Ein analoges und digitales Spiel

Bildquelle.
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Mit einer meiner Klassen habe ich in diesem Semester etwas Filmgeschichte betrieben und in einer Lektion zur Repetition ein kleines Quiz veranstaltet. Das Spiel ist bekannt: Man erhält Ereignisse und muss sie chronologisch ordnen.

Mir ging es um den technikgeschichtlichen Aspekt, daher habe ich – wenn ich mich richtig erinnere – ungefähr folgende Ereignisse ausgewählt:

  1. Das erste Kino wird in der Schweiz eröffnet.
  2. Frauen dürfen in der Schweiz an einer Universität studieren.
  3. Fondue wird als Schweizer Nationalgericht betrachtet.
  4. Der erste Farbfilm wird produziert.
  5. Frauen dürfen in der Schweiz wählen und abstimmen.
  6. Die erste Schweizer Radiosendung wird ausgestrahlt.
  7. Das erste Auto wird in der Schweiz verkauft.
  8. Der erste Animationsfilm wird produziert.
  9. Der erste tragbare Fotoapparat wird hergestellt.
  10. Der erste Tonfilm wird produziert.
  11. Es gibt die heutige Schweiz mit allen Kantonen.
  12. Der erste Film mit Charlie Chaplin in einer Hauptrolle ist fertig.

Das Spiel hat drei Phasen:

  1. Die Ereignisse werden einzeln oder in kleinen Gruppen in die richtige Reihenfolge gebracht – ohne Hilfsmittel. Die Gruppen notieren ihre Ergebnisse (z.B. an der Wandtafel).
  2. Die Gruppen datieren die Ereignisse mithilfe internetfähiger Geräte (in unserem Fall Smartphones) – sinnvoll ist hier, den Gruppen jeweils nur einen Teil der Ereignisse zuzuteilen.
  3. Die Klasse stellt im Plenum eine Lösung her und vergleicht die Ergebnisse.

Reflexion

Das Spielt zeigt, wie wichtig Orientierungswissen ist, weil es uns dabei hilft, neues Wissen in bestehende Kategorien einzuordnen. Ich selber habe es erstellt, ohne eine Lösung bereitzuhalten – ich wollte während den ersten beiden Phasen einen ähnlichen Prozess erleben wie die Schülerinnen und Schüler. Natürlich waren mir einige Fallen bekannt (z.B. wurde das Käsefondue erst durch die Armeekochbücher nach dem 2. Weltkrieg als Nationalgericht wahrgenommen).

Ein wichtiger Lernprozess setzt dann aber in Phase 2 ein, weil plötzlich die Genauigkeit von Quellen und ihre Seriosität ein wichtiges Kriterium darstellt. Zudem wird deutlich, wie ungenau die Ereignisse umrissen sind: Meint z.B. ii., dass Frauen an allen oder nur an einer Universität in der Schweiz studieren dürfen? Sind alle Fächer oder nur eine Auswahl gemeint?

Dadurch wird deutlich, wie dynamisch solche historischen Prozesse sind und auch z.B. der Tonfilm viele Vorläufer kennt und das Festlegen eines ersten Tonfilms einen willkürlichen, sinnlosen Zug hat.

Das Spiel gefällt mir, weil es auch einen selbstreflexiven Zug hat: In dem Moment, in dem historische Einsichten gewonnen werden, wird die Frage gestellt, wie sinnvoll diese Einsichten wirklich sind.

»The world around you is not what it seems« – Vorstellung Ingress

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So sieht Ingress auf dem Smartphone aus.

Ingress ist ein Spiel, das sich auf Android-Geräten mit einer App spielen lässt (Google Play Store-Link). Das Spiel überlagert unsere Realität mit einer zusätzlichen Ebene des Spiel: An verschiedenen Orten gibt es so genannten Portale, die in einem ersten Schritt erobert werden können, dann verteidigt und miteinander verbunden. Auf der ganzen Welt spielen zwei Gruppen gegeneinander: Die grünen »Enlightened« gegen die blaue »Resistance«. Ziel ist es, möglichst große Felder zu erzeugen, die von verbundenen Portalen begrenzt werden.

Ingress-Spielende erkennt man daran, dass sie an bestimmten Orten intensiv auf ihr Smartphone oder Tablet schauen, dann ein paar Schritte weitergehen und dasselbe tun – das Gerät muss nämlich an einem bestimmten Ort per GPS lokalisierbar sein, damit eine Interaktion mit Portalen stattfinden kann. So kommt es oft auch zu Wanderungen durch einzelne Stadtteile, gezielte Ausfahrten oder aufwändige Umwege, um nebenbei noch gewisse Dinge mit Portalen machen zu können.

Das Portal am Marktplatz in Oerlikon.
Das Portal am Marktplatz in Oerlikon.

Spielerinnen und Spieler können maximal Level 8 erreichen. Je nach Level sind ganz andere Aktivitäten interessant, je länger man spielt, desto wichtiger wird auch die Zusammenarbeit mit anderen Spielenden. Ingress ist geschickt aufgebaut, auch wenn die Spielidee recht simpel ist und sich wenig verändert.

Neuartig ist an Ingress die Verbindung von Geocaching mit einer großen Storyline und dem Einbezug einer Unmenge von Spielenden. Zudem werden reale Welt und Spielwelt zunehmend ununterscheidbar – die virtuelle Dimension ergänzt die reale. Spielende können eigene Portale eintragen und so die Spielwelt modifizieren; während das Spiel selber dazu führt, dass viele Menschen sich an bestimmte Orte bewegen und real miteinander ins Gespräch kommen und kooperieren müssen. Es ist nicht unüblich, dass sich Ingress-Spielende in der Freizeit treffen, um Joggen oder Ausgang mit Ingress zu verbinden.

Als Beispiel sieht man hier, wie ein Team in den Ferien ein Feld erstellt hat, das ganz Korsika bedeckt. Dazu muss man wissen, dass für die drei Eckpunkte längere Vorbereitungen nötig sind, weil das Team eine bestimmte Anzahl Schlüssel dieser Portale braucht und die Portale dann auch entsprechend aufrüsten muss. Um so ein Feld zu erstellen, müssen Menschen international kooperieren, sich treffen und an dieser Vision mitarbeiten, die keinesfalls zu einem Sieg führen würde, sondern letztlich nur als Idee einen temporären Bestand in diesem Spiel hat und mit der Zeit wieder verschwinden wird.

2013-05-24