WhatsApp an Schulen – bitte sachlich und realistisch

Im Moment läuft in der Schweiz eine heiße Diskussion um die Verwendung von WhatsApp an Schulen. Martin Steiger hat die Diskussion zusammengefasst und aus rechtlicher Perspektive dazu Stellung genommen: Sein Beitrag umreißt die wesentlichen Punkte. (20Minuten-Artikel mit Statement von mir)

Um das vorwegzunehmen: Ich nutze mit meinen Klassen im Moment noch WhatsApp-Chats. Darin laufen zwei Formen von Gesprächen: Organisation von Unterricht (Verschiebung von Zimmern, Reminder, Klärung von Missverständnissen etc.) sowie Begleitung von Lernprozessen (Fragen zum Stoff, Austausch von kurzen Texten oder Bildern auch im Präsenzunterricht, Verschicken von Tafelbildern und Links).

Die Klassen haben – das ist für den Kontext wichtig – immer schon Chats, bevor sie mich dazu einladen. Ich bin nicht Administrator und füge ihre Nummern nicht hinzu. Sie adden mich zu ihren Chats.

Ich vertrete eine pragmatische, keine extreme Haltung: Diese Woche spreche ich mit allen Klassen darüber und stelle Alternativen vor. Will eine Klasse wechseln, sehe ich kein Problem dabei. Aber ich bin genervt, wie der Diskurs über diese Praxis verläuft. Dazu einige Anmerkungen in einer Liste.

  1. Vom Schweizer Pragmatismus zur deutschen »it’s the law«-Maxime
    Schweizer Schulen sind im Vergleich mit Deutschland recht autonom. So entwickeln sie oft an ihre Bedürfnisse angepasste Lösungen für pädagogische Fragen. Das ist eine Stärke der Schweizer Schullandschaft.
    Die WhatsApp-Debatte markiert einen Kulturwandel: Sie gibt rechtlichen Fragen Priorität vor pädagogischen oder kulturellen Überlegungen.
  2. Recht wandelt sich und wird ausgelegt
    Ob die Nutzung von WhatsApp an Schulen legal oder illegal ist, ist Auslegungssache. Nicht einmal die kantonalen Datenschützer – die eine eher strikte Linie verfolgen – sind in diesem Punkt einig (Nachtrag 4). Weil digitale Praktiken sehr schnell entstehen und mit vielen technischen Fragen verbunden sind, befinden wir uns in einer Situation, in der das Recht keine klaren Leitplanken vorgibt. Leider wird das oft anders dargestellt.
  3. Welche Daten schützen wir vor wem? 
    Viele Schülerinnen und Schüler nutzen Apple- oder Android-Geräte, an Schweizer Schulen werden legal Microsoft-Produkte eingesetzt. Die entsprechenden Daten (Bewegungsprofile, Metadaten, Schuladministration, Notenliste etc.) werden also mit Produkten der großen Netzfirmen verarbeitet – auch wenn WhatsApp nicht verwendet wird. Sollten sie mit diesen Daten irgendwann schlimme Dinge machen – die aktuelle Realität kann davor nicht schützen. (Natürlich ist das sehr grob formuliert, die Unternehmen bieten alle technisch und juristisch unterschiedliche Dienste an. Aber als Zusammenfassung stimmt der Befund.)
    Realistisch ist es zu sagen, persönliche Daten an Schulen müssten vor dem Zugriff von Drittpersonen geschützt werden. Das ist Konsens. Wie das geschieht, ist unklar. An vielen Schulen werden E-Mails an unsichere Adressen verschickt, Geräte mit unsicheren Passwörtern gesichert, Lehrpersonen loggen sich nicht aus. Solche Probleme sind in Bezug auf Datenschutz viel dringender als WhatsApp-Chats. Die Diskussion wirkt so unehrlich.
  4. Das Bauchgefühl
    Grund dafür ist ein ungutes Gefühl Facebook gegenüber. Dieses Gefühl ist nicht unberechtigt, aber es ist für eine sachliche Reflexion nicht hilfreich.
  5. Die Alternativen
    Signal und Threema können doch auch, was WhatsApp kann – und sind viel besser. Weshalb ziehen wir mit den Chats nicht einfach um?
    Hier muss man genau argumentieren: Ja, die Apps sind in Bezug auf Daten sparsamer. Für die Betreiber ist es theoretisch nicht möglich, gewisse Informationen zu erhalten. Aber auch ihre Benutzung kann zu Verletzung von strengen Datenschutzvorschriften führen. Zudem ist auch da unklar, wie sich das Geschäftsmodell der Anbieter verändert. Jede Firma kann verkauft werden und dann Daten – auch früher gesammelte – anders auswerten.
  6. Das Problem der indirekten Kommunikation
    Organisieren Jugendliche etwas, verwenden sie dafür WhatsApp-Chats. 2013 habe ich beschrieben, was dabei das Problem ist: Sie verlassen sich oft darauf, darin indirekt mitzulesen, was auf anderen Kanälen gelaufen ist. Ziehen sich also Lehrpersonen aus WhatsApp zurück, dann können sich oft nicht mehr direkt digital mit Klassen kommunizieren, sondern müssen hoffen, dass jemand das, was sie auf Threema oder per Mail verschicken, auch richtig in den Chat reinschreibt. Die Hoffnung, dass Klassen ihre ganze Kommunikation auf eine andere Plattform verlagern, besteht natürlich. Ich bezweifle, dass das aber häufig passiert.
  7. Die Wertedebatte
    Bildung sollte sich an Idealen orientieren. Selbstbestimmung ist eines davon, dazu gehört, sich auch technisch nicht von Unternehmen abhängig zu machen. Oder halt das Gesetz so einzuhalten, wie es gemeint ist. Das sind Argumente, die gegen WhatsApp sprechen. Aber die Gegenseite, der ich zugeneigt bin, orientiert sich auch an Werten: Tiefe Schwellen für Kommunikation, Wertschätzung gegenüber den Kommunikationsgewohnheiten von Jugendlichen, Präsenz auch außerhalb der Präsenzzeit an Schulen.

