Aktives Zuhören im digitalen Gespräch

We are so accustomed to viewing ourselves in certain ways—to seeing and hearing only what we want to see and hear—that it is extremely difficult for a person to free himself from his needs to see things these ways. To do this may sometimes be unpleasant, but it is far more difficult than unpleasant. Developing an attitude of sincere interest in the speaker is thus no easy task. It can be developed only by being willing to risk seeing the world from the speaker’s point of view. If we have a number of such experiences, however, they will shape an attitude which will allow us to be truly genuine in our interest in the speaker. – Carl Rogers/Richard Farson

Beruflich und privat führe ich wohl etwa gleich viele Gespräche digital wie face to face. Ich bin davon überzeugt, dass diese Gesprächsformen irgendwie gleichwertig sind. Auf den Punkt gebracht: Die Vorteile der para- und nonverbalen Kommunikation durch Gesten, Stimmführung und Körpersprache werden durch eine gewisse Reduktion im digitalen Gespräch auch kompensiert (sie fallen keinesfalls ganz weg, es gibt zahlreiche digitale Signale für Non- und Paraverbales). Die Kompensation besteht im Wegfall von gewissen Hemmnissen, oft führen etwa Blicke oder Gesichtsausdrücke dazu, sich selbst zu zensieren, einen gewagten Gedanken nicht auszusprechen, sich mit Kritik zurückzuhalten etc.

https://twitter.com/FrauKreis/status/884373014388846592

Als Ausgangslage möchte ich also eine von mir erlebte Gleichwertigkeit des digitalen und des persönlichen Gesprächs nehmen. Nun habe ich kürzlich ein Chat-Gespräch geführt, bei dem mein Gegenüber zwei kritische Anmerkungen gemacht hat:

  1. Ich solle mehr Signale aussenden, die aktives Zuhören ausdrücken.
  2. Es sei sinnvoll, längere Gesprächsturns zuzulassen, und dann aktiv die Rolle des oder der Sprechenden zu verlassen, statt sofort zu reagieren.

Diese Kritik hat mich fasziniert, weil sie mir neue Aspekte des digitalen Gesprächs aufgezeigt haben, über die ich bisher noch nicht nachgedacht habe.

Ein guter Startpunkt ist die Möglichkeit der Gleichzeitigkeit – während andere sich äußern, könnte ich mich digital auch äußern. Tue ich das, dann opfere ich aber einen Teil des Prozesses des Zuhörens und damit auch die Aspekte, die nach Rogers »aktives Zuhören« heißen: mich auf das Gegenüber einlassen und konzentrieren, seine Gefühle erschließen, Geduld haben und üben, auf die eigenen Gefühle achten. Das gelingt primär durch Körperhaltung und Mimik, durch Blickkontakt und kurze Äußerungen.

Übertragen auf digitale Kontexte hieße das, Multitasking bewusst unterlassen, also nicht dann, wenn im Gespräch längere Äußerungen verfasst werden, Tabs oder Apps wechseln, um dann zu antworten, sondern sich Zeit zu nehmen und eben geduldig zu sein. Ziel wäre es (das steht im einleitenden Zitat), durch Routine die Fähigkeit zur echten Empathie zu erlangen.

Erste Äußerungen sollten kurze Bestätigungen des eigenen Zuhörens und Verstehens sein, auch nachfragen ist wichtig – alles was den Eindruck erzeugt, dass sich jemand bemüht, zu verstehen, was ausgedrückt werden soll.

In der Reflexion dieser Zusammenhänge wurde mir auch deutlich, wie selten in Online-Gesprächen Dialoge geplant werden: Bei komplexen Gesprächen ist es face to face üblich, kurz festzuhalten, wie das Gespräch verlaufen soll, wer welche Rolle einnimmt. Das dürfte auch digital eine hilfreiche Strategie sein – ohne das Chats deswegen komplett steif und künstlich verlaufen müssen. Klären könnte man:

  1. Ob und wie Gesprächsbeiträge auf mehrere Bubbles/Abschnitte aufgeteilt werden.
  2. Wie Rollenwechsel (schreiben/zuhören) angekündigt und durchgeführt werden.
  3. Welche Erwartungen man an das Zuhören des Gegenübers hat.
  4. Wie mit verschiedenen Gesprächssträngen umgegangen werden soll, also etwa mehreren thematischen Schichten, die im digitalen Gespräch parallel verlaufen können (etwa Einsatz von Klammern etc.)
  5. Welche Ansprüche an die Präsenz der anderen Person gestellt werden (also läuft das Gespräch synchron oder diachron, und in welchem Rhythmus).

Im Idealfall arbeitet man so an der eigenen Empathie, an der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Der Gefahr, abzustumpfen, andere zu ignorieren, sich im Netz selbst zu spiegeln, kann so etwas entgegengestellt werden.

Habt ihr weitere Tipps, wie aktives Zuhören im Netz gelingen kann? Die Kommentare sind offen. Danke.

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