Eine Lehrerin als Instagram-Star – eine Auslegeordnung

Morena Diaz ist eine Schweizer Lehrerin, die als m0reniita einen Blog und einen Instagram-Account mit über 60’000 Abos betreibt. Diaz arbeitet auf diesen Kanälen einerseits als »Influencerin«, d.h. sie verkauft ihre Reichweite an Marketing-Agenturen, für die sie ihrem Publikum Produkte anpreist – andererseits verfolgt Diaz auch eine Mission: Sie ist »body positive«, will also durch Bilder und Blogbeiträge zeigen, dass Frauen ihren Körper so lieben sollen, wie er ist. Wohlbefinden ist wichtiger als bestimmten Normen zu entsprechen.

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Diaz ist ein Beispiel für die Widersprüchlichkeit der Body-Positive-Bewegung, bei der die Vorgaben der Model-Industrie durch die Social-Media-Inszenierung von hübschen, selbstbewussten und weißen Frauen kritisiert werden. Wie kann das Problem, dass Frauen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung beurteilt werden, durch schöne Instagram-Bilder von Frauen gelöst werden?

Lassen wir diese Überlegung beiseite, so stellt sich aufgrund der aktuellen Berichterstattung zu Diaz die Frage, ob eine Lehrerin sich im Bikini auf Instagram zeigen darf.

Die Präsidentin des aargauischen Lehrerverbandes, Elisabeth Abbassi, sieht das Instagram-Profil von Diaz kritisch. Einerseits könnten die Fotos ein schlechtes Bild bei den Eltern der Schüler abgeben, andererseits mache sich Morena Diaz das Leben bei einer zukünftigen Stellensuche als Lehrerin durch ihren Auftritt selbst schwer.

Ob es klug ist, Social Media so zu verwenden, kann unterschiedlich eingeschätzt werden – je nach der Wirkung, die der Account auf Eltern, Lernende oder Schulleitungen hinterlässt. Da aber eine Lehrerin selbstverständlich im Bikini baden darf, ist davon auszugehen, dass sie dabei auch Bilder machen und diese im Netz veröffentlichen darf – Lehrpersonen verzichten nicht auf Meinungsäußerungsfreiheit, weil sie unterrichten. Werden sie deswegen benachteiligt, fände ich es seltsam, ihnen dafür Vorwürfe zu machen.

Aber wie sieht es mit der Vorbildfunktion aus? Was auch immer diese ominöse Funktion genau bedeutet (für mich bedeutet sie, mit Lernenden offen zu sein und ihnen zu zeigen, wie ich mit eigenen Schwächen umgehe): Weshalb sollte es vorbildlich sein, sich nicht im Badeanzug zu zeigen? Diaz ist nicht im Bikini in der Schule, sondern am Strand. Sollte sie dort als Lehrerin verkleidet hingehen oder keine Bilder machen, weil sonst ihre Schülerinnen und Schüler wüssten, dass sie am Meer keine langen Hosen trägt?

Bleibt ein letztes Problem: Diaz ist »Influencerin«, sie arbeitet also, wenn sie Bilder auf Instagram veröffentlicht. Diese Nebentätigkeit muss mit ihrer Arbeit vereinbar sein, die Schulleitung muss darüber informiert sein, wie stark die dadurch erfolgte Belastung ist, um sicherstellen zu können, dass die Lehrtätigkeit nicht beeinträchtigt wird. Dieser Aspekt der Social-Media-Tätigkeit scheint mir der einzige zu sein, bei der Potential für ein Problem vorhanden ist: Fehlt etwa die Transparenz in Bezug auf den Geldfluss, dann kann durchaus die Situation auftreten, dass Diaz im Unterricht Kleider trägt, für die sie Marketing betreibt. Diese Vermischung der beruflichen und der nebenberuflichen Tätigkeit hätte dann nichts mehr mit Meinungsäußerungsfreiheit zu tun.

