»Kontrolle ist anderswo« – Kritik am Facebook Handbuch

Das Facebook-Handbuch von Thomas Pfeiffer und Jöran Muuß-Merholz habe ich vor einem Monat kurz vorgestellt, es heißt »Mein Kind ist bei Facebook«. Gestern hat die taz eine Rezension von Christian Füller publiziert, die eine fundamentale Kritik enthält: Das Handbuch suggeriert, das Phänomen Facebook sei mit technischen Lösungen und Gesprächen in den Griff zu kriegen. Ist es nicht, so Füller:

[Das Facebook-Handbuch] suggeriert, dass mit ein, zwei technischen Einstellungen und einem Gespräch mit dem Kind die Sache ins Lot zu bringen ist. Ist sie aber nicht, denn die Droge, mit der Facebook hier operiert, heißt: Aufmerksamkeit. Das, wonach jeder Mensch und besonders jeder Teenager dürstet.

„Wer Facebook versteht, muss sich wenig davor fürchten“, schreiben [die Autoren]. Facebook verstehen aber lernt man in ihrem Handbuch nicht, sondern lediglich, es zu bedienen.

Füller zitiert eine Aussage, die in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung über die Einstellung von Jugendlichen zum Internet erschienen ist. Mira hält dort fest:

Ich muss im Nachhinein schon sagen, dass mir das [=Facebook] entglitten ist. Irgendwann hat es mich richtig aus der Bahn geworfen. Ich traf zwar noch Freunde, war also nicht nur in einer Ersatzwelt, aber wenn ich zu Hause war, war ich immer online und über Facebook erreichbar. Ich habe kein Buch mehr gelesen, nie mehr im Gras gelegen. Und ich war abhängig von den „Likes“, also Komplimenten, die ich bekommen habe. Für mein Aussehen, für Fotos, die ich reinstellte, für meinen Status. Das ist der Stoff, der süchtig macht.

Neben der Unterschätzung dieses Suchtpotentials, das mit der Anerkennung gekoppelt sei, die soziale Netzwerke bieten, sieht Füller ein anderes grundlegendes Problem beim Handbuch:

[D]ie Anmaßung, Facebook ließe sich unter Kontrolle bringen, ist brandgefährlich. Wahrscheinlich kennen die Autoren das „Kontroll-Paradoxon“ der Psychologen Brandimarte, Acquisti und Loewenstein nicht. Die Forscher haben das Phänomen beschrieben, dass Probanden dann bereit sind, mit intimen Ansichten und Geständnissen umso freizügiger umzugehen, wenn man ihnen versichert, sie hätten die Sache unter Kontrolle – und sei es nur ein bisschen.

(Die Publikation von Brandimarte, Acquisti und Loewenstein kann hier (pdf, englisch) nachgelesen werden.)

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