In der NZZ schreibt Alice Kohli einen Nachruf auf ihr Facebook-Alter-Ego. Darin steht unter anderem:
Das Leben auf Facebook war damit genauso kompliziert geworden wie das richtige Leben. Oder noch komplizierter. Würde ich ohne Facebook etwas verpassen? Würde ich tatsächlich wichtige Kontakte verlieren? Kaum.
An einem Sonntagnachmittag im Dezember, nach knapp sechs Jahren, deaktivierte ich meinen Account. «Diese Freunde werden dich vermissen», mahnte Facebook und zeigte mir vier Gesichter, von denen ich ziemlich sicher war, dass sie mich nicht vermissen würden. Ich drückte den Knopf und war draussen. Mein Leben war ein kleines bisschen weniger kompliziert als vorher.
Sie schlägt damit in eine Kerbe, in die schon viele geschlagen haben, z.B. die Autorin Zadie Smith in einem Essay für die New York Review of Books:
Shouldn’t we struggle against Facebook? Everything in it is reduced to the size of its founder. Blue, because it turns out Zuckerberg is red-green color-blind. “Blue is the richest color for me—I can see all of blue.” Poking, because that’s what shy boys do to girls they are scared to talk to. Preoccupied with personal trivia, because Mark Zuckerberg thinks the exchange of personal trivia is what “friendship” is.
Ich bin anderer Meinung und habe dazu einen Kommentar geschrieben. Die dahinter stehenden Gedanken können bei Nathan Jurgenson vertieft werden, der über diesen Social-Media-kritischen Diskurs schreibt, dass es dabei darum gehe, Schwierigkeiten und Unzufriedenheiten im Leben auf einer technischen Ebene als etwas darzustellen, was sich lösen oder heilen lasse: »it is about reframing our anxieties and difficulties as something we can fix«. Das heißt, dass Menschen Beziehungen, Einsamkeit, Vertrauen, Wertschätzung, Selbstvertrauen etc. immer schwer fallen – sie in der Kritik an Technologie der Illusion nachgehen können, es gäbe einfache Rezepte für ein besseres Leben in dieser Hinsicht.
Mein Kommentar zum Artikel kenn gut auf der NZZ-Seite diskutiert werden kann (oder natürlich auch hier):
Mir scheint, diese Beitrag widerspricht sich performativ. Facebook ist die inszenierte Oberfläche – ein Mittel, um als etwas zu erscheinen, was wir gerne wären, nicht sind. Es gibt viele andere: Unsere Kleidung, unsere Autos, unsere Wohnungen. Wie wir reden, was wir arbeiten, was wir unternehmen. Jede Meinung zu Facebook ist genau so eine Inszenierung wie ein Facebook-Profil. Wer sich demonstrativ verweigert unterscheidet sich nicht von denen, die sich demonstrativ mitteilen.
Zu sagen, man könne »Menschen begegnen, ohne sich darum zu kümmern, ob sie auf einer selbstgebauten Skala der digitalen Meta-Ebene vielleicht Sonderlinge wären«, halte ich für eine Illusion. Menschen bauen sich Skalen und sich konstruieren Meta-Ebenen. Ob sie das digital oder analog tun, ist letztlich irrelevant.
Damit will ich nicht sagen, dass das Leben ohne Facebook nicht wunderbar funktionieren würde. Aber Menschen, die darauf verzichten, leben nicht mehr oder echter, als die, die das Tool nutzen. Wir brauchen Kommunikationsmittel, weil wir als Menschen eine symbolische und eine körperliche Seite haben. Zu werten, wie Menschen sich symbolisch inszenieren, halte ich für überheblich und unnötig.
@ S .Döhner: Ich kann die Kritik nachvollziehen. Letztendlich sollte man sich immer bewusst machen, dass FB auch eine durch Algorithmen geprägte Wirklichkeit generiert und die Inhalte, die angezeigt werden sich eben nicht nur aus dem eigenen Netzwerk generieren. Ich glaube es gibt schon wieder eine Trendwende. Freunde von mir sagten neulich, dass sie wieder bereit sind mehr Mails zu schreiben oder sich anderweitig auszutauschen. Für die wenigen engen Freunde braucht man kein FB! Man findet auch zueinander, wenn man räumlich getrennt ist.
Guten Morgen!
