An meiner Schule läuft seit zwei Wochen ein Info-Kanal auf Youtube. In dieser Beschreibung erkläre ich, wie es dazu kam, wie das Projekt umgesetzt worden ist und welche Fragen noch offen sind. Erarbeitet habe ich das Konzept zusammen mit Gerald Knöß und Paul Zübli, beide sind auch bei seiner Umsetzung dabei.
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Die Idee, Youtube praktisch für Schulinformationen einzusetzen, speist sich aus drei Quellen: Aus der veränderten Bedeutung von Medienkompetenz, der Vermittlung von Informationen an Jugendliche und der schulischen Öffentlichkeitsarbeit. Diese drei Aspekte werden zunächst kurz besprochen, bevor das eigentliche Projekt skizziert wird.
(1) Die Bedeutung von Youtube für Jugendliche
Youtube hat für Jugendliche das Fernsehen weitgehend ersetzt. Als Tatsache ist das weder Grund für große Begeisterung noch für Kulturpessimismus: Youtube steht zwar allen offen und lädt zu kreativen Experimenten ein, die große Reichweite erzielen aber kommerzielle Angebote, die teilweise wie das Privatfernsehen auch perfide Strategien einsetzen. Youtube ist nicht per se authentischer als eine Fernsehproduktion, sondern grundsätzlich durch andere Praktiken des Medienkonsum und eine unterschiedliche Rhythmisierung geprägt.
Die Gründe für den Erfolg von Youtube liegen in ästhetischen Verfahren wie auch in der konsequenten Ausrichtung auf mobile Geräte. Jugendliche Youtube-Stars liefern für alle erdenklichen Nischen Infotainment, das Jugendliche auf ihren Smartphones abrufen. Hierzu ist eine hohe Medienkompetenz erforderlich, die teilweise informell erworben, kaum aber schulisch vermittelt wird. Der Aufbau entsprechender Kompetenz geschieht wirkungsvoll über praktische Projekte, die in geeigneten Gefässen reflektiert werden. Wer selber Medieninhalte herstellen kann, versteht, welche Codes und Verfahren bedeutsam sind.
(2) Informationsvermittlung an Jugendliche
Das Dilemma der WhatsApp-Kommunikation an Schulen besagt Folgendes: Definieren Schulen Informationskanäle wie E-Mail, Rundtelefon etc., dann organisieren sich Klassen in WhatsApp und verbreiten Informationen indirekt weiter. Sowohl das Bestehen auf offiziellen Verfahren wie auch der Wechsel zu den Praktiken der Jugendlichen ist nicht ganz befriedigend.
Analog: Informationen, die auf einer Webseite oder in einem Intranet abgerufen werden müssen, werden nur von wenigen systematisch zur Kenntnis genommen. Was wäre hier die WhatsApp-Alternative? Youtube. Die Überlegung besteht darin, dass Jugendliche eher eine unterhaltsame, knapp 5-minütige Sendung schauen, als regelmäßig eine Webseite einzusehen – weil sich die Youtube-Nutzung mit der Alltagskommunikation besser kombinieren lässt.
(3) Öffentlichkeitsarbeit von Schulen
Über Öffentlichkeitsarbeit von Schulen unter den Bedingungen der Digitalisierung lässt sich viel schreiben (hier zwei Aufsätze von mir dazu – 1, 2). Letztlich hat sie sich von einem zentralen Schulnetzwerk auf die persönlichen Netzwerke aller an einer Schule Beteiligten verlagert. Auf Social Media wirkt nicht hauptsächlich das offizielle Profil, sondern persönliche Profile von Lehrkräften und Lernenden, die sich mit der Schule identifizieren. Dafür braucht es entsprechende Inhalte. Während Lehrkräfte die Produktion von Bildern und Texten selbst an die Hand nehmen können, sind Videoproduktionen zu aufwändig und anspruchsvoll. Hier eine Schülerredaktion einzusetzen, die mit der Ästhetik von Jugendlichen einen Blick auf die Schule werfen, löst ein zentrales Problem.
(4) Das Projekt
Für den Betrieb des Kanals ist eine Klasse mit einem entsprechenden Schwerpunkt verantwortlich (Medienkunde respektive »Akzentfach Die digitalisierte Gesellschaft und ihre Medien«). Sie verfügen pro Woche über einen Block von drei Lektionen.
