Warum Lehrkräfte sich oft entschuldigen sollten…

Sollen Lehrerinnen und Lehrer Vorbilder sein für Kinder und Jugendliche, die sie unterrichten? Jein.

Sie sollen nicht vorspielen, sie würden sich an Normen halten, die sie im Berufsalltag oder im Privatleben nicht einhalten können. Ihre menschliche Seite müssen sie nicht verstecken.

Aber sie sollen einen exemplarischen Umgang mit schwierigen Situationen pflegen, zeigen, wie sie Herausforderungen begegnen, Entscheidungen fällen, Gespräche führen, mit Niederlagen umgehen oder zu Fehlern stehen. Hier spielen sie nichts, sondern sie zeigen, was sie in ihrer Ausbildung gewählt haben und weshalb sie für den Beruf qualifiziert sind.

Ein Beispiel für diese zweite Sicht haben Philip Stade und Pirmin Stadler kürzlich parallel formuliert: Indem Lehrkräfte über ihr Scheitern erzählen (z.B. an einer #fuckupnight), schaffen sie einen Gesprächsraum, in dem Fehler im Berufsalltag selbstverständlich werden. So stellen sie keine Ausnahme mehr dar, werden nicht mehr verdrängt: Sondern im Rahmen einer vernünftigen Fehlerkultur als Anlass für Lernprozesse verstanden.

Ein weiterer zentraler Fokus dieser Bemühungen könnten Entschuldigungen sein. Diese Einsicht wurde mir bei der Diskussion der politischen Strategien rund um Trump bewusst: Trump entschuldigt sich bewusst nie. Das führt – so meine Interpretation – dazu, dass er Kollateralschäden verursacht: Weil er sich als fehlerlos präsentieren will, beschuldigt er Unbeteiligte, beschönigt Vorgänge und lügt ohne Hemmungen.

Die umgekehrte Haltung besagt: Bemühe dich, dich angemessen und regelmäßig zu entschuldigen. Was heißt das?

  1. Die Entschuldigung benennt den Fehler klar als Fehler.
  2. Sie erfolgt zeitnah.
  3. Sie ist verhältnismäßig: Ein kleiner Fehler mit minimalen Auswirkungen kann in einem Halbsatz entschuldigt werden, ein größerer erfordert eine Art Statement.
  4. Die Entschuldigung ist keine Ausrede und keine Rechtfertigung: Sie ist ein Eingeständnis.
  5. Verbunden mit der Entschuldigung werden Strategien formuliert, mit denen der Fehler fortan vermieden werden kann.

Ein Beispiel: Kürzlich habe ich eine größere Projektarbeit geplant und für die Klasse eine zweiseitige Anleitung und Checkliste geschrieben. Dabei habe ich einige Namen falsch geschrieben und einen wichtigen Zusammenhang unverständlich formuliert, so dass Verwirrung in der Klasse entstanden ist.

Als mir das klar geworden ist, habe ich mich bei der Klasse entschuldigt und gesagt, ich würde ihnen eine verbesserte Version des Handouts per Mail schicken.

Klar: Sowas passiert mir nicht jede Woche, sondern jedes Semester einmal in diesem Umfang. Aber immer wieder kommen didaktische Fehleinschätzungen vor, ungeschickte Planungen oder unglückliche Aussagen. Kürzlich habe ich einer Klasse gesagt, »die Schlauen« hätten sicher schon aufgeschrieben, was an der Wandtafel steht. Eine Schülerin hat sofort angemerkt, ob ich sagen wolle, der Rest sei dumm. Nein, wollte ich nicht – ich entschuldigte mich und werde solche Bemerkungen meiden.

Mich machen Entschuldigungen nicht unsicher, im Gegenteil: Ich bin erleichtert, einen Fehler so einräumen zu können und den Weg für konstruktive Arbeit freimachen zu können. Ich bin nicht ein Vorbild für meine Klassen, weil ich keine Fehler mache, sondern weil ich damit sachlich und menschlich gut umgehe.

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9 Kommentare

  1. brueedi sagt:

    „Kürzlich habe ich einer Klasse gesagt, »die Schlauen« hätten sicher schon aufgeschrieben, was an der Wandtafel steht. Eine Schülerin hat sofort angemerkt, ob ich sagen wolle, der Rest sei dumm.“

    Das mit den „Schlauen“ und den „Dummen“ haben wir bei dir schon einmal gelesen – scheint eine Haltung zu sein, die wohl kaum entschuldigt werden kann. Die betroffenen SchülerInnen werden dir die Entschuldigung wohl nicht wirklich abnehmen.

  2. Remo sagt:

    Was um alles in der Welt ist ein „handout“?

    Eine klare Sprache sollte auch jeder Lehrer verwenden.

    Zu den Entschuldigungen: Es ist in allen Beziehungen,ob privater oder auch geschäftlicher Natur, gemäß Studien wichtig, sich entschuldigen zu können.

    Das heißt, Schüler, die Entschuldigungen „lernen“ durch Erleben, die werden auch im Leben besser zurecht-kommen.

    1. brueedi sagt:

      Zuerst einmal ein Anglizismus.

  3. turkawka sagt:

    Deinem Beitrag kann ich aus Erfahrung beipflichten. Gilt übrigens auch für Schulleitende 😉

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