Die Google-Phobie

Letzte Woche besuchte ich die EDU-ICT-Tagung 2016, welche die Fachstelle für Bildung und ICT des Kantons Zürich jährlich durchführt. Im praktischen Schlussteil hat diese Fachstelle den anwesenden Verantwortlichen Tipps mitgegeben, wie die digitale Transformationen an Schulen zu schaffen wäre. Einer davon lautete paraphrasiert ungefähr so:

Wenn Sie Ärger vermeiden wollen, verzichten Sie auf Tools von Google. Nicht, weil diese problematisch wären – sondern weil dann die Leute, welche nicht digital arbeiten wollen, einen Aufhänger finden, mit dem sie den Prozess blockieren können.

Google ist Schlüsselbestandteil eines »digitalen Verhinderungsdiskurses«. Wir kennen ihn alle – privat oder beruflich gibt es immer diejenigen oder derjenige, die mit Google und oder Facebook nichts zu tun haben wollen und damit eine bequeme Lösung verhindern. Dagegen hat Microsoft durch den Educa-Rahmenvertrag die Voraussetzungen geschaffen hat, dass Schweizer Schulen die angebotenen Produkte umfassend nutzen. Mit Microsoft haben Herr und Frau Schweizer Frieden geschlossen: Findet man nicht großartig, kann man aber brauchen. Google hingegen ist eine bösartige »Krake« – mit oder ohne antisemitischen Untertönen.

Das ist zwar einerseits nachvollziehbar – Microsoft hat sich die Mühe gemacht, sie auf die rechtlichen Anforderungen einzulassen. Gleichzeitig sind die Karten, der Kalender, die Tools für Zusammenarbeit und für das Erfassen und Analysieren von Daten (Google Forms, Webseitenbesuche, Goolge Ngram) in ihrer Funktionalität unerreicht. (Kathrin Passig hat etwas kürzlich Google Docs verwendet, um kollaborativ über kollaboratives Schreiben nachzudenken.) Auch die Usability von Google-Produkten ist anderen oft überlegen.

Kurz: Schulen in der Schweiz verzichten im Moment auf die besten Produkte (welche Schülerinnen und Schüler selbstverständlich nutzen), um Konflikte zu vermeiden und keinen Anlass für Kritik zu bieten. Aus Überzeugung verzichten wenige auf Google-Produkte. Wer im Netz (mit Lernenden) Daten generiert, hat dafür eine Verantwortung. Sie müssen auf verschiedene Arten geschützt werden: Gegen unbefugte Zugriffe und gegen unbefugte Auswertung. Dass Google hier an den einen Pol gesetzt wird, ist ungerechtfertigt: Google kann Daten gut auswerten, aber auch gut schützen. Die verbreitete Vorstellung, Google würde Daten z.B. aus Google Classroom »verkaufen«, ist unbelegt.

Das ist hier ist keine Google-Werbung: Wer andere Tools vorzieht, kann verwenden, was er oder sie will. Mir geht es darum, wie leicht sich Prozesse durch Nebensächlichkeiten behindern lassen. Das dürfte sich auf Schulentwicklung generell anwenden lassen, vielleicht auf Change Management im Allgemeinen: Befindlichkeiten oft kleiner Gruppen reichen aus, damit Umsetzungen verhindert werden. Das ist eine Realität, der kaum beizukommen ist.

google-evil

 

 

10 Kommentare

  1. brueedi sagt:

    „Letztlich fallen die digitalen Transformationsprozesse im organisatorisch-administrativen Bereich in die Zuständigkeit der Schulleitung und müssen von ihr durchgesetzt werden. Dies ist auf der Unterrichtsebene mit diesem klaren Anspruch nicht möglich.“

    Die Schulleitungen müssen „… die digitalen Transformationsprozesse im organisatorisch-administrativen Bereich …“ NICHT durchsetzen. Sie haben sie längst durchgesetzt. Es gibt wohl kaum mehr eine Schule, welche diese Forderung nicht längst durchgesetzt hat. Oder werden irgendwo im Land Zeugnisse noch von Hand geschrieben?

    Bedenklicher finde ich die Aussage:
    „Dies ist auf der Unterrichtsebene mit diesem klaren Anspruch nicht möglich.“
    Selbstverständlich ist dies längst möglich. Wenn die Schulleitung von ihren LehrerInnen kooperatives Lernen in digitalen Lernräumen fordert und dazu Multi User Blog Systeme und webbasierte Offices bereit hält, müssen diese Kooperationen von den LehrerInnen nachgewiesen werden. Seit 10 Jahren bilden die PHs die LehrInnen darin aus. Diese geben ihr Können gern ihren älteren KollegInnen weiter.

  2. brueedi sagt:

    Aber höchstvermutlich (und damit wohl auch leider) hast du recht. In der Medienbildung geht es wohl nicht um das Bilden von Medien – und im digitalen Lernen wohl nicht um Anwenderkompetenzen. Es wird ja hochschulseitig immer wieder betont, dass Medienbildung und digitales Lernen viel mehr sei als Handwerk, Technik und Anwenderkompetenzen.