Fazit: Die WhatsApp-Diskussion wird sehr emotional geführt im Moment. In ihr vermischen sich juristische Überlegungen mit Wertefragen. Ich plädiere für pragmatischen Datenschutz: Sich klar zu machen, welche Daten man heute vor welchem Zugriff schützen kann und soll.

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26 Kommentare

  1. Zu diesem Thema gibt es informative Inhalte auf des ehrenamtlichen Projektes „freie-messenger.de“. Insbesondere der Systemvergleich sowie der Abschnitt „warum“ bzw. „warum nicht“ sind erwähnenswert:
    http://www.freie-messenger.de/warum
    http://www.freie-messenger.de/systemvergleich

  2. slicefader sagt:

    Liegt das Problem nicht vielmehr darin, dass WhatsApp derart verbreitet ist unter den Schülern und so den Takt vorgibt, wo und wie miteinander kommuniziert wird? Frage ist, wie soll und kann man das ändern? Müssten die Schüler selbst bereits sensibler kommunizieren, bevor das im schulischen Kontext genutzt wird? Dann läge die Vorarbeit auf einem anderen Fokus.

    Wie sieht’s in der Praxis aus: Würde/wurde ein von Lehrern aktiv angetriebener Umstieg auf „Threema“ oder „Signal“ denn von den Schülern schon mal akzeptiert? Und ist das Kommunikationsverhalten der Schüler dann noch dasselbe? Das würde mich interessieren.

    1. brueedi sagt:

      Ich frage mich immer und immer wieder:
      Was haben die WhatsApp-Gruppen der SchülerInnen mit der Schule zu tun? Meine Antwort ist immer noch: nichts.
      Als Lehrer habe ich ausschliesslich über den fachspezifischen Blog kommuniziert. Keine Telefonnummern, keine persönlichen eMailadressen. Wäre ich noch Lehrer, würde ich eine Twittergruppe einrichten.

      1. Ich sehe das wie sie:
        WhatsApp gehört nicht in die Schule. Die Schüler müssen wieder `lernen´, soz. analog miteinander zu kommunizieren.
        Und ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Kommunikationsmittel in den WhatsApp-Gruppen gehört für mich zur `Medienerziehung´ schlechthin, zumal das Mobbing einzelner Schüler über WhatsApp um sich greift.
        Fazit: Handyverbot in Schule und Unterricht.
        Jürgen aus Loy (PJP)

    2. Der Umstieg für schulische Zwecke wird schon akzeptiert, weil die Informationen halt einfach wichtig sind. Aber in den Fällen, die ich kenne, haben die Schülerinnen und Schüler deswegen nicht aufgehört, WhatsApp zu verwenden.

