Plädoyer für einen nachlässigen Umgang mit dem Urheberrecht

Wenn ich an Schulfortbildungen mit Lehrpersonen über die Möglichkeiten und Grenzen des Einbezugs von Social Media in die schulische Arbeit und Kommunikation nachdenke, tauchen immer große Bedenken auf, was Urheberrechte anbelangt.

Ein Beispiel. Die AGBs von Facebook enthalten folgenden Passus:

Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz zur Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest.

Wenn ich nun als Lehrperson ein Arbeitsblatt (z.B. »Pornografie in Katz und Maus«) auf Facebook hochlade, dann erteile ich Facebook Rechte, die ich gar nicht besitze: Das Urheberrecht (genauer: das exklusive Nutzungsrecht; Zusatz 28. November abends) an Arbeitsblättern hält nämlich mein Arbeitgeber, nicht ich selbst. Also dürfte ich nur dann Inhalte hochladen, die ich in meiner Arbeitszeit erstellt habe, wenn mein Arbeitgeber davon Kenntnis hat und damit einverstanden ist. Kurz: Ich darf grundsätzlich einmal nichts hochladen, was ich in der Zeit erstellt habe, für die ich bezahlt bin.

Roy Lichtenstein. Quelle
Roy Lichtenstein. Quelle

Weiter enthält mein Arbeitsblatt ein Bild von Roy Lichtenstein – dessen Urheberrechte mir ehrlich gesagt komplett unklar sind.

Was tun? Es gibt aus meiner Sicht zwei Haltungen: Die vorsichtige verzichtet bei allen Unklarheiten darauf, Material verfügbar zu machen. So lange nicht völlig klar ist, dass die beabsichtigte Nutzung eines Inhalts mit den Absichten der UrheberrechtsinhaberInnen konform ist, verzichtet man auf die Nutzung.

Die nachlässige – und für die plädiere ich – befolgt nur vier Prinzipien:

  1. Man gibt sich nie als UrheberIn eines fremden Werkes aus.
  2. Quellen werden verlinkt oder angegeben.
  3. Beanstandungen von rechtmässigen UrheberInnen werden berücksichtigt.
  4. Diese Art der Nutzung erfolgt nicht kommerziell: Sobald mit Inhalten direkt Geld verdient wird, werden die UrheberInnen geltendem Recht gemäß befragt und entschädigt.

Der Grund, weshalb ich auf die vorsichtige Haltung verzichte, dürfte klar sein: Nur wenn ich andere Werke zitiere, kann ich das darin enthaltene weiterentwickeln und weiter denken. Eine Kultur, die Inhalte gewissen Zugriffen entzieht, ist leblos. Dann stellt sich aber die Frage, weshalb ich darauf verzichte, das Angebot von vernünftigen Lizenzen wie Creative Commons nicht zu nutzen? Der Grund dafür ist eine gewisse Frustration, die Michael Seemann treffend beschreibt:

Creative Commons ist das Gegenteil eines verständlichen Urheberrechts. Es braucht eine lange Einarbeitungszeit in den Lizenzwust, und selbst dann macht man ständig Fehler. Wirklich verstanden werden die Lizenzen nur in Nerdkreisen, die sich darauf spezialisiert haben. Es ist kein Zufall, dass es Alltag in Redaktionen und Blogs ist, gegen CC-Lizenzen zu verstoßen oder meist gleich zugunsten kommerzieller Angebote darauf zu verzichten.

Mir ist bewusst, dass ich mich damit in einer rechtlichen Grauzone befinde. Gerade als Lehrer ist das nicht optimal: Will ich meinen Schülerinnen und Schülern wirklich vermitteln, dass Urheberrecht irrelevant ist und sie es missachten können, wenn sie wollen? Nein, das will ich nicht. Ich will ihnen die Idee des Urheberrechts vermitteln: Fremde Ideen als als solche zu bezeichnen und kein Geld mit dem zu verdienen, was andere geleistet haben. Jede darüber hinausgehende Art von Bürokratie lehne ich aber so lang ab, wie mir nicht jemand explizit sagt, dass das unerwünscht ist.

