Update 29. Januar: In der Diskussion dieses Artikels wurde mir klar, dass er missverständlich sein kann. Ich finde es respektlos, einem Mitarbeiter keine Möglichkeit zu einem Gespräch zu geben, wenn er eines möchte. Aber die Wahl des Kanals ist nicht per se unanständig. Die Beurteilung hängt stark davon ab, was Chef und MA vorher und nachher auch über WA kommuniziert haben.
Juristisch ist die WhatsApp-Kündigung in der Schweiz gültig. Andreas Kyriacou hat mich darauf hingewiesen, dass das bei einem Telefongespräch oft nicht der Fall ist. Die Alternative zu WhatsApp wäre also ein eingeschriebener Brief. Wäre das freundlicher?
Auf dem Titel von 20Minuten ist heute zu lesen, dass sich ein gekündigter Mitarbeiter daran stört, dass ihm die Kündigung per WhatsApp mitgeteilt worden sei.
Mich stört, dass mein Chef mich nicht angerufen oder einen Termin vereinbart hat.
Den Vorwurf, dass dieser Kommunikationsweg unanständig sei, kann ich nur halb nachvollziehen. Die Tradition, auf der Konventionen häufig beruhen, ist klar: Kündigungen erfolgen in der Regel in einem persönlichen Gespräch. Letztlich scheinen mir aber die relevanten Aspekte – Respekt, Würdigung der Gefühle, Mitgefühl etc. – unabhängig von der Wahl des Kommunikationskanals zu liegen. Eine anständige oder unanständige Kündigung kann per WhatsApp, Telefon oder im persönlichen Gespräch erfolgen. Allerdings verschieben sich Kommunikationsgewohnheiten. Viele Menschen kommunizieren auch intimste Inhalte via WhatsApp. Der Messenger hat für sie Telefongespräche ersetzt – man spricht bei den 15-jährigen von einer Text-Generation, die nicht mehr telefoniere. Das hat verständliche Gründe. Jedes Medium hat bestimmte Affordances, also Aspekte, die leichter oder schwerer fallen, wenn man einen Kanal wählt. So zwingen Telefon und persönliches Gespräch das Gegenüber zu einer Reaktion – der Gekündigte muss seinen Ärger, seine Verzweiflung, seine Erleichterung etc. direkt zeigen. Das ist bei WhatsApp nicht der Fall. Zudem ist WhatsApp ein dialogische Medium – Reaktionen sind durchaus möglich. Ich will in diesem kurzen Kommentar nicht auf alle Unterschiede eingehen. Mein Fazit: Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse. Wenn ich – und viele Jugendliche, die ich kenne – wählen könnte, würden wir WhatsApp einem Telefongespräch vorziehen. Ich telefoniere außerhalb des engsten Freundeskreises praktisch nur noch auf schriftliche Verabredung. In diesem Fall sind die Bedürfnisse des Chefs und die des Mitarbeiters unterschiedlich ausgefallen. Hier mit der Anstandsnorm einem Weg den Vorzug zu geben, scheint mir problematisch und zu wenig reflektiert.
Das OR schreibt für Kündigungen keine Form vor, viele Arbeitsverträge verlangen aber explizit, dass sie schriftlich zu erfolgen habe. Vermutlich würde ein Gericht eine WhatsApp-Nachricht nicht als formkonform ansehen. Das Telefongespräch fiele bei einer solchen Vorgabe aus diesem Grund als Kommunikationskanal auf jeden Fall weg. Es ist aber auch dann heikel, wenn die Kündigungsform nicht vorgegeben ist, denn eine telefonisch ausgesprochene Kündigung lässt sich kaum beweisen.
Noch zu Deiner im Tweet vorgeschlagenen Formulierung: eine Ankündigung, es gäbe etwas wichtiges zu besprechen, ist noch keine Kündigung. Reagiert der Mitarbeiter nicht, muss der Arbeitgeber mit deutlicheren Worten nachhaken, sonst läuft der Arbeitsvertrag einfach weiter.
Ich vermute (weiß es aber nicht genau), in Deutschland wäre diese Form der Kündigung nicht rechtskräftig. Weiß jemand mehr?
Wenngleich ich die Text-Kommunikation aus sehr schätze, ist die Wahl der Kommunikationsmedien auch ein Statement und eine Frage von Empathie und Antizipation des Senders. In diesem Fall ist es sehr eindeutig, dass der Arbeitgeber nicht nur – formal richtig – kündigt, sondern zugleich auch die geringe Wertschätzung gegenüber seinem Mitarbeiter ausdrückt. Denn dass der Mitarbeiter über die Form enttäuscht ist, war vorhersehbar. Und letztlich ist es auch Feigheit des Absenders. Dafür habe ich noch weniger Verständnis, den es gehört nun mal auch zum Job eines Arbeitgebers, sich solchen Herausforderung zu stellen.
Nächste Stufe wären dann Ärzte, die ihre Krebs- oder ähnlich tragischen Diagnosen vorab per Textmessage senden. Oder das Altenheim, dass uns per SMS benachrichtigt, dass ein Elternteil gestorben ist. Oder die Polizei, die mir per Message mitteilt, dass mein Kind tödlich verunglückt ist. All denen wäre es nicht mal zu verdenken, dass sie sich dem direkten Gespräch entziehen möchten. Doch dann hätten sie einen anderen Beruf wählen sollen.
Das Argument der Verschiebung kann ich wiederum nur teilweise nachvollziehen. Eine Kündigung ist ja nun gerade kein intimster Kommunikationsvorgang, sondern ein höchst offizieller. Ob von da auch eine Verschiebung zu Instant Messengern stattgefunden hat, bezweifle ich doch eher.
(Soweit die Theorie. Ganz persönlich fände ich alles andere als ein direktes Gespräch völlig inakzeptabel.)