  3. brueedi sagt:

    Zuerst einmal hat WhatsApp mit Schule nichts zu tun. Klassen landauf und landab haben sich WA-Gruppen eingerichtet, als die meisten LehrerInnen über WA gelästert haben, ohne den Dienst in der Anwendung zu kennen. Vor ein paar Jahren haben einzelne LehrerInnen damit begonnen, sich ihren Klassen anzubiedern (sprich, eine Gruppe mit LehrerIn, also sich, einzurichten und zu unterhalten) und hatten und haben weiterhin viel Verständnis für die spezifische Sprache.

    Nun werden wohl die meisten Schulklassen ihre Gruppen (selbstverständlich ohne LehrerIn) weiter unterhalten, während die LehrerInnen mit WA-Gruppe nicht so genau wissen, was sie jetzt tun sollen.

    Ich finds gut, dass Philippe Wampfler diese Woche mit seinen Klassen darüber spricht – und ich finds nicht gut, dass er das erst 2018 tut.

  4. Meinrad sagt:

    Wenn Schüler einen Chat haben, soll sich der Lehrer dazu einladen lassen dürfen. Da bin ich mit Ihnen einverstanden. Es ist nicht Sache der Schulbehörden, den Lehrern gewisse Apps zu verbieten.

    Jedoch bin ich strikt gegen einen Zwang zu solchen Apps, sei das nun WhatsApp oder Threema. Auch ein Schüler ohne Smartphone muss wichtige Informationen der Schule erhalten können. Das darf man nicht von den Präferenzen des jeweiligen Lehrers abhängig machen.

    Für offizielle Mitteilungen scheint mir deshalb E-Mail die beste Lösung: ein offener Standard, Nachrichten können mit diversen Geräten, Betriebssystemen und Software empfangen werden. Die Schule kann jedem Schüler eine E-Mail-Adresse zur Verfügung stellen (welche er auf Wunsch an seine private Adresse weiterleiten kann). Zusätzlich pro Klasse eine Mailingliste. So verlassen die Mails nie den Server der Schule und Lehrer und Schüler müssen nicht gegenseitig ihre Handynummer haben.

    Ich finde es aber falsch, solche Diskussionen auf dem Rücken der Lehrer (oder Schulleitungen) auszutragen. Ist eine „modernere“ Lösung als E-Mail erwünscht, sollen die Kantone für deren Betrieb sorgen oder zumindest eine Empfehlung abgeben. Die Lehrer sollen sich voll auf die Aufgabe konzentrieren können, für die sie angestellt sind: Wissen zu vermitteln.

  5. Die Nutzung von Whatsapp durch unter 16-Jährige widerspricht keinem Gesetz. Ich habe auch noch keinen gesehen, der das (fürs Schweizer Recht) behauptet. Es widerspricht aber den Bedingungen, unter denen Whatsapp INC die Dinstleistung derzeit in Europa anbieten will (einen Nutzervertrag einzugehen bereit ist). Es ist weder sachdienlich noch realistisch, wenn Schulen auf die Nutzung von Dienstleistungen abstellen, die man sich durch Vorspielung falscher Tatsachen bei der Nutzerregistrierung erst erschleichen muss.

    1. Ja, dieses Argument hätte ich noch aufnehmen müssen. Aber das betrifft halt Alternativen auch. Diese Vorspielung braucht es bei praktisch allen digitalen Tools im Unterricht.

    2. brueedi sagt:

      Wäre ich noch Lehrer, würde ich wie damals ausschliesslich über meinen fachspezifischen Blog und neu über eine Twittergruppe mit meinen SuS kommunizieren. Keine Telnummern, keine persönlichen eMailadressen.

  6. Propeller sagt:

    Für jemanden, der sich das Internet und digitale Medien auf die Fahne geschrieben hat, legen Sie nicht nur ein beängstigend geringes Mass an Sensibilität gegenüber Privatsphäre an den Tag, Ihre Argumentation zeugt auch von mangelhaftem technischen Wissen. Als Lehrer zu behaupten, es spiele für Schüler keine grosse Rolle, ob sie WhatsApp oder einen sicheren Dienst wie z.B. Threema oder Signal verwenden, ist schlicht fahrlässig. Dann schreiben Sie erst noch „Hier muss genau argumentieren“!

