In seinem Buch »Schreiben unter Strom« stellt Stephan Porombka unter anderem die Flarf-Methode vor, um mit Google-Ergebnissen Lyrik zu erstellen. Er präsentiert ein mögliches Ergebnis (S. 28):
Ein FAZ-Artikel beleuchtet den Hintergrund der Flarf-Bewegung:
Von nun an ging es [Gary Sullivan] darum, möglichst lustige, politisch inkorrekte, subversive, unflätige, anzügliche – irgendwie jedenfalls unpassende Gedichte zu schreiben. Die Clique seiner Dichterkollegen in New York hielt das für eine zeitgemäße Idee (es war die Bush-Ära) und schloss sich an. Wer von ihnen auf den Namen „Flarf“ kam, weiß Sullivan nicht mehr, aber er definiert es folgendermaßen: „Flarf besitzt die Eigenschaft des Flarfigen.“ Im März 2001 richten sich die Flarfisten eine Mailingliste ein und beginnen, Gedichte hin und her zu schicken, die aus Versatzstücken von Google-Suchergebnissen bestehen.
„Ich google zwei disparate Suchbegriffe, beispielsweise ,Latex‘ und ,Michael Jackson’“, sagt Sharon Mesmer, ebenfalls Flarf-Dichterin, studierte Philologin, Anfang vierzig, die hauptberuflich Kreatives Schreiben an der New School in New York unterrichtet. „Dann kopiere ich einige Textstücke aus der Ergebnisliste von Google in ein Word-Dokument und bearbeite sie, arrangiere um, denke mir Sätze aus. Das fertige Gedicht schicke ich an die Flarf-Mailingliste.“
Dort wird es dann von den anderen Dichtern weiterbearbeitet, wieder gegoogelt und so fort. Das Gedicht ist also nie fertig. Insofern hat der Werkbegriff der Flarf-Leute etwas Vorneuzeitliches. Sie sind wie im Mittelalter eher Redakteure und Kopisten denn Autoren, ihre Texte durchlaufen viele verschiedene Stadien. Es existieren gleichwertige Varianten, aber kein Original. Denn man stützt sich ja immer schon auf kopierte Bruchstücke aus Ergebnislisten – und deren Autoren sind sowieso unauffindbar.
Ich habe daraus ein Anleitung für den Unterricht gemacht, die man hier als pdf runterladen kann.
Gewählt habe ich – aus aktuellem Anlass – die Begriffe »Wien«, »Februar« und »Schreiben«; diese gegooglet und dann eine der hinteren Ergebnisseiten gewählt. Daraus habe ich dann je drei interessante Sätze rauskopiert, aus denen sich dann ein Gedicht erstellen lässt.
Die Aufgabenstellung lautet konkret wie folgt:
- Schreiben Sie ein Gedicht, das sich als SMS oder Tweet versenden lässt, d.h. es darf inkl. Leerzeichen nicht länger als 160 oder 140 Zeichen sein.
- Gehen Sie wie folgt vor:
a) wählen Sie interessante Wörter oder Sätze aus
b) arrangieren Sie sie
c) schleifen Sie (Satzeichen, Einfügen von Partikeln etc.) - (freiwillig)
Publizieren Sie das Gedicht, indem Sie es jemandem schicken oder es auf Facebook oder Twitter veröffentlichen.
Interessanter wird das Ganze, wenn als Vorlage nicht Google-Ergebnisse, sondern die SMS, Tweets oder Facebook-Statusnachrichten von anderen Personen genommen werden, die dann – als eine Art Rückmeldung – ein Gedicht erhalten.
Fand ich auch 🙂 Naja, es war «blind» geschrieben – digitaler Dadaismus sozusagen.
Hallo Philippe. Ich bin durch Zufall auf deinen Blog gestossen – irgendwann vor ein paar Wochen. Inzwischen bin ich eingenommen von deiner Begeisterungsfähigkeit für Dinge, deren Namen ich noch nie gehört habe (Flarf?) und wie du diese für deinen Unterricht umsetzt. Auf deine Studentinnen und Studenten bin ich wirklich neidisch. Übrigens hat mir ein Freund letzthin ein Gedicht geschickt, das er mit der SMS- Rechtschreibeprüfung geschrieben hat (blind geschrieben und die vorgeschlagenen Wörter angenommen).
Spasseshalber schicke ich dir das hier weiter:
«Hundekuchen Großbürger höfischstes Zuckerschale Feld hechtend Hosenanzug Hicks dahockt Disneys gehe Süd Grosse Download Census»
Hehe 🙂
Vielen Dank!
Herzlich, Jasmine
Danke – das freut mich! Was für eine großartige Idee, das Korrekturgedicht, frage mich grad, was das im Original hätte heißen können…