Social-Media-Fallstudien als Lernmethode

Die Fallstudiendidaktik hat in den Wirtschaftswissenschaften ausgehend von Harvard eine längere Tradition. Die Methode lässt sich leicht auf andere Konzepte adaptieren – Kyburz-Graber und Brugger haben sie etwa für die Lehrerbildung fruchtbar gemacht. In diesem Beitrag möchte ich vorschlagen, sie für einen medienpädagogischen Kontext zu nutzen.

Zunächst ein Abriss des Vorgehens, dann ein Beispiel und eine kurze Reflexion:

  1. Ein echter Fall aus dem Alltag oder dem Erfahrungshorizont der Jugendlichen wird ausgewählt. »Der Fall soll herausfordern und Interesse wecken«, heißt es bei Kyburz-Graber/Brugger (S. 14).
  2. Er wird mit möglichst umfassendem Material dokumentiert (es ist denkbar, dass hier auch Rechercheaufgaben von Lernenden übernommen werden): Situationsbeschreibungen, Fakten, Meinungen, Ansichten von Fachleuten, Vorschläge zum Vorgehen, Erwartungen an eine Lösung.
  3. Lösungsbeschreibungen können Teil der Dokumentation sein, müssten dann aber kritisch beurteilt werden: Üblich ist es, die Lernenden Lösungen vorschlagen zu lassen.

Es geht letztlich nicht nur um den Fall, sondern auch um Wertekonflikte, die in einer komplexe Situation angesiedelt sind. Deshalb darf die Situation nicht didaktisch reduziert werden, sondern muss den Jugendlichen zugemutet werden:

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Als Beispiel kann der Konflikt von zwei Studentinnen in den USA genommen werden:  Die eine hat sich über Twitter mehrmals über ihre Mitbewohnerin beschwert, ohne diese namentlich zu nennen. Darauf hat die Mitbewohnerin die Tweets ausgedruckt und an der Universität ausgehängt. In den Unterkünften gibt es Ansprechpersonen, die Konflikte schlichten. Die Schülerinnen und Schüler könnten in diesem Beispiel in ihre Rolle schlüpfen und eine Lösung für das Problem vorschlagen.

Was lernen Schülerinnen und Schüler dabei? Neben dem Analysieren von Probleme, dem Sammeln und Auswerten von Informationen um dem begründeten Eintreten auf Lösungsvarianten lernen sie »kreative Problemlösekompetenz«, wie es bei Matzler et al. heißt (S. 243):

Dabei lernen die Studierenden nicht nur den Umgang mit Annahmen und das Ziehen von Schlussfolgerungen. Sie lernen auch das aktive Zuhören und Verstehen anderer Sichtweisen, im Idealfall mündet der Umfang mit Fallstudien in der Entwicklung von Fähigkeiten, die unter einem Begriff zusammengefasst werden können: kreative Problemlösungskompetenz.

Die Methode der Fallstudie bietet sich für eine Auseinandersetzung mit Social Media aus zwei Gründen im besonderen Maße an:

  1. So können relevante Entscheidungen in einem realistischen Setting reflektiert werden, die für die Lernenden eine klare Bedeutung haben.
  2. Der Unterricht lässt sich dadurch aktuell halten, er kann Schritt halten mit der Dynamik der Entwicklung in sozialen Netzwerken.

Es handelt sich um eine Gegenposition zu den Bildverbreitungsexperimenten, die es neu auch für Snapchat gibt – wo Lehrende Effekte vorführen, die für Jugendliche nicht replizierbar sind.

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Diese Lehrerin hat ein Snapchatbild ihrer Klasse mit einem Screenshot erfasst und auf Facebook darum gebeten, es solle so oft wie möglich geteilt werden.

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