Die 5Ds und 5S der Klimawandelskepsis und ihre Bedeutung für die Netzkommunikation

Peer Espen Stoknes‘ Buch über die Psychologie des Klimawandels habe ich über eine Folge des ausgezeichneten You Are Not So Smart-Podcasts kennen gelernt. Stoknes ist ein norwegischer Wirtschaftspsychologe, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Erkenntnisse in Bezug auf den Klimawandel so kommuniziert werden können, dass sie handlungswirksam aufgenommen werden.

Der ersten Abschnitt seines Buches beschäftigt sich mit dem »psychologischen Klimaparadox« (alle Übersetzungen von mir):

Wir wissen, dass die Fakten der Klimawissenschaft mit jedem Jahr besser dokumentiert und dramatischer werden. Wir wissen auch, dass die meisten Menschen aber entweder nicht daran glauben oder sie in ihren Handlungen nicht berücksichtigen. Daraus resultiert die einfache Frage: Warum? (Kindle Pos. 327)

Diese Frage beantwortet Stoknes zusammenfassend mit 5Ds, welche psychologische Hemmnisse bezeichnen, die Menschen die Rezeption der Klimaforschung erschweren:

  1. Distanz.
    Die Auswirkungen des Klimawandels treten erst in ferner Zukunft ein und betreffen Menschen, die von uns weit entfernt leben.
  2. »Doom«.
    Wird die Gefahr des Klimawandels als drastische Katastrophe präsentiert, der man nur mit großen Opfern begegnen kann, entsteht ein Gefühl von Ohnmacht, was dazu führt, dass Menschen gar nicht mehr hinhören, wenn Warnungen ausgesprochen werden.
  3. Dissonanz.
    Kognitive Dissonanz entsteht unter anderem dann, wenn unser Wissen mit unseren Handlungen nicht übereinstimmt. Das ist beim Fleischkonsum und beim Verbrennen fossiler Brennstoffe heute der Fall. Dasselbe trifft auch auf den sozialen Vergleich zu: Wenn meine Haltung von anderen nicht geteilt wird, schwächt das meine Haltungen. Bei den Fakten zum Klimawandel orientieren Menschen sich stärker an ihren Handlungen und an anderen Menschen – und sind bereit, ihre Überzeugungen dafür zu ändern.
  4. »Denial«.
    Wer verneint, dass der Klimawandel sich so abspiele, wie er wissenschaftlich erforscht wurde und wird, kann sich Angst und Schuldgefühle ersparen. Mehr noch: So gelingt eine Art Revanche gegenüber den Menschen, die unsere Handlungen kritisieren, alles besser wissen und uns vorschreiben, wie wir leben sollen. Diese Art der Realitätsverweigerung hat mit Selbstverteidigung zu tun und ist kein Resultat von mangelnder Intelligenz oder fehlenden Informationen.
  5. iDentität.
    Identität ist ein Filter für die Weltwahrnehmung. Wir hören das, was uns bestärkt und bezweifeln, was unser Selbstbild infrage stellt.

Diese Barrieren geben Hinweise darauf, wie eine Botschaft formuliert werden muss, die ankommt und wirkt. Und das lässt sich, so mein Eindruck bei der Lektüre des Buches, auf Netzkommunikation allgemein ausdehnen:

  • Botschaften so formulieren, dass sie nahe bei denen angesiedelt sind, die sie hören sollen. Persönliches, Lokales, Menschliches wirkt.
  • Darstellungen so rahmen, dass Handlungsmöglichkeiten und (positive) Unterstützung akzentuiert werden, um negative Gefühle zu vermeiden.
  • Dadurch wird auch das Bedürfnis reduziert, durch Leugnung Selbstverteidigung zu betreiben.
  • Klare Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, um kognitive Dissonanz zu verhindern.
  • Das soziale Umfeld aktivieren, um Anschlussfähigkeit zu ermöglichen (Stoknes berichtet von einer Untersuchung, die belegt, dass die stärkste Korrelation für die Installation von Solaranlagen die Anzahl der Nachbarhäuser sind, auf denen ebenfalls Solaranlagen installiert sind).

Stoknes hat für diese Forderungen zur Orientierung 5S formuliert:

  1. Sozial.
    Soziale Netze und Beziehungen aktivieren.
  2. »Supportive«.
    Die Botschaft mit positiven Gefühlen unterstützen.
  3. Simple. 
    Botschaften wie auch Handlungen, die helfen, stark vereinfachen.
  4. »Story-based«.
    Geschichten stellen Gemeinschaft und Bedeutungen her, sie vermitteln Werte überzeugend.
  5. Signale.
    Mit Signale bezeichnet Stoknes Indikatoren, an denen sich die Wirksamkeit des eigenen Verhaltens ablesen lassen.

Seinem Programm sollte durchaus auch mit Skepsis begegnet werden: Klima-Marketing ist so gesehen eine starke Manipulation. Die Rechtfertigung dafür liegt in den Barrieren und in der Bedeutung des Themas – und doch überlistet man Menschen damit.

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