Lange Zeit ging ich im Deutschunterricht davon aus, dass Schreibprojekte in Social-Media-Umgebungen aus zwei Gründen besonders sinnvoll seien: Erstens sind nahe am Schreiballtag von Jugendlichen, die viele private Schreibaufgaben auf digitalen Plattformen erledigen. Zweitens führen sie dazu, dass eine Klasse über gemeinsame praktische Erfahrungen mit Social Media verfügt, die dann reflektiert werden können.
Vom zweiten Vorteil bin ich weiter überzeugt. Am ersten zweifle ich mittlerweile. Das hat einen einfachen Grund: junge Menschen nutzen digitale Plattformen primär für interaktionsorientiertes Schreiben (Storrer). Das unten abgebildete Instagram-Profil ist für Jugendliche in Zürich nicht untypisch: es zeigt keine Beiträge und Stories. Genutzt wird es, um andere Beiträge zu liken und zu chatten – kurz: um Beziehungen zu gestalten.

Wenn ich nun im Unterricht ein Projekt anbiete, in dessen Rahmen wir ein literarisches Werk als Instagram-Profil gestalten, dann nutze ich Instagram als produktorientierte Plattform. Ich erwarte, dass schöne Beiträge mit Zitaten, passenden Bildern etc. gepostet werden. Diese Nutzung von Instagram ist zwar möglich, aber nicht die, welche bei Jugendlichen vorherrscht.
Deshalb ist die Nähe zur Alltagspraxis von Jugendlichen nicht direkt gegeben. Obwohl eine Plattform genutzt wird, auf der Jugendliche viel Zeit verbringen, orientiert sich ihre Nutzung an traditionellen Vorstellungen von Schreibunterricht. Die Flüchtigkeit und Dynamik von interaktionsorientierten Schreibprozessen lässt sich schlecht im Unterricht greifbar machen.
Das bedeutet nicht, dass es hier keine wichtigen Kompetenzen gäbe, die in der Schule aufgebaut werden können. Es gelingt wohl einfach nicht mit klassischen Social-Media-Projekten. Oder umgekehrt: Auch bei schulischen Social-Media-Projekten können Schüler*innen viel lernen – aber nicht, weil sie sich nahe bei ihrer alltäglichen Mediennutzung befinden würden.