Ein schlechtes Gewissen habe ich keines. Ich unterstelle anderen Herstellerinnen und Herstellern von Inhalten, dass sie mit so etwas wie »Fair Use«, ob es das in ihrem nationalen Urheberrecht geben mag oder nicht, einverstanden sind. Sind sie es nicht, berücksichtige ich diesen Wunsch. Meine Inhalte – z.B. die Texte in diesem Blog – darf verwenden, wer sie verwenden möchte. Wozu ist mir egal, so lange darauf verwiesen wird, dass sie von mir stammen.

16 Kommentare

  1. There’s a terrific amount of knowledge in this article!

  2. Is that really all there is to it because that’d be flabbergasting.

  3. Iqbal sagt:

    Never would have thunk I would find this so insdlpensabie.

  4. teddy sagt:

    Habe den Beitrag mit Interesse gelesen. Warum Ihnen die Urheberrechte von Roy Lichtenstein „komplett unklar“ sind, verstehe ich nicht. Der Mann ist noch keine 70 Jahre verstorben, also sind seine Werke urheberrechtlich geschützt. Sie können sich auf Wikipedia über R. L. informieren, dort findet man auch den Link zur Roy Lichtenstein Foundation, die seine Urheberrechte verwalten. Dahin wendet man sich wegen einer Verwendungsanfrage. So einfach ist das.
    Übrigens verweisen Sie hier am Bild mit einem Link zu einer ebenso fragwürdigen Quelle, einem privaten Blog. Eine korrekte Quellenangabe ist das nicht. Als Lehrer müssten Sie doch eigentlich das Recherchieren und ordnungsgemäße Zitieren von Originalquellen beherrschen?

  5. nggalai sagt:

    Ich hatte es aus Zeitgründen auf Facebook geschrieben, aber hier meine Sicht als Urheber in der Schweiz. Kurz: Ich bin auch »für« einen nachlässigen Umgang, vorwiegend aus praktischen Gründen – ich könnte gar nicht allen möglichen Urheberrechtsverstößen nachgehen, dass sich Anwaltskosten und Zeitaufwand rechnen würden. In der Zeit mach ich lieber was neues. 😉

    Länger:

    Aus meinem kommenden Sachbuch bei einem deutschen Verlag:

    »Hier liegen verschiedene [Import-]Vorlagen bereit, die sich vorwiegend in den Copyright-Informationen unterscheiden: Auftragsarbeiten bekommen immer ein neutrales »© Sascha Erni« mit, meine eigenen Projekte stelle ich unter eine Creative-Commons-Lizenz. Das © ist im deutschsprachigen Raum nicht nötig, das Urheberrecht ist eindeutig und wird von den Gerichten auch nachdrücklich unterstützt. Aber viele Kunden wissen das nicht und erwarten einen klaren Hinweis – also setze ich ihn standardmäßig in die Bilddateien.«

    Die Bilderreihe, die als Kapitel-Auftakt im Buch verwendet wird, steht entsprechend unter CC-BY, da ned für den »Kunden« gemacht. Der Verlag hat keine Probleme damit. Er bezahlt mich fürs Buchmanuskript, nicht für Fotos, die ich über drei Jahre verteilt mal gemacht habe.

    Der Fall ist für mich klar: Ich werde nicht für mein »Werk« bezahlt, sondern für die Leistung dahinter. Wenn ich blöde genug bin, meine Bilder in Fine-Art-fähiger Auflösung ins Netz zu hängen, nun ja, dann bin ich blöde. Aber wenn wer Spaß an einem 1000xirgendwas Bild hat oder seinen Desktop damit verzieren will, wo ist mein Verlust? Wie viel verdiene ich an einem Desktop-Wallpaper? Oder wie viel würde ich verdienen, wenn jemand für eine Powerpoint-Präsentation ein 800×600 Bild von mir lizenziert? 50 Rappen? Einen Franken? Davon kann ich auch nicht leben. Micro-Stock mache ich nicht.

