Kürzlich war ich an einer Weiterbildung zur Früherkennung von psychischen Problem bei Schüler*innen. Wir haben geübt, wie man Gespräche mit Jugendlichen führt, in denen sie bereit sind, von sich zu erzählen, Hintergründe aktueller Schwierigkeiten zu erläutern – damit eine Früherkennung von Problemen möglich wird, für die dann Fachpersonen zugezogen werden können.
Dabei habe ich angemerkt, dass ich Gespräche oft nicht direkt face-to-face führe, sondern den ersten Kontakt asynchron über einen Chat herstelle. Das hat bei einigen Kolleg*innen Verwunderung ausgelöst, weshalb ich kurz dokumentieren möchte, wie ich das mache und weshalb.
- Chats begleiten fast alle Freundschaften und Beziehungen, die ich pflege. Sie helfen dabei, auch ohne direkten Kontakt im Gespräch zu bleiben, Themen aktiv zu halten und Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Pädagogisch geht es mir darum zu zeigen, dass ich mich für das Wohlbefinden von Schüler*innen interessiere und ihnen zuhöre.
- Wenn mir Schüler*innen im Unterricht auffallen (das kann positiv oder negativ sein), dann schreibe ich Ihnen eine kurze Nachricht, frage wie’s geht oder drücke aus, was ich wahrgenommen habe.
- Das ist dann für mich auch eine Interaktion, die ich archivieren kann. Melde ich mich das nächste Mal, sehe ich, worüber wir uns schon unterhalten haben im Chat, wie lange das her war etc.
- Oft ergeben sich digitale Gespräche, bei denen ich danach besser verstehe, weshalb Schüler*innen sich im Unterricht so verhalten, wie sie es tun. Sobald es aber um Lernschwierigkeiten, persönliche Probleme etc. geht, vereinbare ich mit ihnen einen Termin für ein direktes Gespräch. Letztlich handelt es sich also um eine hybride Methode: Ich äußere Wahrnehmungen auch direkt im Schulzimmer.
- Chats erlauben mir, so Kontakt aufzunehmen, dass
a) niemand anderes das mitbekommt (das bedeutet aber auch, dass ich enorm gut auf Grenzen achten muss, die nicht überschritten werden dürfen)
b) die Schüler*innen die Freiheit haben, wie und wann sie darauf reagieren möchten
c) Konversationen ohne körperliche Anwesenheit möglich sind (ich schaue die Schüler*innen nicht an)
d) keine Termine vereinbart werden müssen, sondern ein Gespräch auch über Tage nebenher laufen kann.
Aus diesen Gründen sehe ich eine wichtige pädagogische Funktion in Chat-Gesprächen. Das bedingt aber, dass Techniken wie digitales aktives Zuhören eingeübt und erprobt werden.