Google Glass führt zu einer besseren Welt

Bildschirmfoto 2013-06-27 um 20.23.15Das ist Google Glass. Eine Brille mit einem Computer drin, ein Smartphone, das sich an den Kopf schnallen lässt. Und so fühlt es sich an:

Die problematischen Implikationen werden schnell klar: Während wir heute noch bemerken, wenn jemand das Handy zückt um unser Bild aufzunehmen, wissen wir das bei Menschen mit einem Brillensmartphone nicht mehr. »People who wear Google Glass in public are assholes«, befand Adrien Chen im März, den Begriff »Glasshole« für eine Person, die keine Rücksicht auf andere nimmt, gibts schon seit dem Januar dieses Jahres.

Google Glass führt also zu einer Welt, in der alles, was passiert, von jemandem aufgenommen werden kann und in einem völlig anderen Kontext weiterverwendet kann. Wir wissen nie, wann wir abgehört, gefilmt, fotografiert werden.

Aber, könnte man hier einwenden: Das wissen wir heute schon nicht. Amerikanische Städte werden zunehmend flächendeckend mit Mikrofonen ausgestattet, um präventiv Verbrechen verhindern zu können. Mehr und mehr Kameras überwachen öffentliche Verkehrsmittel, Strassen, Plätze, Geschäfte.

Überwachung, so würde ich axiomatisch festhalten, ist immer dann ein Problem, wenn sie nicht allen möglich ist. Unsere Sinne ermöglichen auch Überwachung: Aber alle nicht-behinderten Menschen haben Zugang zu denselben Möglichkeiten.

Google Glass gibt uns Möglichkeiten zurück. Natürlich: Zunächst privilegierten Männern, später dann denen, die es sich leisten können. Wenn wir alle die gleichen Möglichkeiten hätten, Kameras zu nutzen, so meine These, würden sie viel von ihrem Schrecken verlieren.

(Den Einwand, die Betreiber von CCTV-Kameras würden verantwortlich oder im Sinne des Rechts handeln, während bei Menschen mit Glass das nicht der Fall ist, halte ich für schwach.)

Banksy: One Nation under CCTV.
Banksy: One Nation under CCTV.

7 Kommentare

  1. florian sagt:

    Siehe auch David Brin, „The transparent society“.

    Im Grunde ist das so eine Art „Mutually assured destruction“ Argument – alle können sich gegenseitig überwachen, und da jeder etwas zu verbergen habe, werden alle schön stillhalten, damit die Gegenseite nicht ihre schmutzige Wäsche an die Öffentlichkeit zerrt.

    Wird aber nicht klappen, da weniger privilegierte Gruppen immer noch mehr zu verbergen und mehr zu verlieren haben.

    1. Natürlich wird sich das Problem der Privilegien so nicht lösen lassen. Es gehr hier nicht um eine Überlegung, wie eine ideale Welt aussieht, sondern ob es sinnvoll sein kann, Kameras grundsätzlich überall zu haben, die von Privaten bedient werden… 

      1. Anonymous sagt:

        Eine Abwägung zwischen Pest und Cholera ist im Fall Google Glass m.E. nicht notwendig. Bei irgendwelchen Übergriffen oder Ereignissen zückt ohnehin jeder sein Smartphone, filmt drauf los und stellt es auf Facebook oder YouTube. Selber erlebt.

        Und wenn sich ein Misstand nicht aufhalten lässt, wie du schreibst, soll man ihn mit dem hypen solcher Produkte beschleunigen?

        Ob es den Menschen hilft, wenn neben dem Staat Privatpersonen einen „Jekami-Geheimdienst“ aufbauen, ist die Gretchenfrage.

  2. Mik Schaer sagt:

    Lieber Philippe

    Bei deinem Titel fehlt das Fragezeichen. Dass in Städten zunehmends Kameras aufgestellt werden, soll Google Glass legitimieren? Wenn der Staat oder eine Gruppe etwas Unrechtes tut, dann machen wir das auch? Soll man die Brille auch noch in der Sauna tragen und andere Leute wegen ihrer Problemzonen diffamieren? Auf eine Antwort darauf wäre ich gespannt.

    Selbst Handys für 30 Franken haben eine eingebaute Kamera, die diesem Spielzeug mindestens ebenbürtig ist – mit einer Akkulaufzeit, die mindestens 10 Mal länger ist. Weshalb filmen dann die Leute nicht einfach DAMIT drauf los? Weil sie die Konfrontation fürchten! Der Begriff »Glasshole« fasst das Produkt also in einem Wort treffend zusammen.

    1. Du denkst jetzt von den Übergriffigen aus, die andere diffamieren wollen. Was aber mit denen, die von Übergriffen betroffen sind? Könnte es ihnen nicht helfen, sowas dokumentieren zu können?
      Ich glaube, die Durchdringung unserer Welt mit Kameras lässt sich nicht aufhalten. Die Frage ist nur, wer Zugriff auf die Bilder hat und wer nicht.

  3. Der Vergleich hinkt nicht in Bezug auf die Strukturanalogie, sondern aus einem anderen Grund: Die Waffenlobby der Vereinigten Staaten nutzt die Argumentation des in anderen Bereichen notwendigen gleichberechtigten Zugangs aus, um den freien Zugang zu Waffen zu rechtfertigen, nach dem Motto: Bibliotheken und Buchläden gibt es schließlich auch überall. So wird ein Schuh daraus und man kann dem faktisch nichts entgegensetzen, bis auf eines: Mit einem Buch oder Google Glass ist es ungleich schwerer zu töten. Das hingegen ist mit einer halbautomatischen Schusswaffe tendenziell leichter möglich.

    Im Übrigen sehe ich das wie Philipp, abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass sich die Technik bei den derzeitigen Limitierungen in der Masse durchsetzt. Es ist noch Freakware, für Leute mit zu viel Zeit und Geld. Wahrscheinlich finden z.B. viele Frauen das Tool nicht attraktiv (Brille) und noch dazu sehr albern. Viele wird die geringe Laufzeit abschrecken (2 Stunden?!). Mir fallen im Moment einzig für den professionellen Einsatz in Lehr- und Lernkontexten sinnvollen Anwendungen ein, aber das ist kein Massenmarkt.

  4. tinuwin sagt:

    Die Gegner scharfer Waffengesetze argumentieren unter anderem so: Am besten gegen Waffenmissbrauch ist, wenn jeder bewaffnet ist, denn so kann, sollte einer die Waffe zücken, sich auch jeder wehren.
    Eine gewagte Assoziation, ich weiss, aber wenn du Google-Glass durch Pistole und CCTV durch staatliches Gewaltmonopol ersetzest, sind die Argumente überraschend ähnlich.

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