Es ist kaum möglich, dass eine ganze Klasse in drei Lektionen so zusammenarbeitet, dass eine Sendung entstehen kann. Aus diesen Gründen wurde die Klasse in drei Gruppen geteilt – jede von ihnen ist nun im Abstand von drei Wochen für eine Sendung zuständig.
Innerhalb der Gruppe müssen die Verantwortlichkeiten geklärt werden: Wer filmt, wer schneidet, wer arbeitet redaktionell, wer moderiert? Die Planung der Beiträge erfordert eine hohe Teamfähigkeit. Die Gruppen werden von uns Lehrpersonen begleitet, aber nicht angeleitet: Wir erklären weder Schneideprogramme noch Youtube, die Kamera stellen wir zur Verfügung, wir lesen aber nicht die Bedienungsanleitung vor. Die Schülerinnen und Schüler lernen praktisch und an Problemen, die sie lösen. Man kann jedoch bei 16- und 17-jährigen Schülerinnen und Schülern davon ausgehen, dass sie schon einiges über eine Videoproduktion wissen und Youtube-Mechanismen verstehen. Gleichwohl bieten sich kleinere Vorübungen und eine sorgfältige Einführung ins Projekt an. Als Lehrperson sollte man technisch kompetent genug sein, um unter ähnlichen Bedingungen ähnliche Resultate liefern zu können (man müsste also selber einen Youtube-Kanal betreiben können).
Wir sichten die Sendungen jeweils, aber nur um die Verantwortung gegenüber der Schule wahrnehmen zu können, nicht aus Gründen der Qualitätssicherung. Die erfolgt durch Feedbackgespräche in der Gruppe, externe Feedbacks und eigene Reflexion.
(5) Offene Fragen
Das Projekt läuft und wir beobachten es. Vieles ist unklar bzw. nicht abschließend gelöst – das macht den Unterricht für uns Lehrpersonen interessant, fordert uns aber auch heraus. Hier einige Aspekte:
- Wie kann eine gute Balance zwischen Unterhaltung und Information, zwischen Spaß und Ernst erreicht werden?
- Wie können Gruppen Beiträge gestalten, mit denen sie selbst zufrieden sind, ohne enorm viel Zeit zu investieren?
- Wie können wir eine konstante Begleitung und Betreuung anbieten, ohne in einen einschränkenden Überwachungsmodus zu verfallen?
- Wie kann die Klasse ein konstantes, interessiertes Publikum aufbauen?
- Wie bringen wir die Gruppen dazu, »bessere« Beiträge zu erstellen, ohne dass die Beiträge von unseren Vorstellungen geprägt sind?
- Wie kann die erbrachte Leistung fair, sinnvoll und transparent erfasst werden? (Wir arbeiten generell mit Kompetenzraster, aber welche Kompetenzen sollten da drinstehen?)
Wir möchten gerne nach den ersten paar Beiträge externe Fachleute einladen, um ein Feedback zu geben. Gleichzeitig soll Selbstkritik nicht lähmende Ausmasse annehmen, die Produktion von gehaltvollen Beiträgen hat Vorrang.
Erstens würde ich sehr gern meinen Senf zu den Produktionen geben, zweitens empfehle ich, bald einmal einen Greenscreen einzurichten – und drittens rate ich davon ab, Lehrpersonen zu parodieren: Entweder werden die Parodien wahnsinnig gut (ist unglaublich schwierig) oder einfach nur peinlich – oder noch schlimmer: sie animieren den Zuschauer, sich über die Lehrperson lustig zu machen – und dafür gibts ja bereits DGST
Für Senf gibt’s hier Platz – oder auf YouTube. Der Greenscreen ist im Einsatz – nur genau hinsehen!
Offensichtlich ist der Hintergrund im Park Greenscreen. Mein Hinweis ist aus dem Kontext der Tonqualität entstanden. Nichts desto trotz: gut gemacht – habs nicht gemerkt.
Ohne irgendwelche fremde Hilfen sind schon die ersten Filme bereits von meisterhafter Qualität – ohne, dass ich dies wirklich beurteilen könnte.