Texte markieren – analog und digital

Doc - 05.08.2014 09-35

So sieht eine Seite aus der Novalis-Ausgabe aus, die ich für meine Masterarbeit verwendet habe (ein Klick macht sie groß). Nach einigen Jahren geisteswissenschaftlichem Studium war ich geübt darin, Texte zu markieren und mit Randnotizen zu versehen. Diese Arbeit erleichterte mir die Orientierung im Text, führte mich bei der mehrmaligen Lektüre alte Gedankengänge vor Augen und schaffte die nötige Verarbeitungstiefe, um eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben.

Dieses Kompetenzbündel lässt sich an analogen Texten gut einüben. Lese ich mit Deutschklassen das erste Buch, steht diese Frage immer im Raum: Wie kann ein Text so ausgezeichnet werden, dass das eine Mehrwert bringt? Das analog zu tun, ist nicht nur sehr einfach, sondern wohl auch vernünftig – zeigen doch Studien, dass handschriftlich angelegte Notizen mit nachhaltigeren Lernprozessen verbunden sind als digitale.

Gleichwohl ist das Potential der digitalen Auszeichnung noch längst nicht ausgeschöpft. Gestern erhielt ich von Rahel Tschopp, die an der Pädagogischen Zürich als Dozentin für Medienbildung arbeitet, Auszüge aus dem Manuskript meines neuen Buches zugestellt. Sie hat sie digital bearbeitet – markiert, mit Anmerkungen und Visualisierungen versehen, wie man unten sieht.

Rahel Tschopp nutzt dabei beispielsweise den digitalen Raum: Sie schafft Leerstellen im Text, die sie mit eigenen Inhalten füllt. Sie arrangiert Gelesenes neu. Viele weitere digitale Techniken wären denkbar, wenn es darum geht, das oben skizzierte Kompetenzenbündel digital umzusetzen. Deshalb dürfte das vernünftige Fazit lauten: So wie die meisten Menschen heute analog und digital arbeiten, führt das Lesen auf Papier und das Schreiben von Hand zu deutlich besseren Resultaten. Dabei ist aber das Potential der analogen Verfahrensweisen viel besser ausgeschöpft als das der digitalen: Kulturgeschichtlich aber auch lernbiografisch wurde viel mehr Energie in diese Techniken investiert.

Wer also digitale Texte markiert, darf den Mehraufwand oder den Effizienzverlust getrost als einen Beitrag zum Lernen der Zukunft verstehen.
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4 Kommentare

  1. Lisa Rosa sagt:

    Ja, Philipp, ich habs, sorry, ich wollte auch gar nicht dich kritisieren, sondern diese „Studien“ hinterfragen, die mir schwer auf die Nerven gehen 😉
    Was mich daran beschäftigt, ist, was diese Studien unter Lernen verstehen. Und daher würde ich nicht einfach ihre Behauptungen – schon gar nicht als simplifizierte Zusammenfassung – übernehmen wollen. Sie haben nämlich geprüft, wieviel vom Input im Gedächtnis „behalten“ wurde. (nicht: wie es inhaltlich verarbeitet wurde, und was wie verstanden wurde). Dein eigenes händisches Annotationsbeispiel oben: Wenn ich es mit meinen Erfahrungen vergleiche, sagt es mir, es geht auch dir wie mir doch nicht darum, sich den annotierten Text im zu merken, und das möglichst lange, sondern darum, die eigenen Gedanken dazu festzuhalten, um sie bei Bedarf genau dort wieder vorzufinden, indem man sie „nachschaut“, und genau diese eigenen Gedanken sind dasf, was „das Gelernte“ ausmacht. (Verarbeitungen also, nämlich Thesen und eigene Bemerkungen dazu.) Ist das nicht ein entscheidender Unterschied zum „Behalten“? Das Markieren mit dem berühmten gelben Marker ist doch nur eine visuelle Hilfe, etwas im Originaltext wiederzufinden in der Bleiwüste, das hat eine ganz andere Funktion. Und schöne und aufwendige zeitraubende Zeichnungen auf der Oberflächenebene zu verfertigen, hat auch wieder eine ganz andere Funktion als z.B. ein grafisches Denkmodell zu fertigen (was übrigens ausgezeichnet mit den ganz digitalen Werkzeugen aus prezi, word, ppt & co geht, viel Vergnügen macht und komplizierte Zusammenhänge zu verstehen visuell erleichtert.) und so fort. Lernen kann so viel verschiedenes sein – aber heute ist es am allerwenigsten, sich „was Vorgefertigtes wörtlich zu merken“. Denn: Das Wörtliche Auswendigwissen und Wiedergebenkönnen auf Anfrage ist ja im Prinzip bloß das Copy-Paste des oralen Zeitalters. 😉

  2. Lisa Rosa sagt:

    sorry wg der typos, ich kommentiere am iPhone im Cafe in meiner Mittagspause. nicht Handschriftlich über die gelbe Post. Nix wert fürs Lernen, weil hätte habdschriftlich sein müssen? nee, entweder so, oder eben gar nicht! das ist die alzernative! 😉

  3. Lisa Rosa sagt:

    Die Studien, auf die nun (wahrscheinlich wie auf die Hattie-Sache) gebetsmühlenartig die nächste Jahre referriert wird, bringen nicht, was sie in diesen Referenzierungen angeblich tun: den wiss. Nachweis zu liefern für simpelste Aussagen (handschrift besser für Lernen ald digital/tastatur, bzw. „es kommt nur auf den Lehrer an“ bei Hattie. Ich bitt euch alle: Wenn ihr diese Studien heranziehen wollt, dann lest sie im Original, seht euch ihre Bedingungen und Begrenzungen an.
    Der bessere „Mehrwert“ eines neuen Kommunikationsmediums liegt im „Anderswert“, und der ist hier: Es lässt sich schnell und einfach teilen und austauschen, von anderen kommentieren und wieder in die Debatte einspeisen, was früher einsam auf deinem Schreibtisch (und in deinem Hirn) herumlag, Philipp. Die dialogische Seite des Lernens ist der neue Hit, nicht die optimierte Markierungseffizienz – oder der Verlust der Markierungsqualität. Ich zeig dur meine Markierung und du mir deine und wir zeigen sie alken und holen 1000 andere dazu. Das gibt ein ganz anderes Lernen.

    1. Danke für deinen Kommentar, Lisa. Das ist sicher eine entscheidende Perspektive. Ich habe hier auf eine Studienzusammenfassung verwiesen, weil es mir im Allgemeinen um diese Argumentationsgruppe ging.

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