidaktik-Modul erklären möchte.

Ich starte mit einem Auftrag, z.B. mit der Frage, was für die Studierenden guter Deutschunterricht sei und wie sie ihren eigenen Deutschunterricht erlebt haben. Dazu schreiben sie einen Text in ihr Lernportfolio, so entsteht ein Lernprodukt. Vor der Seminarsitzung lese ich die Texte, gebe ein kurzes Feedback und erstelle eine Sammlung mit Zitaten aus den Arbeiten der Studierenden. In der Präsenzsitzung diskutieren wir die Zitate, daraus entsteht meist eine Kernidee, eine Einsicht. Sie ist der Anstoß für einen weiteren Auftrag…

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Entscheidend ist für mich, dass das Lernen im Dialog zwischen mir und den Lernenden entsteht – dass diese Interaktion aber auch in den Rahmen einer Lerngruppe eingebunden ist. Das haben Gallin und Ruf mit Ich-Du-Wir gemeint.

Die Rhythmisierung der dialogischen Lernens

Grundsätzlich lässt sich Unterricht in Präsenzphasen in Lerngruppen (traditionell eine Schulstunde) und in individuelle Lernphasen (die oft im oder mit dem Netz stattfinden; traditionell sind das Hausaufgaben) unterteilen. Das sieht dann so aus – wobei die längeren Kästchen andeuten, dass die individuellen Lernphasen sich meist über einen längeren Zeitraum erstrecken.

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Dialogisches Lernen führt zu folgender Rhythmisierung: In einer Präsenzstunde wird der Auftrag eingebettet in Unterrichtsgespräch, Lehrvortrag und andere Aktivitäten formuliert. Also beispielsweise lasse ich eine Klasse in Stanišićs Herkunft (vgl. dazu den Unterrichtsblog) Passagen suchen und diskutieren, in denen das Drachenmotiv vorkommt. Der Auftrag lautet dann, eine Hypothese zu formulieren, was die Drachen bedeuten, wofür sie stehen. Diese Bearbeitung läuft dann in den Kommentaren auf dem Blog – aber in Lernzeit, welche die Schüler*innen nicht im Schulzimmer verbringen.

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Aus ihren Lernprodukten entsteht dann in der nächsten dialogischen Präsenzphase – dazwischen könnte, und das zeigt das leere rote Feld, auch eine Übungsstunde oder eine Lektion zu einem anderen Thema stehen – eine Kernidee (oder mehrere), das kann dann im Beispiel von »Herkunft« so aussehen.

Daraus leitet sich dann ein weiterer Auftrag ab.

Dialogisches Lernen im #digifernunterricht

Was bedeutet es für dieses Modell, wenn Unterricht nur remote stattfinden kann? Denkt man die Präsenzphasen als Videokonferenzen, dann ändert sich nichts. Gerade auch die Kombination von Fern- und Präsenzunterricht lässt sich sehr gut mit dem Modell verbinden.

Zwei Herausforderungen aber bleiben:

  • ein lebendiges Unterrichtsgespräch ist im Fernunterricht per Videokonferenz schwer zu führen, entsprechend schwierig ist es, Kernideen mit den Lernenden zu erarbeiten
  • zwischen den Phasen treffen Lernende und Lehrende in informellen Kontexten (im Pausengespräch, auf dem Flur, im Bus etc.) zusammen und können leicht Fragen klären, Ideen prüfen etc. Entfällt dieser Austausch, kann er nur schwer digital emuliert werden.

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4 Kommentare

  1. mebîmabo sagt:

    Danke, bin via Google zum zweiten Mal hier gelandet. Wie würdest du Lehrpersonen in diesem Modell bezeichnen? Moderator:innen, Coach, weiterhin Lehrperson? Anders? (Der Link im ersten Abschnitt funktioniert leider nicht mehr.)

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