    Kurz: Gibt’s einen Auftraggeber hat er mich für die Arbeitsleistung bezahlt, nicht für den Output. Dann ist es auch sein »Produkt« und sein Ding und ich hänge das auch nur nach Zustimmung zusätzlich (verkleinert) ins Netz. Lizenznehmer von Werken ohne Auftrag dahinter zahlen für die Großauflösung. Aber ich verliere nichts, wenn ein Schüler meine Bilder z.B. für ein Referat »stielt«. Wie auch? Von der korrekten Quellenangabe profitiere ich u.U. mehr als von angemessenen Lizenzgebüren.

    ***

    Nachtrag: Ein Problem in der Fotografie mit den CC-Lizenzen: Vielen Leuten ist nicht klar, worauf sich die Lizenz genau bezieht. Das Bild oder die Datei? Wie gesagt hänge ich eigentlich fast alles ohne Auftraggeber dahinter mit CC-BY ins Netz. Das sind in der Regel Bilder mit maximal 3 MP Auflösung, man könnte sagen »Fair-Use-fähig«. Reicht aus, dass sich ein Schüler oder ein Non-Profit oder gar eine Firma das in eine Bildschirmpräsentation »ausleiht« oder auch mal einen A4-Druck davon macht. Ich hatte allerdings auch schon Anfragen, zuerst freundlich, ob ich ein Bild nicht in höherer Auflösung mailen könnte, denn, es sei ja CC-BY, quasi verschenkt. Wenn ich dann sagte »nö« kam mir großes Unverständnis entgegen, denn das Bild (als Motiv/Komposition) hätte ich ja freigegeben, dann stände selbstverständlich das Original (einer wollte gar die RAW-Datei) auch unter CC-BY. Dass ich genau DIESE 3MP-Version unter CC-BY veröffentlicht habe, aber keine größeren Versionen oder gar die Original-Belichtung wurde nicht verstanden.

    Kam bisher selten vor, aber immerhin – es scheint zu passieren, dass die CC-Lizenzen tatsächlich verwirren.

    1. «Ein Problem in der Fotografie mit den CC-Lizenzen: Vielen Leuten ist nicht klar, worauf sich die Lizenz genau bezieht. Das Bild oder die Datei? […]»

      Das Urheberrecht kennt Werke, keine Dateien. Insofern kein Problem …

      1. nggalai sagt:

        Das ist jetzt eben die Frage – wenn jemand ein Bild in einer bestimmten Auflösung freigibt, hat er dann das Bild als Werk freigegeben, oder das dazugehörige Original?

      2. @nggalai:

        Auflösung ist ein anderes Thema. Man kann ein fotografisches Werk selbstverständlich nur in einer bestimmten Auflösung lizenzieren.

      3. nggalai sagt:

        Die Auflösungs-Sache war aber der Grund für meinen Nachtrag.

  6. Zunächst einmal: Bilder von modernen Künstlern sind hochgradig mit Rechten vermint. Ich weiß z.B., dass sie nicht einmal so ohne weiteres Postkarten von den Bildern drucken dürfen, die dem Museum im Original gehören. Schon die Bilder in einem Video zu zeigen, kann Forderungen von Erben nach sich ziehen.
    Vermutlich ist das Netz aber längst viel zu unübersichtlich, als das die Erbengemeinschaften Picasso etc da noch agieren könnten.
    Ansonsten soll ja die „Nachlässigkeit“ der Verwertungsrechte gerade im Bildungszusammenhang jetzt auch gesetzlich gestärkt werden. Im Koalitionsvertrag steht da relativ drin.
    Dass Facebook sich „total rights“ zusichern lässt, könnte auch damit zusammenhängen, dass sie nicht haften wollen. Facebook wird immer sagen: Wir haben die Rechte an dieser Abbildung/diesem Text von User X übereignet bekommen. Wenn der die gar nicht hatte, hat er sie sozusagenh mit leeren Händen verkauft und muss sich nun nachträglich mit den Rechten eindecken. Also zahlt der User, wenn eine Zahlung eingefordert werden sollte.
    Als Lehrer könntest du da aber künftig besser gestellt sein als andere User, wenn du eben darlegen kannst, dass es sich um Lernmaterial handelt, das dem Fair-Use-Prinzip (qua einem noch zu schaffenden Gesetz oder einer Verordnung) entspricht.
    Ich würde mal die These aufstellen, dass die Verwertungsrechte künftig verschiedene Schattierungen erhalten, die Schule und Universität sehr viel gratis erlauben.