    „Aber auch ihre Benutzung [die von Diensten wie Threema oder Signal] kann zu Verletzung von strengen Datenschutzvorschriften führen.“

    Erstens schiesst dieser Punkt völlig am Ziel vorbei (dazu gleich mehr), aber er ist dennoch falsch oder bestenfalls unbelegt. Geben Sie doch mal ein Beispiel an.

    „Zudem ist auch da unklar, wie sich das Geschäftsmodell der Anbieter verändert.“ Tolles Argument. Gibt es irgend einen Dienst, worauf diese Aussage nicht zutrifft? Nein? Warum dann eine Nullsummen-Aussage überhaupt anführen?

    Wenn Sie die Wahl zwischen einem alten, verrosteten Fahrrad und einem neuen haben, nehmen Sie dann auch das alte mit dem Hinweis, es sei ja unklar, ob das neue auch irgendwann mal Rost ansetze? Solch schiefe Argumentationen deuten entweder auf Ignoranz oder Befangenheit.

    „Jede Firma kann verkauft werden und dann Daten – auch früher gesammelte – anders auswerten.“ Das ist genau einer der Hauptgründe, einen Dienst wie Threema zu verwenden. Wie können Daten, die nicht erhoben wurden, durch einen späteren Firmenbesitzer ausgewertet werden. Bitte erklären Sie das. Bei Threema werden keine Daten dauerhaft gespeichert, es ist keine Angabe personenbezogener Daten erforderlich.

    All diese Punkte schiessen aber, wie erwähnt, am Ziel vorbei. Es geht nicht darum, was auch bei Alternativen passieren *könnte*, sondern was bei WhatsApp *tatsächlich passiert*: Wenn Ihre Schüler WhatsApp nutzen, werden deren Adressbücher an Facebook übertragen und auf einem Server in den USA gespeichert. Haben Sie wenigstens die Privacy Policy von WhatsApp gelesen, bevor Sie Ihren Schülern die Nutzung von WhatsApp empfohlen haben?

    1. Zuerst bedanke ich mich für den Hinweis auf den Fehler, ich habe ihn korrigiert.
      Zum zentralen Argument: Die Gefahren, die von WhatApp ausgehen, haben viel mit Prognosen und Spekulationen zu tun. Geht man davon aus, dass der schlimmstmögliche Fall eintritt, dann muss man das entweder überall oder nirgends tun. Das wäre eine präzise Argumentation.
      Dasselbe betrifft den Adressbuch-Upload: Hier besteht der Unterschied nur in den AGBs. Die von WhatsApp sehen das vor, die anderer Apps nicht. Technisch kann er bei WhatsApp unterbunden werden und bei Threema eingeschaltet. Die Benutzung entscheidet, ob Adressdaten weitergegeben werden.
      Und zum letzten Punkt: Ich empfehle meinen Klassen die Verwendung nicht. Sie verwenden das Tool bereits, bevor sie mich dazuholen.

      1. Propeller sagt:

        Danke für Ihre Antwort.

        Das war ja genau meine Kritik: Sie sprechen nur vom schlimmstmöglichen Fall (in einseitiger, verzerrter Weise), missachten aber den tatsächlichen, nicht-hypotetischen Fall (dass Sie bei der Nutzung von WhatsApp Ihre gesamten Adressbuch-Inhalte an Facebook übergeben).

        „Dasselbe betrifft den Adressbuch-Upload: Hier besteht der Unterschied nur in den AGBs. Die von WhatsApp sehen das vor, die anderer Apps nicht. Technisch kann er bei WhatsApp unterbunden werden und bei Threema eingeschaltet. Die Benutzung entscheidet, ob Adressdaten weitergegeben werden.“

        Ich bin wirklich erstaunt – um nicht zu sagen „schockiert“ – darüber, wie uniformiert sie als Experte sind. Diese Behauptungen sind völlig unqualifiziert und schlicht falsch. Der Unterschied besteht nicht nur in den AGBs. Der Unterschied besteht darin, welche Daten Sie wem geben (und was Sie dem Dienst erlauben, damit anzustellen; AGBs sind binden). Aus den Threema-FAQs:

        „No contact lists are stored when synchronizing contacts: The email addresses and phone numbers from your address book get anonymized (hashed) before they reach the server. Once the comparison is finished, they are immediately deleted from the server.“ (https://threema.ch/en/faq)

        Dazu kommt noch, dass die Synchronisation optional ist. Bei WhatsApp ist das meines Wissens nicht so, zumal die Rufnummer als Identifikationsmerkmal dient. Als ich vor ein paar Monaten versucht habe, WhatsApp ohne Adressbuch-Zugriff auf iOS zu installieren, war das jedenfalls nicht möglich.

