In Bezug auf die Messung des IQ, des Intelligenzquotienten, gibt es eine einschlägige Formulierung: »Intelligenz ist, was Intelligenztests messen« (etwas genauer hier nachlesbar). In Bezug auf soziale Netzwerke ist Einfluss das, was der Klout-Score misst. Damit sind zwei Dinge gesagt:
- Was der Klout-Score misst, lässt sich nicht unabhängig vom Klout-Mechanismus formulieren.
- Einfluss in sozialen Netzwerken ist keine klar definierte und ergo auch keine messbare Größe.
Bevor ich mich frage, wozu der Einfluss überhaupt gemessen werden soll, halte ich kurz fest, was Klout ist und wie es funktioniert.
Im Mittelpunkt steht der Score. Er weist jedem Nutzer einen Wert zwischen 1 und 100 zu. Dieser Wert wird mit einer geheimen Formel berechnet, die über 400 verschiedene »Signale« (bzw. Variablen) einbezieht. Dazu gehören die Anzahl der Facebook-Freunde ebenso wie die Häufigkeit, mit der ein Tweet von anderen Usern weiterverbreitet wird. Klout verwendet eine Art dynamischen Berechnungsprozess, bei dem berücksichtigt wird, mit wie vielen verschiedenen Leuten man in Kontakt steht, wie intensiv man mit ihnen kommuniziert und wie themenspezifisch diese Kommunikation ist. Es ist praktisch unmöglich, den Klout-Score mit einfachen Methoden zu beeinflussen oder zu erhöhen.
Klout klassifiziert die User in Typen:
Dabei werden eigentlich nur positive Attribute verwendet. Ich bin z.B. ein »Broadcaster«, d.h. ich beteilige mich an vielen Diskussionen und verbreite oft Inhalte zu verschiedenen Themen, ohne sie selber erstellt zu haben. Die drei User ganz rechts bearbeiten Themen fokussierter als ich.
Klout formuliert selbst einige Prinzipien, die für den Klout-Score bedeutsam sind:
- Einfluss bedeutet, dass sich andere Menschen mit den verbreiteten Inhalten auseinandersetzen. Die Zahl der Verbindungen ist sekundär.
- Je mehr Netzwerke man mit Klout verknüpft, desto größer ist der eigene Klout-Score.
- Klout haben alle Menschen – auch die, die sich nie bei Klout angemeldet haben. Jede Interaktion verbessert den Klout-Score, egal mit wem.
- Klout bezieht sich nicht auf eine feste Zeit, sondern auf ein Zeitfenster von 90 Tagen, in dem kürzlich erfolgte Interaktionen stärker gewichtet werden.
- Die Klout-Berechnungen verändern sich ständig, so wurde kürzlich der Klout-Score bei vielen Usern um rund 10 erhöht.
Klout bezieht auch den »Real-World-Influence« mit ein – damit ist gemeint, wie einflussreich man auf Wikipedia erscheint. Das führt neu dazu, dass Barack Obama den höchsten Klout-Score hat (99) und Justin Bieber einen tieferen (92).
Es gibt dennoch einige generelle Hinweise, wie man den eigenen Klout-Score verbessern kann:
- Seinen Status auf Twitter oder Facebook recht häufig aktualisieren, damit Menschen darauf reagieren können.
- Sich auf ein Thema konzentrieren.
- So positiv wie möglich bleiben.
- Sich mit Leuten verbinden, die einen hohen Klout-Score haben, damit man sein Netzwerk erweitern kann.

Ein Wired-Artikel, von dem auch die oben stehende Abbildung stammt, hält fest, was die Bedeutung des Klout-Scores in den USA ist: Bei Vorstellungsgesprächen bei Berufen mit Marketing- oder Öffentlichkeitsarbeitsbezug ist der Klout-Score ein Thema und kann dazu führen, dass jemand eingestellt wird oder nicht. Zudem erhalten Menschen mit höheren Klout-Scores Vergünstigungen oder Geschenke (teilweise, ohne dass ihnen das bewusst ist: sie erhalten bessere Hotelzimmer, bessere Mietwagen und müssen am Flughafen weniger lang warten).
Der Autor des Artikels, Seth Stevenson, formuliert vier Kritikpunkte am Klout-System:
- Psychologie. Menschen reagieren emotional stark auf Bewertungen – vor allem, wenn sie so klar sind wie eine Zahl zwischen 1-100. Problematisch ist, dass diese Bewertung zudem höchst intransparent ist und unklar ist, was man genau tun müsste, um sie zu verbessern (weil das sonst alle täten).
- Bildung einer Elite. Menschen mit hohem Klout-Score werden besser behandelt, ohne das verdient zu haben.
- Zwang. Der Einfluss von Klout führt dazu, dass man mitmachen muss – weil in der Arbeitswelt eine Zahl wichtig werden kann, von deren Existenz viele Leute gar nichts wissen.
- Filterblasen. Um den Klout-Score hoch zu halten, muss man Informationen verbreiten, die andere Leute mögen und auf die sie reagieren. Das sind aber immer wieder dieselben – abweichende Meinungen und Inhalte werden bestraft.
So untersucht Stevenson Profile mit tiefen Klout-Scores und stellt fest, dass dort viel Interessantes und Authentisches verbreitet wird:
The un-Kloutiest’s thoughts, jokes, and bubbles of honest emotion felt rawer, more authentic, and blissfully oblivious to the herd. Like unloved TV shows, these people had low Nielsen ratings—no brand would ever bother to advertise on their channels. And yet, these were the people I paid the most attention to. They were unique and genuine. That may not matter to marketers, and it may not win them much Klout. But it makes them a lot more interesting.
* * *
Meine Beurteilung: Klout ist ein professionelles System. Es funktioniert und es misst, was es zu messen vorgibt – nicht den Einfluss an sich, sondern den Einfluss aus der Perspektive von Klout.
Wer professionell mit Social Media arbeitet, kommt um Klout nicht herum. Nicht als soziales Netzwerk, sondern als Bewertung der eigenen Arbeit und als Orientierung für Verbesserungen. Mehr Bedeutung darf der Klout-Score aber nicht bekommen. Menschen werden heute an vielen Orten von Algorithmen beurteilt und auf dieser Grundlage unterschiedlich behandelt – beim Mobilfunkanbieter, bei der Bank, in der Migros. Wir müssen darauf achten, dass die Funktionsweise dieser Algorithmen transparent ist. Mehr ist wohl nicht zu erreichen.
Hier noch drei Links zu diesem Thema:
- Frank Krings notiert drei Tücken, die Klout bereit hält.
- In Florida müssen Studierende an der Uni lernen, wie man einen hohen Klout-Score erhält, damit sie auch einen Job finden.
- Mat Honan, den ich hier schon erwähnt habe, versucht bei Gizmodo, einen Klout-Score zu manipulieren.
(Dieser Post wurde um 12.05 überarbeitet, danke für die Hinweise an Tania.)
Das ist mal wieder ein toller Beitrag, vielen Dank, Philippe!
Zitat von John Gruber, Daring Fireball
(Dieser Kommentar wurde von mir, phw, bearbeitet, damit klar ist, woher das Zitat stammt.)