    Einschätzungen gegenüber Google, wie sie von den Leuten der Fachstelle anlässlich der Tagung gemacht worden sind, beruhen auf der Tatsache, dass diese Leute vielleicht sehr viel wissen über Google, dessen/deren Dienste, Möglichkeiten und Gefahren. Was den Leuten aber fehlt, ist die alltägliche und tatsächliche Anwendung der Dienste. Daher verwechseln sie immer wieder die bildungsrelevanten mit den bildungs-irelevanten Informationen in der Schule. Oder einfacher: Sie verwechseln die Noten, Religionszugehörigkeit usw. mit den Aufsätzen, Hörbeispieln, Präsentationen, math. Kurvendiskussionen, Videobotschaften, … der SchülerInnen.

    Und dass die SchülerInnen (ich rede einmal mehr von den SekschülerInnen der Klassen 7 bis und mit 9) Google ausser der einfachen Suche NICHT kennen, ist eine von mir über die letzten 10 Jahre gemachte Erfahrung. Wobei ich beifügen muss, dass ich als ehemaliger Fachlehrer eine schon fast repräsentative Einschätzung machen darf. Von den schier unzähligen SchülerInnen der letzten 6 Jahre haben resp. hatten maximal deren 5 (fünf) ein Google-Konto.

    Irgendwann einmal akzeptiere ich, dass es den wesentlichen Leuten in der digitalen Bildung eigentlich nur um die Selbstunterhaltung geht.

    1. Es dürfte klar sein, dass es in diesem Kontext um die Kommunikation im Kollegium ging. Und, das füge ich gerne hinzu, um eine äußerst praktische Frage: Wie bereitet man Schulkonferenzen digital vor und nach.

      1. René Moser sagt:

        Danke für die Präzisierung bezüglich dem Inhalt des Referats. Dein Artikel bringt meine Ausführungen – mit dieser Ergänzung – wirklich hervorragende auf den Punkt. Deinem Fazit «Mir geht es darum, wie leicht sich Prozesse durch Nebensächlichkeiten behindern lassen. Das dürfte sich auf Schulentwicklung generell anwenden lassen, vielleicht auf Change Management im Allgemeinen: Befindlichkeiten oft kleiner Gruppen reichen aus, damit Umsetzungen verhindert werden. Das ist eine Realität, der kaum beizukommen ist.» stimme ich vollumfänglich zu. Ein Ausweg wird eine sorgfältig geplante Einführungsphase sein, in der diese Bedenken proaktiv angesprochen und diskutiert werden.
        Letztlich fallen die digitalen Transformationsprozesse im organisatorisch-administrativen Bereich in die Zuständigkeit der Schulleitung und müssen von ihr durchgesetzt werden. Dies ist auf der Unterrichtsebene mit diesem klaren Anspruch nicht möglich.

        Wir von der Fachstelle nutzen in der Zusammenarbeit mit anderen ICT-Fachstellen, Vertreterinnen und Vertretern des Schulfeldes und mit weiteren Fachpersonen sowohl google docs, wie auch Evernote, Office365, unser Fachstellen-Wiki und auch andere Web2.0 Dienste mit Freude und Erfolg. Wir wählen den Dienst jedoch bewusst aus. Dabei spielt der Umfang des Projektes, die Anzahl der beteiligten Personen und die darauf zu veröffentlichenden Daten eine Rolle. Bei der Projektlancierung kommunizieren und begründen wir unsere Wahl und benennen die Vorteile der Lösung. Dieses Vorgehen hat sich allen Projekten bewährt und darf durchaus nachgeahmt werden;-)

  3. brueedi sagt:

    Abgesehen davon, dass die SchülerInnen (ich rede von den VolksschülerInnen resp. den SchülerInnen der Sekundarstufe I) ausser dem einfachen Suchdienst die Google Produkte selbstverständlich NICHT nutzen), wird mir durch diesen Beitrag bewusst, wie gut ich entschieden habe, diese Tagung nicht zu besuchen. Ich hätte die Leute der Fachstelle rundheraus gefragt, ob sie überhaupt wüssten, von was sie sprechen. Ob sie über irgend eine praktische Erfahrung in der Anwendung vorweisen könnten. Und das wäre sehr unanständig gewesen. Und ich will nicht unanständig sein.

    1. Darum geht es überhaupt nicht. Natürlich haben und hatten viele der Anwesenden Erfahrungen mit Google Tools.

      1. Beat Rüedi sagt:

        Ich habe nicht von „viele der Anwesenden“, sondern den Leuten der Fachstelle gesprochen, die ich übrigens ziemlich gut kenne. Darum habe ich mir auch diese Einschätzung erlaubt.
        Selbstverständlich geht es auch im digitalen Lernen immer um die Anwendungskompetenzen – um was denn sonst. Gerade so, wie es in der Bildung immer zuerst ums Lesen und Schreiben geht. Es gibt einfach ein Grundhandwerk, um das man nicht herum kommt – auch nicht im digitalen Lernen.

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