        Nochmals meine Frage: Haben Sie die Privacy Policy von WhatsApp gelesen?

      2. Danke für die Antwort. Die vielleicht vorher nur implizite Bitte: Gehen wir doch davon aus, dass wir beide etwas von der Sache verstehen und Argumente austauschen.
        Bei WhatsApp kann über die Systemeinstellungen die Freigabe des Adressbuches unterbunden werden – auf allen Systemen. Das beschriebene Problem ist der Upload des Adressbuches. Natürlich kann man sagen, dass das eigentliche Problem die Weitergabe an Facebook sei. Klar, das macht Threema nicht. Aber auch der Abgleich gehashter Adressen ist datenschutztechnisch nicht unbedenklich.
        Man sieht: Die Grenze wird irgendwo willkürlich gezogen. Es gibt den absoluten Datenschutz nicht, er würde Kommunikation per se verhindern. Also ist Datenschutz immer relativ. Bei Facebook – so dann mein weiterführendes Argument – befürchten wir schlimmere Dinge, als tatsächlich ablaufen. Ja, Facebook speichert die Daten und kann später irgendwas damit machen. Aber Apple und Google speichern die Daten auch. Wir kämpfen hier um eine schon verlorene Unschuld.

      3. Propeller sagt:

        Danke für Ihre Antwort.

        „Bei WhatsApp kann über die Systemeinstellungen die Freigabe des Adressbuches unterbunden werden – auf allen Systemen.“

        Hab’s soeben nochmals ausprobiert. Es ist – zumindest unter iOS – nicht möglich, WhatsApp (aktiv) zu nutzen, ohne jemals Adressbuch-Zugriff gewährt zu haben. Sie können zwar WhatsApp installieren, aber sobald Sie die App nutzen möchten, um zu chatten, heisst es: „WhatsApp needs access to your iPhone’s contacts to help you find other people on WhatsApp.“ Ohne Zugriff zu gewähren, können Sie schlicht keine Chats starten. Natürlich können Sie *jetzt* Zugriff gewähren und ihn *später* über die Systemeinstellung widerrufen – aber dann ist Facebook bereits in Besitz des Adressbuchs.

        „Aber auch der Abgleich gehashter Adressen ist datenschutztechnisch nicht unbedenklich.“

        1.) Ihr ursprüngliches Argument war, dass es keine grosse Rolle spielt, welchen Dienst man jetzt nutzt, weil die Besitzverhältnisse der versch. Dienste ändern und dann später Daten missbraucht werden könnten. Das trifft auf WhatsApp/Facebook zu, aber eben gerade nicht auf Threema. Die Adressbuch-Daten werden dort nicht permanent gespeichert.
        2.) In welcher Hinsicht ist denn der Abgleich gehashter Adressen datenschutztechnisch bedenklich? Können Sie diese Behauptung irgendwie stützen? (Und wenn sogar der Abgleich gehashter Adressen datenschutztechnisch bedenklich wäre, wie sieht’s denn mit der permanenten Speicherung Ihres Adressbuchs auf dem Server eines US-Grosskonzerns aus?)
        3.) Und nochmals: Threema kann aktiv und uneingeschränkt genutzt werden, ohne dass Adressbuch-Zugriff gewährt wird.

        „Ja, Facebook speichert die Daten und kann später irgendwas damit machen. Aber Apple und Google speichern die Daten auch. Wir kämpfen hier um eine schon verlorene Unschuld.“

        Hmm… echt jetzt? Das ist Whataboutism der alerschwächsten Art. Wenn ich meiner Gesundheit nicht zuträglich bin, weil ich rauche, kann ich auch gleich Heroin sprit­zen? Ist das wirklich Ihre Haltung? Übrigens würde ich Apple und Google nicht in denselben Topf werfen, zumal sich deren Geschäftsmodelle erheblich unterscheiden.