  7. Deine Haltung ist nicht vorsichtig, sondern ist geradezu eine Einladung für Abmahnungen.

    1. Ich habe meine Haltung ja auch nicht als vorsichtig, sondern als nachlässig bezeichnet… 

      1. Jetzt schon! 🙂

  8. Ich finde es auch äusserst problematisch, dass wir im Netz uns dauernd in der Grauzone des erlaubten bewegen müssen und keine Deine Haltung schon verstehen. Trotzdem folgende Bemerkungen zu Creative Commons.

    Mir war nicht bewusst, dass der Umgang mit Creative Commons Lizenzen kompliziert erscheint. Sie stellen aber derzeit aus meiner Sicht, die einzige Möglichkeit dar, sich ein wenig aus den Klauen der sonst üblichen Einschränkungen, die sich durch das Urheberrecht ergeben zu befreien.

    Es ist wichtig, dass wir möglichst viel CC Content entwickeln und verteilen. Denn wir können uns keine Hoffnungen machen, dass sich das Urheberrecht in absehbarer Zeit zugunsten der einfacheren Netznutzung verändert.

    Du kannst einfach alle Inhalte, die Du erstellst unter einer CC-BY-SA Lizenz publizieren und ich nehme an, dass geht auch für Inhalte, die Du als Lehrer eine Schule erstellst, da Du ja der Urheber bist und nicht die Schule. Allerdings müsste diese Frage ein Jurist beantworten. Aber alle anderen Inhalte kannst Du ohne zu zögern unter CC-BY-SA veröffentlichen. Mit dieser Lizenz stellst Du sicher, dass Deine Inhalte von allen genutzt werden können, dass Du aber immer als Quelle genannt werden musst und dass die neuen Werke die daraus entstehen wiederum unter dieser Lizenz ins Netz kommen.

    Wenn Du in Deinen Inhalte weitere Inhalte von anderen Urhebern integrierst, suchst Du am besten nach solchen die auch unter CC-BY-SA verfügbar sind. Zum Beispiel über dieses Such-Gateway: http://search.creativecommons.org/

    Wenn Du selber CC Lizenzen für Deine Publikationen verwendest, machst Du es denen, die Deine Inhalte nutzen wollen, einfacher und vor allem gibst Du ihnen die Sicherheit, dass sie keine rechtlichen Probleme bekommen werden.

    Der Einsatz von CC Lizenzen ist ja nicht wirklich kompliziert. Einfach unter http://creativecommons.org/choose/ eine Lizenz wählen und diesen Vermerk oder Link zum Inhalte dazu publizieren.

    Noch etwas zur allgemeinen CC Kritik: Ich hätte auch lieber ein ganz anderes Urheberrecht, aber ein solches ist nicht in Sicht. Die CC Lizenzen sind darum sehr wichtig und es wurde durch dieses Konzept bereits sehr viel erreicht. Man darf natürlich auch CC kritisieren, es gibt immer Verbesserungspotential, aber man sollte sie nicht ablehnen, so lange es keine bessere Lösung gibt, sondern sie fördern und nutzen, wo immer es möglich ist, damit möglichst viele Inhalte frei im Netz verfügbar und nutzbar sind.

    1. Danke für deinen ausführlichen Kommentar, den ich gut nachvollziehen kann.
      Mein Problem: Ich verwende ja auch CC-Lizenzen (vgl. https://schulesocialmedia.com/about/, ganz unten, zudem fast alle hier als pdf veröffentlichten Materialien), aber dort tauchen oft Zitate, Exzerpte, Bilder, Grafiken etc. auf, die ich dann gleichsam mitlizenziere. Ich müsste also stets Ausnahmeerklärungen hinzufügen oder nur Material zitieren/abbilden, von dem ich weiß, dass es ebenfalls unter der gleichen Lizenz steht. Das würde mir enorme Vorsicht und einen Verzicht auf viel spannendes Material aufzwingen. Kurz: Ich könnte das Material herstellen und es verteilen, aber es nicht im Netz teilen und für andere zugänglich machen.

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