Christian Spannagel, Professor für Mathematikdidaktik an der PH Heidelberg berichtet in seinem Blog über ein Projekt mit Wikis im Geschichtsunterricht. Ich veröffentliche hier eine gekürzte Kopie seinen Beschriebs (Lizenz: CC BY-SA 3.0), da mir das Projekt lohnens- und nachahmenswert erscheint.
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In den LernZeitRäumen arbeiten wir gerade mit Schülerinnen und Schülern in einem Wiki. Das Oberthema ist Mittelalter. Verschiedene Schülerteams arbeiten an unterschiedlichen Mittelalter-Themen (wie beispielsweise “Bauwerke”, “Essen und Trinken” und “Schrift und Buchkunst”). […] Ein wesentliches Ziel dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, aus Texten Informationen zu entnehmen (hierfür haben sie ausführliche Reader und Bücher zur Verfügung), die Informationen in eigenen Texten zusammenzufassen, dabei korrekte Quellenangaben zu machen und das Ganze für andere Leserinnen und Leser attraktiv aufzubereiten. Hier liegt eine große motivationale Chance des Wikis: Die Texte landen nicht einfach nur auf dem Schreibtisch des Lehrers, sondern stehen im Web und können von jedem gelesen werden. (Ein Beleg, dass das für Schüler bedeutsam ist, kommt weiter unten. […]).
Das Schulwiki der LernZeitRäume wird freundlicherweise von der ZUM gehosted, und dank toller Vorbilder wie dem RMG-Wiki, dem DSD-Wiki und vielen anderen Wikis in der ZUM-Wiki-Family konnten wir auf zahlreichen Beispielen aufbauen und von reichhaltigen Erfahrungen anderer profitieren.
Hier möchte ich mal alle möglichen Eingangsüberlegungen zusammenfassen, die den Start des Wikis und die Arbeit in den ersten Wochen begleitet haben:
- Wir haben uns dazu entschieden, dass sich die Schülerinnen und Schüler nur mit Pseudonymen und nicht mit Realnamen anmelden. Die Wahl der Pseudonyme erschien uns angemessen, weil wir vermeiden wollten, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht mit Realnamen im Web auftreten.
- Es hat sich bewährt, dass die Schülerinnen und Schüler einen Anmeldebogen ausfüllen, den ich aufbewahre und immer mit dabei habe. Denn: Schüler vergessen Passwörter, und die kann ich dann bei Bedarf nachschlagen. (Ich bin sozusagen Vertrauensstelle für vergessene Passwörter.)
- Mit den Schülerinnen und Schülern haben wir eine Wiki-Abmachung getroffen. Darin unterschreiben sie, dass sie sich respektvoll im Internet verhalten, keine persönlichen Daten von sich preisgeben und das Urheberrecht beachten. Außerdem habe ich unterschrieben, dass ich den Schülerinnen und Schülern sowohl offline als auch online mit Rat und Tat zur Seite stehe. Die Abmachung ist also tatsächlich eine gegenseitige Vereinbarung und keine einseitige Verpflichtung.
- Diese Abmachung wurde gleich in der ersten Woche gebrochen (auf einer Benutzerseite stand “ihr Deppen!”). Perfekt! Wir hatten gleich eine Gelegenheit, nochmals über die Abmachung zu sprechen und die Ernsthaftigkeit der Abmachung zu unterstreichen. Seitdem ist nichts mehr vorgefallen. Genau das gefällt mir an der Wiki-Arbeit in der Schule: Man stellt nicht nur die Gefahren und Probleme des Internets heraus, sondern hebt zunächst einmal die Möglichkeiten der produktiven Zusammenarbeit hervor. Die Probleme sind dann mehr Seitenaspekte, die auch wichtig sind, die aber nicht im Vordergrund stehen.
- Die technische Einführung hielt sich im Rahmen. In ca. 15 Minuten habe ich den Schülern die Basics gezeigt (Bearbeiten, Vorschau, Speichern, Texteingabe, fett, kursiv, Überschriften). Alles weitere gibt es dann als Hilfe “on demand”. Relativ schnell wollten Schüler Tabellen erstellen. Weil das ein bisschen komplizierter ist, habe ich das dann im Einzelgespräch gezeigt. Hier wird dann auch den Schülern deutlich, wie hilfreich das Verwenden von bereits vorhandenem Code ist.
- Neben den zahlreichen Hilfen (die, glaub ich, bislang kaum ein Schüler angeschaut hat), habe ich auch eine Oops!-Seite eingerichtet. Das ist die Seite für die Offline-Hilfe. Wenn ich mal nicht an der Schule bin und ein Schüler ein Problem hat, dann kann er dieses auf die Oops!-Seite schreiben, und ich antworte dort.
- Ganz klar: Ich muss täglich den RSS-Feed des Wikis checken, um zu schauen, was dort passiert. Das ist aufwändig, aber notwendig. […]
- […] Wenn Schüler im Wiki arbeiten, entstehen logischerweise Rechtschreib- und Tippfehler. Wir haben uns vorgenommen, dass die Wiki-Arbeit mit 10 Minuten Korrektur der Seiten von anderen endet. Das heißt, Schülerinnen und Schüler sollen am Ende einer Stunde durchs Wiki gehen und Fehler korrigieren. Und wir müssen es aushalten, dass mal eine Zeit lang Fehler enthalten sind. Wikiarbeit ist schließlich ein Prozess.
- Der Diskussionsbereich zu jeder Seite ist ein prima Platz für Feedback der Lehrer an die Schüler (z.B. hier die Rückmeldung von Axel zum Thema Burgen). So ist das Feedback nahe am Text, aber nicht im Text, und der Prozess lässt sich im Nachhinein noch nachvollziehen.
- Schülerinnen und Schüler finden es klasse, dass die Seiten im Internet stehen und andere sich diese ansehen können. Jedenfalls sind alle ganz wild darauf, unten auf der Seite immer zu schauen, wie viele Zugriffe es auf die Seite gab (ein regelrechter Wettbewerb unter manchen Schülern).
Ein paar Bilder wurden von Schülern auch schon eingefügt. Wenn die Texte fertig sind, werden wir noch eine Quiz-Seite gemeinsam erstellen, in der die Schüler Multiple-Choice-Tests, Lückentexte, Rätsel und sonstige Aufgaben als Wissenstest zum Mittelalter gestalten können.