Forschung mit Facebook-Daten: ein ethisches Problem

Vor fast vier Jahren hat ein Experiment aufgeschreckt: Amerikanische Forschende haben untersucht, ob Facebook die Stimmung von Menschen beeinflussen kann. Dazu haben sie entweder emotional positiv oder negativ gefärbte Beiträge im Newsfeed unterdrückt und dann in den Beiträgen der Probandinnen und Probanden gemessen, wie sich die Stimmung verändert. Unten eine Übersicht über die Resultate, die nahelegen, dass Facebook Emotionen leicht beeinflussen kann (Quelle für Grafik).

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Doch wer waren diese Probandinnen und Probanden? In der Studie heißt es, sie sei ein »a massive (N = 689,003) experiment on Facebook«. Es gab also keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vielmehr hat Facebook den Forschenden erlaubt, den Mechanismus zu verändern, mit dem bestimmt wird, welche Posts bestimmten Userinnen und Usern angezeigt werden.

Die Kritik am Experiment ließ entsprechend nicht lang auf sich warten: Betrifft ein Experiment Menschen, müssen diese darüber erstens informiert werden und zweitens damit einverstanden sein. Beides war hier nicht der Fall. Zwar ist die Methode, unterschiedliche Versionen von Inhalten auszuspielen, im Marketing gang und gäbe (sie nennt sich A/B-Testing) – aber es handelt sich nicht um ein Verfahren, mit dem ethisch vertretbar geforscht werden könnte, zumal es darum ging, die Emotionen von Menschen zu manipulieren.

Hinzu tritt ein weiteres Problem: Die Studie eröffnete eine neue Dimension, was die Größenordnung anbelangt. Facebook verfügt zusammen mit anderen Plattformen über hervorragende Daten zu menschlicher Kommunikation, die für die Wissenschaft von großem Wert sind. Private Unternehmen kontrollieren also heute in diesem Bereich, wer mit welchen Daten forschen kann.

Von dieser Kritik ist ein weiteres Experiment besonders betroffen: Ebenfalls vor rund vier Jahren hat eine andere Forschungsgruppe »self cencorship« auf Facebook untersucht. Dabei geht es um die Frage, unter welchen Umständen Menschen Einträge vorbereiten, sie dann aber wieder löschen. Hier die Zusammenfassung der Erkenntnisse:

People censor more when their audience is hard to define, and people censor more when the relevance or topicality of a […] “space” is narrower. For example, posts are unsurprisingly censored more than comments. After all, posts create new discussion threads over which the user claims ownership, are more contentrich, tend to require more energy and thought to craft, and require more effort to share, as users have to explicitly hit a “submit” button.

Diese Studie hat Daten von 5 Millionen Personen ausgewertet. Dabei hat sie nicht wiederum ein Experiment durchgeführt, ohne ein Einverständnis einzuholen – sondern sie hat auch gelöschte Eingaben ausgewertet.

In den Miranda Rights heißt es, »everything you say can be used against you in a court«. Auf Facebook gilt: Alles was du tust, wird zu Forschungszwecken ausgewertet.

2 Kommentare

  1. Wir bräuchten drei Grundsätze im Zusammenhang mit der Forschung mit Personendaten.
    1) Explizites Einverständnis des Individuums. Das heisst, Organisationen, die über Personendaten verfügen, sollten die betroffenen Personen für jedes einzelne Forschungsvorhaben fragen, ob die Daten dafür genutzt werden können.
    2) Zugang zu den Daten für alle. Das heisst, Organisationen, die über Personendaten verfügen, sollten allen ermöglichen, Forschung damit zu betreiben (das Einverständnis der Betroffenen im Einzelfall vorausgesetzt).
    3) Zugang zu den Ergebnissen für alle. Das heisst, Forschungsergebnisse sollten für alle zugänglich veröffentlicht werden, unabhängig vom Ausgang des Experimentes.

    1. Sehr gute Zusammenfassung. Völlig einverstanden.

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