 

14 Kommentare

  1. Axel krommer sagt:

    Die Schwachstelle der Argumentation ist aus meiner Sicht folgender Satz:

    „Da aber eine Lehrerin selbstverständlich im Bikini baden darf, ist davon auszugehen, dass sie dabei auch Bilder machen und diese im Netz veröffentlichen darf“

    Natürlich darf sie im Bikini baden. Es wäre aber sehr merkwürdig, wenn sie 60.000 Menschen dazu einlüde, ihr beim Baden im Bikini zuzusehen. Genau das macht sie bei Instagram.

    Dein Text atmet schon deutlich den Geist der Post-Privacy-Bewegung. Aus dieser Perspektive ist es wohl kaum noch nachvollziehbar, dass es Menschen gibt, die es – euphemistisch gesagt – komisch finden, wenn sich ausgerechnet eine Grundschul-Lehrerin öffentlich im Bikini inszeniert. Doch es gibt diese Menschen noch. Und ich bin sicher, dass sie in der Mehrzahl sind, daher die ganze Aufregung.

    Ich bin aber auch sicher, dass sich die gesellschaftlichen Werte in Richtung Post-Privacy verschieben werden, so dass sich in ein paar Jahren niemand mehr über Lehrerinnen im Bikini echauffieren wird. Diesen Wertewandel kann man jedoch nicht erzwingen, er geschieht – wie der Sprachwandel – durch Kräfte der „invisible hand“ (Keller).

    Ich persönlich hoffe sehr, dass der Wandel zur Post-Privacy-Gesellschaft noch ein paar Jahrzehnte dauern wird 😉

  2. Das einzige Argument gegen diese Form des Engagements/Betätigung/Nebenerwerb können gesetzliche Regelungen sein. Ansonsten gilt auch hier Meinungsfreiheit. Ich finde besonders den Aspekt der Vorbildfunktion sehr interessant. Jemand kann expressiv und kongruent sein. Und somit sehr gut als Vorbild taugen, auch wenn man solche Fotos nicht selber machen und/oder veröffentlichen würde.

  3. Marco Bischofsberger sagt:

    Kann durchaus sein. Aber die Vorbildsfunktion ist nur die eine Sache. Was mich hier besonders interessiert, ist die Grenzlinie zwischen privat und öffentlich. In meinem Kanton (BS) kann ich als Lehrperson nur unter gewissen Auflagen (Info an ED) öffentlich Stellung nehmen zu bildungspolitschen Inhalten. In anderen Kantonen (AG) bin ich als Gymasiallehrperson nicht einmal in den Grossrat wählbar.

    1. Hast du einen Link zu einer Weisung, wo das mit den Auflagen für die Stellungnahme steht?

      1. Marco Bischofsberger sagt:

        Steht leider in einem geschützten Bereich.

  4. brueedi sagt:

    Ich behaupte jetzt einfach mal, dass frau diaz nie und nimmer solche bilder publizieren würde, wäre sie bei einer bank oder versicherung oder verwaltung oder … angestellt – obwohl sie dort keine vorbild-funktion hätte (sic!)

    1. Damit kommen wir nicht weiter. Recherchier doch mal, wo die 50 wichtigsten Influencerinnen der Schweiz arbeiten, dann haben wir eine sachliche Grundlage für diese Argumentation.

      1. brueedi sagt:

        Wenn schon, würde ich eher nach weiteren Primarlehrerinnen recherchieren, die ihren Körper bei Insta bewirtschaften – und behaupte statt dessen lieber gerade auch noch, dass sie die einzige ist, die das tut. Und ich rede von „den Körper bewirtschaften“, und nicht von Bikini-Bildern. Und erkläre, dass ich nicht einmal etwas dagegen hätte, wenn sie gegen Anstellungsbedingungen verstossen würde.

    2. Wenn die Diskussion darin besteht, Behauptungen aufzustellen, ziehe ich mich zurück. Kann man machen, bringt uns aber nicht weiter bei diesen Fragen, denke ich.

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