Morgen wird der Bundesrat wohl entscheiden, ob in der Schweiz 2020 schriftliche Maturaprüfungen stattfinden müssen. Einige Kantone wollen unbedingt daran festhalten, andere nicht – meine Arbeitshypothese ist: Diejenige Kantone, bei denen die Prüfungen schon fertig in der Schublade liegen, tendieren eher zu Prüfungen als die anderen.
In dieser Diskussion wurden nun in den letzten Tagen die stärksten Argumente vorgebracht, die für schriftliche Prüfungen sprechen. Ich habe sie zusammengetragen:
- »Die intensive Schlussvorbereitung auf die Prüfung erlaubt nochmals eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Stoff.« Michael Hengartner, Präsident ETH-Rat
- »Ein Verzicht auf die schriftlichen Maturitätsprüfungen führt mit ziemlicher Sicherheit zu im Mittel höheren Maturitätszeugnisnoten.« Franz Eberle, emeritierter Professor für Gymnasialpädagogik UZH
- »Sich auf Prüfungen vorzubereiten, die den Stoff mehrerer Jahre testen, ist eine wichtige Voraussetzung für die Studierfähigkeit.« Larissa Rhyn, NZZ
- »Aufgrund der Situation sind für [die Schüler*innen] Prüfungen wichtig.« Patrick Meile, Rektor Kantonsschule Obwalden
- »Die Prüfung gibt nochmals eine Rückmeldung über das Leistungsniveau.« Michael Hengartner, Präsident ETH-Rat
- »Das Bestehen der Maturaprüfung ist zudem ein persönliches Erfolgserlebnis.« Michael Hengartner, Präsident ETH-Rat
- »Es ist eine wertvolle Erfahrung, auf den Punkt liefern zu müssen.« Stefan Schneider, Rektor Kantonsschule Romanshorn
- »Wenn die Prüfung von einem Tag auf den anderen gestrichen wird, hat das einen schalen Beigeschmack.« Larissa Rhyn, NZZ
- »Fehlt ein vergleichbarer Abschluss [gemeint: Prüfung], könnte dies zu Schwierigkeiten bei der Job-Suche oder in der Bewältigung des Studiums führen.« Laetita Block, Juristin, Präsidentin JSVP Basel Stadt
- »Die Gefahr, dass die Matura 2020 als «geschenkt» wahrgenommen wird, ist nicht von der Hand zu weisen.« Larissa Rhyn, NZZ
Meine Sicht ist eine andere: Ich habe sie schon vor Jahren formuliert. Maturprüfungen sind nicht mehr zeitgemäß. Es gibt keinen verbindlichen Stoff mehr, sondern Kompetenzen, die nicht in Prüfungen nachgewiesen werden können. Meine Hoffnung: Wir erleben 2020, dass der Übergang vom Gymnasium zu den Hochschulen auch ohne Prüfungen problemlos verläuft.

Der Vorschlag im Beitrag von 2014 (!) mit dem Portfolio ist definitiv umsetzbar. Ich selbst habe mein Diplom zur Berufsschullehrerin mit einem Portfolio und einem Fachgespräch abgeschlossen. Wenn wir das Konzept der Abschlussprüfungen ändern, ändert sich automatisch auch der Unterricht (von Theorievermittlung hin zu Kompetenzerarbeitung). Aber älte Zöpfe lassen sich nur schwer abschneiden. Ich bin gespannt auf den morgigen Entscheid und hoffe sehr, dass für die (Berufs-)Maturandinnen und (Berufs-)Maturanden entschieden wird und nicht für einen alten Zopf.