Am 29. August hat die Bundesregierung Deutschlands einen Gesetzesentwurf für ein so genanntes Leistungsschutzrecht für Presseverleger (pdf) beschlossen. Im Folgenden eine kurze Erklärung, was damit gemeint ist – gefolgt von einem Aufriss der dadurch entstandenen Kritik am vorgeschlagenen Gesetz.
Was bedeutet Leistungsschutzrecht?
Leistungsschutzrechte sind Teil des Urheberrechts – sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Die auch »verwandte Schutzrechte« genannten Rechte schützen nicht die Urheber von Rechten, sondern künstlerische, wissenschaftliche oder gewerbliche Leistungen, die nicht die nötige Originalität aufweisen, um urheberrechtlichen Schutz zu erhalten. Konkret sind damit zum Beispiel folgende Leistungen gemeint:
- Künstler treten mit Werken auf, die sie nicht selber geschaffen haben (z.B. Cover)
- ein Buch wird in einer wissenschaftlichen Ausgabe aufbereitet und kommentiert
- ein Film oder ein Tondokument wird durch die Veröffentlichung zugänglich gemacht.
Presseverlage machen – so die Idee des Leistungsschutzrechtes – journalistische Texte einer Öffentlichkeit zugänglich. Deshalb müssen sie für diese Leistung geschützt werden. Schutz hießt konkret: Wer ihre Leistung kommerziell nutzt, muss dafür eine Lizenz erwerben und bezahlen.
Gemeint sind damit Suchmaschinen und ähnliche Dienste. Betrachtet man ein Google-Suchergebnis, dann sieht man, dass Google sowohl auf die Texte von Online-Portalen verweist, als auch daraus zitiert (so genannte Snippets publiziert).
Damit nutzt Google die Leistung von Presseverlagen kommerziell, so die Idee des Leistungsschutzrechtes für Presseverleger. Google verdient sein Geld nämlich mit Werbung. Fährt Google nach der Einführung des Gesetzes fort, Suchergebnisse von Webseiten von Presseverlagen in dieser Art und Weise aufzubereiten, muss das Unternehmen die Verlage dafür entschädigen.
Ein Leistungsschutzrecht ist deshalb nötig, weil Google nicht gegen das Urheberrecht verstößt, zumal nur wenige Wörter zitiert werden, was das Urheberrecht zulässt.
Kritik am Leistungsschutzrecht
Obwohl der Gesetzesentwurf »andere Nutzer, wie z. B. Blogger, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien oder private bzw. ehrenamtliche Nutzer« explizit ausschließt und sich nur auf Suchmaschinen und ähnliche Leistungen (gemeint ist z.B. das online Kulturmagazin Perlentaucher, das schon einen Nachruf mit dem Titel »Das Internet war eine Episode der Freiheit« publiziert hat) bezieht, stößt er auf heftige Kritik. Die fünf wichtigsten Aspekte in der Übersicht:
- Wer nicht bei Google erscheinen will, erscheint nicht bei Google.
Verlage, die sich daran stören, dass Google ihre Texte abruft, können mit wenigen Klicks Google daran hindern, das zu tun. Die Verlage nutzen die Leistungen von Google freiwillig, niemand zwingt sie dazu, im Google-Index zu erscheinen. - Die Verlage profitieren mehr von Google als Google von den Verlagen.
Die Suchergebnisse von Presseverlagen machen etwas 10% der Google-Suchergebnisse in Deutschland aus. Bei den Presseportalen machen die über Google vermittelten Zugriffe aber 30-60% aller Zugriffe aus. D.h. ohne die Presseportale funktionierte Google weiterhin problemlos – die Presseportale verlören hingegen einen Großteil ihrer von Google vermittelten Zugriffe. - Google erbringt eine andere Leistung als die Presseverleger.
Zu sagen, Google nutze die Leistung der Presseverleger unentgeltlich, impliziert, Google sei auch eine Art Verlag. Google ist aber eine Suchmaschine. Die Werbeeinnahmen erhält Google nicht wegen seiner verlegerischen Leistung, sondern weil es hilft, relevante Links zu finden. - Die Verlage werden durch das Leistungsschutzrecht nichts einnehmen.
Das wahrscheinlichste Vorgehen der Suchmaschinenanbieter ist, die Presseverlage nicht mehr in ihre Suchergebnisse einzubinden. Dadurch verdienen die Verlage nicht nur nicht, sondern sie verlieren auch massiv Werbeeinnahmen durch fehlende Zugriffe. Sie schneiden sich ins eigene Fleisch, könnte man denken. - Das Gesetz verhindert den freien Fluss der Information.
Das Internet funktioniert mit Links, mit denen auf andere Informationen verwiesen wird. Darf man – egal in welchem Kontext – nicht verlinken, ohne dafür zu bezahlen, so hindert man Menschen daran, Informationen zu erhalten, die frei verfügbar wären. Das ist grundsätzlich unethisch.
Auch in der Schweiz wurde die Idee eines Leistungsschutzrechtes schon debattiert, am prominentesten wird es durch den Schaffhauser Verleger Norbert Neininger vertreten (NZZ August 2010, NZZ Juni 2012).
Ich verlinke nicht auf sämtlichen relevante Texte, eine lesenswerte Übersicht über die Reaktionen bietet aber irights.info.
Auch Sascha Lobos Analyse der politischen Hintergründe ist sehr lesenswert, zudem zeigt er, dass der Gesetzesentwurf andere, konstruktivere Massnahmen im Umgang mit der problematischen Monopolstellung von Google verhindert oder erschwert.
4 Kommentare