In einem einflussreicher Artikel von Reuters sagte der Chief Security Officer von Facebook, Joe Sullivan, dass Facebook proaktiv die Kommunikation seiner Nutzer auf potentielle Straftaten durchsuche. Konkret werden Chats protokolliert (und selbstverständlich bei Facebook gespeichert), aber auch auf bestimmte Schlüsselwörter durchsucht. Es ist unklar, wie das genau funktioniert, aber offenbar spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Die Art der Beziehung (Beziehungen, die nicht »real« zu sein scheinen, sind für Facebook verdächtiger).
- Das Alter der Chatteilnehmenden – junge User werden besonders geschützt.
- Bestimmte Begriffe oder Wendungen.
- Die Tatsache, ob jemand schon einmal wegen eines angeblichen Fehlverhaltens gemeldet worden ist.
Unklar ist, ob Facebook in Deutschland proaktiv auf Strafverfolgungsbehörden zugeht, wenn das Unternehmen aufgrund seiner automatisierten Systeme einen Verdacht auf eine potentielle Straftat hat, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. In einem Fall in Florida konnte mit dem System offenbar ein 33-jähriger Mann verhaftet werden, der sich mit einem 13-jährigen Mädchen treffen wollte.
Die Reaktionen sind deutlich. In seiner SPON-Kolumne fordert Sacha Lobo eine Ausweitung des Briefgeheimnisses hin zu einem »Telemediengeheimnis«:
Private Chats sind 2012 das, was Briefe 1948 waren. Die Frage nach der Sicherheit der User ist berechtigt und muss von Facebook beantwortet werden. Allerdings ist die heimliche Totalüberwachung eines Instruments, das von den meisten Leuten als höchst privat empfunden wird, keine Antwort auf diese Frage. Ungefähr ebenso wenig wie die Installation von Überwachungskameras in Privatwohnungen zum Schutz vor häuslicher Gewalt. Oder die grundsätzliche Öffnung und Durchsicht von Briefen. Womit der Zirkel geschlossen wäre, denn auch den 4 Müttern und den 66 Vätern des Grundgesetzes dürfte klar gewesen sein, dass die ständige Kontrolle aller Inhalte von Briefen, Post und Fernmeldesituationen eventuell Straftaten hätte verhindern können. Aber sie haben das Gegenteil davon ins Grundgesetz geschrieben. […] Wir brauchen ein Telemediengeheimnis.
Die Berliner taz stellt klar, dass es eigentlich keine Gesetzesänderung braucht, es lediglich unklar ist, ob sich Facebook an deutsches Recht halten muss. Zudem zeigt der Artikel, dass nicht nur Facebook, sondern auch Google und Skype Chats und Mails systematisch durchsuchen, es eine Privatsphäre nicht gibt.
Der Artikel zitiert Sullivan mit einer interessanten Aussage zur Frage, ob es nicht problematisch ist, wenn User systematisch überwacht werden:
„Wir wollten nie eine Umgebung schaffen, in der Angestellte private Kommunikation beobachten, deshalb ist es uns sehr wichtig, Technologie zu benutzen, die selten falschen Alarm auslöst“, erklärt Sicherheitschef Sullivan das Überwachungssystem. Chat-Verläufe werden deswegen zunächst maschinell gelesen und erst bei Auffälligkeiten an Menschen weitergeleitet.