Seit ich Facebook habe ist er einerseits leichter, andererseits komplizierter geworden. Doch das kommt sicher ganz drauf an wozu man das Medium nutzt. Ich persönlich hab Gruppen auf Facbook und finde es anstrengend und zugleich gut sich so austauschen zu können. Soll aber nicht heißen das ich das ohne Facbook nicht tun würde, da ich ein kommunikativer Mensch bin und gern unter Leuten bin. Es ist seit Facbook auch einfacher Termine ab zu sprechen und Informationen und Wissen zu teilen. Wobei es ab und an auch reine Zeifverschwendung ist, doch das ist bei Surfen im Netz wohl auch nicht anders. Wenn man sich eingefuchst hat ist es eine Bereicherung und ich verhalte mich genau so wie im echten Leben in Sozialen Netzwerken.
Was früher Foren waren, ist heute Sozial Media.
Was früher viel Zeit in die einen HP gesteckt wurde, ist nun der einfache Blog.
Viele Grüße von Silvana Gericke
Moin.
Dem ersten Absatz würde ich uneingeschränkt zustimmen.
Es kommt darauf an wie man das Medium nutzt, und auch sonstwo im Internet kann man seine Zeit verschwenden.
Allerdings -> Was früher Foren waren ist heute Social Media, es mag schon hinkommen, wenn man die Benutzer und die zu erfüllende Funktion anschaut.
Jedoch finde ich, dass man sich fragen sollte ob man nicht lieber „ein richtiges Forum“ benutzen sollte (?), so würde man wenigstens die Menschen nicht aussperren, die Facebook nicht nutzen möchten.
Es mangelt meiner Meinung nach an dem Bewusstsein, für die Probleme mit Überwachung bzw. Zensur.
Facebook ist schon mehrmals negativ aufgefallen, das Gruppen gesperrt oder Nachrichten/Accounts gelöscht wurden.
Facebook ist nunmal ein eingezäunter Garten und ich finde es unhöflich wenn man aus eigener Bequemlichkeit ander Menschen dazu drängt ebenfalls einen Account zu erstellen. Auch wenn dann meist argumentiert wird:
-Nimm doch einen falschen Namen
-Du brauchst es ja für sonst nichts zu benutzen
-Du bist halt der einzige der das so sieht
Außerdem ist Facebook spätestens seit des Zugriffs durch Geheimdienste (#NSA) noch kritischer zu betrachten, da bekannt geworden ist, dass Dienste nicht (nur) nach Terroristen suchen, sondern auch Firmen ausspionieren und Material für Erpressungen sammeln.
Sicher werden wohl die meisten Firmen mit Facebook/Google Konten NICHT ausspioniert, und Lehrer die mit Schülern kommunizieren werden wohl auch nicht erpresst werden, weil geheime vorlieben auf fremden Schreibtischen auftauchen.
Doch „wer wenn nicht wir“ (die sich Gedanken darum machen) bringt den Kindern/Arbeitnehmern, welche sich zu wenig dafür interessieren, bei.. das es Alternativen gibt?
Alternativen die eben kein „walled garden“ sind, wo Daten gelöscht werden, wenn diese gelöscht werden sollen, wo nicht trojaner an Endgeräte verteilt werden (wie bei AngryBirds aus dem google-play-store) wo die Algorithmen offen liegen, die zur Bewertung/Anzeige von Daten innerhalb des Netzwerkes genutzt werden,
wo Nachrichten von Ende-zu-Ende verschlüsselt sind (Jabber/xmpp + OTR) und nicht pseudo-verschlüsselt wie in den neueren Whats-app Versionen? (wo man immernoch auf dem Unternehmens-Server alle Nachrichten mitlesen kann)
Ich würde mich freuen wenn Menschen die Facebook nutzen, und nicht darauf verzichten möchten, wenigstens bereit wären sich (meinetwegen auch mit ihrem Facebook-Konto) bei einem anderen Forum zu registrieren und nicht auf Menschen herumhacken die einfach nicht zu Facebook möchten.
Ich finde man sollte die FB-Verweigerer wenigstens nicht immer als „Spinner“ hinstellen und deren Wünsche ebenso respektieren.
Freundliche Grüße
S. Döhner
„Zu werten, wie Menschen sich symbolisch inszenieren, halte ich für überheblich und unnötig.“
Also werten wir auch die demonstrative Facebook-Verweigerung, welche auch symbolische Inszenierung, lieber nicht und befinden diesen Kommentar für unnötig?
Das ist ein cleverer Einwand – dem ich aber natürlich widersprechen würde. Meine Kritik sehe ich weniger als Wertung an, denn als ein Hinweis darauf, dass es bei der demonstrativen Facebook-Verweigerung einen Widerspruch gibt. (Ich würde nicht sagen, dass mein Leben sich von dem der Menschen abhebt, die auf FB bewusst verzichten.)
Aber vielleicht haben wir es bei der Wertung wie bei der Inszenierung mit einer Spirale zu tun: Egal wie hoch die gewählte Metaebene ist – ohne geht es nicht.