Das BYOD-Problem lösen

BYOD verbindet Infrastruktur und Didaktik: Fordern Schulen Lernende und ihre Eltern auf, private Geräte für die schulische Nutzung zu beschaffen, dann wird dadurch einerseits klar, wer für die digitale Ausstattung der Schüler:innen zuständig ist (ihre Familien). Andererseits ändert sich der Unterricht, er sollte so gestaltet werden, dass die Arbeit mit privat beschafften Geräten sinnvoll erscheint. BYOD scheitert, wenn Schüler:innen und ihre Eltern den Eindruck haben, die Beschaffung der Tablets oder Laptops sei sinnlos.

Vor acht Jahren habe ich meine Überlegungen zu BYOD notiert, als ich einige Schulen bei der Einführung begleiten konnte. Vor einem Jahr habe ich nachgezeichnet, wie stark das Ablenkungspotential von BYOD ist. Aktuell würde ich BYOD in vielen Kontexten als Problem bezeichnen, das vier Komponenten hat:

  1. Schüler:innen greifen über diese Geräte in fast allen schulischen Situationen auf KI zu. Selbst in Unterrichtsgesprächen sind sie oft versucht, Fragen bei ChatGPT einzugeben und die Antworten vorzulesen. KI ist zu einem Reflex geworden, die eine Abkürzung für jede Art von Anstrengung verspricht. Sobald Jugendliche Zeit, Denkleistung oder kreative Energie investieren müssten, liegt es für sie nahe, ein KI-Tool zu bemühen.
  2. Wie schon erwähnt, sind digitale Geräte eine permanente Quelle von Ablenkung: durch Kommunikation mit Peers, Computerspiele, Shopping-Möglichkeiten oder Arbeiten für andere Fächer, die am Laptop erbracht werden können. Unterricht kann nicht spannender sein als das, was am Bildschirm läuft.
  3. Die einfachste Version des BYOD-Einsatzes sind digitale Skripte. Die damit verbundenen Probleme habe ich hier ausführlicher diskutiert, letztlich wird Unterricht dadurch zu einer Form von Wissensvermittlung, die Schüler:innen den Eindruck vermittelt, es sei egal, ob und wie sich sich beteiligen. Das Wissen liegt schon strukturiert vor, die Rolle von Schüler:innen besteht bei Skripten darin, sich dieses Wissen anzueignen. Sie sind nicht als Denker:innen, Erschaffer:innen von Wissen oder Kritiker:innen von Wissensbeständen gefragt.
    Lehrpersonen, welche die Geräte nutzen, aber die Kultur der Digitalität nicht ins Schulzimmer lassen wollen, können über Skripte eine Form von digitalem Unterricht anbieten, der technisch up-to-date wirkt, didaktisch aber gewissermassen überholt ist.
  4. Der letzte Punkt ist die fehlende digitale Kompetenz bei Lehrenden wie Lernenden. Die Nutzung digitaler Geräte sollte sich im Unterricht propädeutisch an derjenigen von Profis orientieren: Wie schreiben Fachpersonen Texte, wie werten Wissenschaftler:innen Daten aus, wie publizieren Journalist:innen Erkenntnisse etc. Dafür braucht es aber digitales Know-How, das heute sowohl bei Lehrenden wie Lernenden oft fehlt. So nutzen sie Geräte und Software, deren Potential sie nicht abrufen können.

Diese vier Komponenten wirken gegenseitig aufeinander ein und verstärken sich so. Das resultierende Problem kann aber gelöst werden. In meinem Verständnis könnte das so gelingen:

In gelingendem Unterricht gibt es Phasen mit und Phasen ohne Digitalität. Wenn es darum geht, dass eine Lerngruppe verschiedene Perspektiven auf einen Lerngegenstand vergleicht oder sich im Gespräch einem Zusammenhang annähert, braucht es meist keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugriff auf digitale Verfahren. Wenn aber digitales Arbeiten sinnvoll ist, muss es unter professionellen Bedingungen erfolgen und Kollaboration in allen Formen zulassen. Ziel ist, Phasen zu haben, in denen Gespräche und Kommunikation in der Gruppe im Vordergrund stehen – und Digitalität stark in den Hintergrund tritt. Hier sollte sich das Gefühl einstellen: «Das hätte ich mit ChatGPT nicht so verstanden.» In den Digital-Phasen ist das Ziel: «Ohne Laptop hätte ich das so nicht erarbeiten können.» Dabei steigt auch die digitale Kompetenz. Heute ist es oft so, dass Schüler:innen in Mischformen weder digital noch nicht-digital vorankommen, sondern eine Form von halb-digitalem Studenting betreiben. Das ist der Kern des BYOD-Problems.

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