Nico Kirch fragt im Aufruf zu einer Blogparade:
Mich interessieren Eure Visionen: Wie sieht das Lernen im Jahr 2020 aus? […]
- Wie sehen Klassen-Räume im Jahr 2020 aus?
- Welche Medien werden im Unterricht genutzt?
- Wie ist der Anteil an Frontal-Unterricht zu Gruppenarbeiten bzw. zu Web-basierten Lernformen?
- Wie sieht das Lernen nach dem Unterricht aus?
Darauf hat es schon interessante Rückmeldungen gegeben, z.B. von Monika König oder von Dörte Giebel.
Zunächst möchte ich festhalten: Ich bin davon überzeugt, dass das Lernen 2020 nicht wesentlich anders aussehen wird, als es das heute tut. Lernprozesse werden immer von den Vorstellungen früherer Generation beeinflusst und verändern sich nicht sehr schnell und selten dramatisch.
Es geht aber um meine Visionen, also um die Frage, was möglich wäre, was wünschenswert wäre, woran man sich orientieren soll.
Meine Vision geht aus von zwei zentralen Punkten:
Erstens: Das Lernen im Jahr 2020 ist ein persönliches Lernen. Gelernt wird, was interessiert, was gebraucht wird, was Lust macht, aktuell ist, unter die Haut geht. Inhaltliche Vorgaben aus Lehrplänen oder Kanon-artigen Vorstellungen sind obsolet, Fragestellungen entstehen aus Problemen und Situationen. Die Didaktik des problemorientierten Lernens oder des dialogischen Lernens wird zu einer sich natürlich anfühlenden Didaktik. Das betrifft direkt auch die oben stehenden Fragen: Die Räume, Medien und Unterrichtsformen müssen sich den Problemen anpassen. Es muss möglich sein, Fragestellungen zu entwickeln und hartnäckig nach Antworten zu suchen. Dafür muss die Infrastruktur vorhanden sein, aber auch die entsprechenden Lehrpersonen, die bereit sind, Wissensmanagement zu begleiten, zu coachen und nicht Wissen abzufüllen. Damit verschmilzt das schulische und das private Lernen, auch der Übergang vom Lern- zum Arbeitsprozess ist fließend, idealerweise würden auch Arbeitgeber verstehen, dass nur lernende Mitarbeitende produktiv und motiviert sind und Freiräume zur Verfügung stellen, in denen Lernprozesse erfolgen können.
Zweitens: Das Lernen im Jahr 2020 ist kollaborativ. Stärker als heute wird deutlich, was Henry Jenkins in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagt:
Natürlich müssen wir auch die Schulbildung stärker darauf auslegen, kollaborative Fähigkeiten zu fördern und gemeinsame Problemlösungsstrategien zu beobachten und zu bewerten. Es wird nicht mehr darum gehen, jedem Schüler die gleichen Dinge und Lösungsansätze beizubringen, sondern darum, dass jeder Verantwortung für einen Teil der Probleme übernimmt. Die Ironie dabei ist derzeit: In den gegenwärtigen Standardprüfungen gilt Kollaboration sogar als Betrug.
Man kann als Beispiel das Storytelling in Hollywood nehmen: Bei jeder Serie und jedem Film ist ein Team damit beschäftigt, eine Geschichte zu erzählen. Narrative Aufgaben werden verteilt und in komplexen Prozessen entstehen Geschichten nach Regeln, aber auch solche, die Regeln verletzen, umstossen. Es gibt ein großes Know-How, wie kreative, aber auch analytische Prozesse in Teams erledigt werden können. Dafür sind natürlich wiederum Lernräume, Medien und Lernformen nötig, die den Rahmen des heute Bekannten sprengen.
Eine Schlussbemerkung: Social Media wurden noch gar nicht erwähnt. Das ist auch nicht nötig: Social Media wird selbstverständlich sein, in dem Sinne, dass kommunikative Prozesse zwischen allen Beteiligten verlaufen müssen, dass man ein Profil von sich erstellen muss und sich mit anderen Menschen verknüpfen kann, ohne ihnen direkt begegnen zu müssen.