        Und nochmals die einfache Frage, die Sie bisher gekonnt ignoriert haben: Haben Sie die Privacy Policy von WhatsApp gelesen?

      4. Meines Wissens lässt sich der Upload komplett verhindern. Hier ist das beschrieben, habe das auch schon mehrmals bei Installationen gemacht, aber ist schon eine Weile her. https://www.kuketz-blog.de/whatsapp-datenschutzkonforme-nutzung-moeglich/
        Ja, ich habe die AGBs von WhatsApp gelesen.

        Meine Haltung ist, dass Datenschutz eine sehr diffuse Diskussion ist. Die Bedrohungslage, die hier stark gemacht wird, ist folgende: Facebook wird einmal irgend etwas Schlimmes mit den Daten machen, die bei der Verwendung von WhatsApp an Schulen anfallen. Was das ist, wissen wir nicht. Wenn wir uns vor diesem Szenario schützen müssen, dann müssen wir das natürlich bei Apple und Google auch. Wir können gerne die Feinheiten des Adressbuchuploads weglassen und einfach mal sagen, dass Threema die perfekte App ohne jegliche Probleme sei. Selbst dann läuft sie auf einem Gerät, das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Adressbücher ohnehin über eine Cloud synchronisiert (und auch Bewegungs- und Gesundheitsprofile anlegt).

        Vielleicht ist es möglich, den Datenschutz in einem kleinen Bereich leicht zu verbessern. Nun kann man sagen: Dann müssen wir es machen, ist 5 vor 12. Oder man kann sagen: Lohnt sich vielleicht nicht, achten wir doch einfach in einem anderen Bereich auf einen bessern Schutz, dort, wo wir wirklich was erreichen können.

        Ich wechsle mit allen Klassen, die dazu bereit sind, gerne auf eine andere App. Aber ich bilde mir nicht ein, damit etwas erreicht zu haben. Im Gegensatz zu vielen anderen, welche diese Diskussion vehement führen.

      5. Propeller sagt:

        Sie haben recht, der Upload lässt sich verhindern – allerdings kann dann eben die App nicht aktiv genutzt werden: Es lässt sich kein neuer Chat starten. Würden alle die App so benutzen, fände keine Kommunikation statt.

        Was die Bedrohungslage betrifft, liegen Sie meiner Ansicht nach falsch. Es geht nicht darum, dass etwas „Schlimmes“ mit den Daten passieren könnte, zumal schon andauernd „Schlimmes“ mit Daten, die bei Facebook landen, passiert, s. z.B. https://www.nytimes.com/interactive/2018/06/03/technology/facebook-device-partners-users-friends-data.html .

        Es geht um Privatsphäre, leichtfertigen Umgang mit eigenen Daten und um die Macht, die man Diensten gibt. Wenn Sie Ihre Daten Facebook anvertrauen, habe ich selbstverständlich nichts dagegen. Aber wenn Sie als Lehrer Ihre Schüler ermutigen, das zu tun, indem Sie WhatsApp für schulische Zwecke einsetzen und noch öffentlich die Datenschutzproblematik herunterspielen, dann habe ich ein Problem damit. Immerhin sind Sie ja bereit, mit Ihren Klassen auf alternative Dienste zu umzusteigen. Bleibt zu hoffen, dass Ihre Schüler mehr Sensibilität für Datenschutz haben als Sie. 😉 Nichts für ungut.

      6. Ich nehme Kritik nicht persönlich: Es ist einerseits wichtig, über diese Themen zu sprechen. Andererseits weiß ich, dass Datenschutz vielen Leuten sehr nahe geht.
        Meine Haltung ist deshalb eine andere, weil ich den Kontrollverlust für unaufhaltbar halte – in gewissen Bereichen. Wenn ich meine Schülerinnen und Schüler anleiten würde, wie sie verhindern können, dass FB ihre Telefonnummer kennt – ich wäre ein totaler Scharlatan, weil ich das nicht kann. Was wir tun können, ist FB daran hindern, mit unserer Telefonnummer Schaden anzurichten. Aber das hat nichts damit zu tun, ob an Schulen WhatsApp eingesetzt wird oder nicht.

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