Wer sich mit diesen Erstgeborenen der digitalen Welt unterhält, der merkt allerdings schnell, dass es mit der Medienkompetenz nicht so weit her ist. Die technischen Fähigkeiten auch der Gymnasiasten beschränken sich oft aufs Wischen, Tippen, Hochladen. Schutz der Privatsphäre? Nie gehört. Einfach einen Account eröffnet, und da kommen die Fotos und Nachrichten dann eben rein. Die inhaltliche Kompetenz ist oft ebenfalls gering. Welche Fertigkeiten solide Recherche verlangt, hat sich kaum herumgesprochen. Und der Sinn von Datenschutz ist Schülern meistens unklar: Wer sollte da draufgucken außer den Freunden? Sie sind entsetzt, wenn sie hören: Wenn du da den Namen deines Vereins angibst und schreibst, dass du jetzt gleich zum Training gehst, kann jeder wissen, an welcher Straßenecke du in zehn Minuten bist.
Mit dieser Einschätzung ist Florentine Fritzen nicht alleine. So sinnvoll ihre daraus resultierende Forderung ist, »den bewussten Umgang mit den Medien zu fördern«, so diffus ist der Befund an sich.
Wie ich in einer interessante Diskussion auf Facebook schon festgehalten habe, liegt das grundsätzliche Missverständnis in der Vermischung von drei Ebenen:
- Der Mediennutzung Jugendlicher, die sich von der Erwachsener schon immer unterschieden hat und weiterhin unterscheidet.
- Dem Unterschied einer Perspektive einer analogen Medienwelt zu der einer digitalen.
- Vorhandensein oder Fehlen von Medienkompetenz.
Häufig wird aus den Punkten i. und ii. vorschnell auf iii. geschlossen, also kurz: Weil Jugendliche Medien wie Jugendliche nutzen und die Perspektive der analogen Medienwelt vertreten wird, kann man ableiten, dass Jugendlichen wichtige Kompetenzen fehlen. Im Text zeigt sich das bei »Schutz der Privatsphäre«, »inhaltliche Kompetenz«, »Recherche«, »Datenschutz«. Jugendliche gehen mit ihrer Privatsphäre und ihren Daten anders um als Erwachsene – das heißt nicht, dass sie nicht ein Bewusstsein für den Wert eines Schutzes hätten. Aber es ist für Jugendliche beispielsweise generell wichtig, von ihren Peers gesehen zu werden. Wenn ihnen Erwachsene nun vorhalten, damit könnten sie gesehen werden, dann ist das kein Einwand: Genau das beabsichtigen sie ja.
Um Medienkompetenz Jugendlicher beurteilen zu können, muss klar sein, welche Ziele sie verfolgen und welche Instrumente sie nutzen wollen. Auch in prä-digitalen Zeiten haben Jugendliche Schund gelesen: Weil sie Schund lesen wollten. Problematisch ist das dann, wenn sie denken, der Schund böte hochwertige Informationen. Das meint wohl Medienkompetenz generell: Ziele und Mittel in ein Verhältnis setzen können und bewusste Entscheide fällen.
Diese Entscheide und Ziele müssen aber nicht die von Erwachsenen sein. Während Jugendliche viele Menschen kennen lernen wollen, ist ihren Erziehenden oft das Gegenteil wichtig.
Medienkompetenz fördern Erwachsene nicht, indem sie Jugendlichen vorschreiben, wie sie was tun sollen; sondern vielmehr, indem sie mit ihnen sprechen und sie anregen, darüber nachzudenken, was sie tun, warum sie es tun und wie zufrieden sie mit den Resultaten sind. Jugendmedienschutz beginnt mit Gesprächen (und endet auch oft da), das Fördern von Medienkompetenz auch. Echtes Interesse hilft mehr als strenge Vorschriften.