Der Anfang einer Schulstunde sei ein »magischer Moment«, heißt es in einem wunderbaren Blogpost von Theo Byland. Er beschreibt ihn so:
Die Zimmertür steht offen, auf dem Gang herrscht das übliche Treiben während einer Pause, die Lehrperson hingegen sitzt bereits an ihrem Tisch im Schulzimmer und ordnet ihre Unterlagen für die kommende Stunde. [Dann schaut sie] den gemächlich ins Zimmer strömenden Schülern zu. Es interessiert sie, wie die Einzelnen hereinkommen, worüber sie sich unterhalten, wie lange es geht, bis sich alle an ihre Plätze gesetzt haben. […] Sie wendet sich der Klasse zu und wartet. Es ist ein lächelndes, aufmunterndes Warten. Es wird still, M und Klasse schauen sich an –
»ein lächelndes, aufmunterndes Warten« – das ist eine didaktische Haltung, die ich als Präsenz bezeichnen möchte. Die Lehrperson bei Byland ist da – sie ist aufmerksam. Aber sie hat keinen Stoff, den sie vermitteln will, kein Programm, das sie abspult, mehr eine Erwartung, ein Interesse. Sie verantwortet einen Raum, in dem sich das Lernen der Schülerinnen und Schüler abspielen kann.
Diese Präsenz ist mein didaktisches Ideal. In der Realität genüge ich ihm oft nicht. Die Krallen der Prüfungskultur schlagen sich auch in meinen Unterricht – und ich muss auch manchmal schnell noch ein paar Rezepte an die Tafel schreiben, damit den Schülerinnen und Schülern das gelingt, was zu einer Note führt. Ich bin selber mit einem Thema beschäftigt, das ich dann als Input vorbringe, statt die Themen aufzugreifen, mit welchen die Klasse ankommt. Ich bewege mich nach dem Ende der Stunde schnell ins Teamzimmer, halb-bewusst wahrnehmen, dass einige Schülerinnen und Schüler wohl schon noch mit mir sprechen würden, wenn ich dafür offen wäre. Kurz: Der Schulalltag erschwert mit diese volle Präsenz.
Präsenz ist für mich auch ein Grund für digitale Arbeit. Im Netz stehen mehr Kanäle offen. Lisas Scherz zeigt das gut – wer »digital Detox« betreibt, erholt sich im besten Falle, um diese Präsenz wieder zu zeigen. Im schlechteren Falle ist Präsenz gar kein Ziel, und die digitalen Kanäle stellen nur eine Pflicht dar.
Klar – auch im Netz höre ich nicht jeden Impuls der Lernenden. Zudem gibt es eine schmale Grenze zwischen Aufmerksamkeit und zu viel Aufmerksamkeit. Ich stelle keine Lernfragen auf den Instagram-Feeds von Lernenden, sondern like ihre Bilder, wenn sie mich dazu einladen. Aber ich lese die Blogposts, die sie im Unterricht schreiben, und beantworte ihre WhatsApp-Nachrichten. Weil das Netz ein Lernort ist, wo meine Präsenz ebenfalls wichtig ist.
Zugegeben: Diese Netzpräsenz geht wieder auf Kosten der vollen Präsenz in anderen Situationen. Das Fazit wäre also: Ich arbeite daran.
🙂 – noch so gerne!!
ich versuche bei der Planung der Lernumgebung bewusst „Räume“ einzuplanen, in welchen ich meine/unsere Präsenz wiederherstellen, pflegen, beachten kann.
für mich ist immer wieder spannend zu beobachten, dass auch dieses Vorhaben bei mir selber beginnt … Wie präsent bin ich gegenüber mir selber? Nehme ich mich selber und meine offenen Fragen wahr?
Ja, absolut. Nur darf man die Bühne, die einem Unterricht bietet, nicht mit der Präsenz sich selbst gegenüber verwechseln.
… ich kann das im Moment in meinem Kopf nicht trennen und deshalb auch nicht verwechseln.
Da müssen wir wohl mal drüber reden miteinander.