»Führt die intensivere Smartphonenutzung zu einer tieferen Frustrationstoleranz?« Die Frage scheint naheliegend und auch intuitiv beantwortbar. Sie ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass medienpädagogische Zusammenhänge komplexer sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Vor dem Versuch einer Antwort zuerst also eine kurze Kritik dieser Art von Fragen:
Die Frage ist ungenau. Sowohl die Art der Smartphonenutzung (was wird damit genau gemacht) als auch eine Bestimmung der davon betroffenen Personen (inbesondere ihr psychologisches Profil) werden weggelassen. Die Frage müsste genauer wie folgt lauten:
Welche Art von Smartphonenutzung führt zu einer tieferen Frustrationstoleranz? Wer ist davon besonders betroffen, wer weniger?
Die Allgemeinheit der Frage ist aber nicht ein Zufall: Es geht letztlich darum, eine starke These vertreten zu können, ein Urteil über die Auswirkungen der Smartphonennutzung zu fällen. Doch die Forschung lässt eigentlich in keinem Bereich ein solches allgemeines Urteil zu. Sehr häufig werden Studierende befragt, die für die Teilnahme an Studien Credits bekommen – so dass die meisten Forschungsresultate sich nur auf junge Erwachsene in einem akademischen Kontext anwenden lassen.
Die Frage bringt ein weiteres Problem mit sich: Wie soll man das messen? Frustrationstoleranz ist hochgradig subjektiv. Untersuchungen können also entweder direkt oder indirekt nach Frustrationstoleranz fragen oder aber eine Annahme darüber treffen, mit welchen Tests sich Frustrationstoleranz objektivieren lasse. Im einen Falle entstehen Verzerrungen durch die Befragung, im anderen durch das Modell. Kurz: Es ist nicht einmal klar, ob sich die Frage überhaupt beantworten lässt.
Nun aber doch zu einigen Einsichten.
(1)
Elhai et al. (2016) haben in einer Meta-Studie ein Modell für die Verbindung von psychologischen Problemen und Krankheiten und Smartphone-Benutzung herausgearbeitet. Es besagt, dass Depressionen, Nervosität oder Stress intensivere Smartphone-Nutzung auslösen können. Sie steht dann im Rahmen einer umfassenden Strategie der »experital avoidance«, also der Vermeidung von (unangenehmen) Erlebnissen. Smartphone-Nutzung selbst kann die Krankheitsbilder und Symptome aber verstärken – Thomée et al. (2011) haben in einer Langzeitstudie etwa eine Korrelation zu höherem Stress, Depressionen und Schlafproblemen gemessen.
Überträgt man diese allgemeineren Einsichten auf Frustrationstoleranz, so dürfte davon auszugehen sein, dass eine tiefe Frustrationstoleranz zu intensiveren Smartphonenutzung führt, sie umgekehrt aber davon auch verstärkt wird. Allgemein dürfte Smartphonenutzung als verstärkender Faktor bei einer Reihe von psychischen Problemen bezeichnet werden.
(2)
Eine Untersuchung von Chang et al. (2015) unterscheidet zwei Typen und verschiedene Arten von Mediennutzung. »Field Independence« bezeichnet Menschen, die sich von ihrem Umfeld kaum ablenken lassen, sich also introvertierter verhalten. Sie sind anfällig für niedrige Frustrationstoleranz. »Field Dependence« hingegen wird für Menschen verwendet, die anfällig für Ablenkungen sind, sich aber stärker auf soziale Interakation einlassen.
Die Studie hat nun gezeigt, dass sich richtig eingestellte Computerspiele dazu verwenden lassen, bei beiden Gruppen Verbesserungen hinsichtlich ihrer Schwächen zu erzielen. Introvertierte wurden durch soziale Spielelemente dazu gebracht, mit Peers zu interagieren, was zu einer messbaren Erhöhung ihrer Frustrationstoleranz geführt hat. (Genau so wie die andere Gruppe ihre Lernfähigkeit verbessert hat.)
Die Studie von Chang zeigt bemerkenswerterweise, dass Frustrationstoleranz auf einem Spektrum angesiedelt ist: Wer eine tiefe hat, kann sich dafür sehr gut konzentrieren und schnelle kognitive Lernfortschritte machen. Wer eine hohe hat, ist sozial stark verbunden, lässt sich aber leichter ablenken. Auf beide wirken bestimmte Arten von Smartphonennutzung.
Kurz: Frustrationstoleranz und Smartphonenutzung sind genau wie ihre Untersuchung sehr komplex. Einfache Aussagen dazu sind meistens zu einfach.