Kinder, Medien und die 3-6-9-12-Faustegel

Vor zwei Wochen habe ich wieder einmal einen medienpädagogischen Elternbildungsabend durchgeführt. Dafür habe ich auch die Broschüren von Jugend und Medien konsultiert und diesen Flyer für die Zuhörenden ausgedruckt.

Aufgefallen ist mir dabei die griffige Faustregel, die ich dann etwas abgewandelt habe: bildschirmfoto-2017-01-23-um-17-43-16

Es stellte sich heraus: Ich habe eine veraltete Version der Broschüre verwendet, in der Zwischenzeit wurde die Faustregel umformuliert.

Was auch immer die präzisen Vorschläge oder Hinweise sind: Einig sind sich Fachleute darin, dass

  • Kinder bei der (digitalen) Mediennutzung begleitet werden sollten
  • die Angebote auf ihre kognitive Entwicklung abzustimmen sind (so können kleine Kinder schlicht nicht verstehen, wer ein Instagram-Bild sehen kann)
  • Eltern vernünftige Grenzen setzen sollen, gegen die sich Kinder dann gegebenenfalls wehren können.

In Bezug auf konkrete Zeitangaben, die Frage, ob Dreijährige auf einem iPad Apps benutzen sollen oder ob sie gar beim Zahnarzt oder im Zug mit einem Mobiltelefon »ruhig gestellt« werden sollen, gehen die Meinungen auseinander. Das hat auch damit zu tun, dass sich Grenzen laufend verschieben: Mit welchen Geräten Medien konsumiert werden und welche Dienste on-/offline sind, verändert sich laufend.

Debatten zu diesem Thema – wie die kürzlich im Mamablog von Nadia Meier angestoßene – verlaufen zwar oft sehr hitzig, sind aber meist wenig ergiebig: Eltern, die sich über die Mediennutzung ihrer Kinder Gedanken machen, werden ihre kognitive und emotionale Entwicklung einbeziehen und vernünftige Entscheidungen fällen – im Kontext ihrer pädagogischen Begleitung. Leitplanken ergeben sich so von selbst – aber nicht für die Eltern, welche sich nicht um Medienpädagogik kümmern können oder wollen.

Hier liegt denn letztlich auch das wesentliche Problem: Medienpädagogische Empfehlungen erreichen betroffene Eltern gar nicht, auch, weil ihnen häufig die Ressourcen für solche Erwägungen fehlen. Moralische Grabenkämpfe über 15 Minuten Medienzeit pro Tag oder das Erlauben von Apps oder WhatsApp zu führen, helfen jedoch niemandem. Sie führen möglicherweise zum Gefühl der moralischen Überlegenheit – Meier zitiert sogar aus Goethes Zauberlehrling – oder zu einem schlechten Gewissen: Für die Entwicklung von Kindern haben aber Entscheidungen in diesem Bereich einen zu vernachlässigenden Einfluss.

Auch Forderungen wie die, wonach Kinder Langweile aushalten müssen oder nicht mit Reizen überschüttet werden dürften,  sind letztlich nichts anderes als Abgrenzungs- und Legitimierungsversuche zwischen konkurrenzierenden Eltern. Lockerheit und das Bewusstsein, dass pädagogische Entscheidungen oft von einer großen Unsicherheit begleitet werden und einen Anteil Willkür enthalten, helfen weiter als das Bestehen auf festen medienpädagogischen Positionen.

3 Kommentare

  1. brueedi sagt:

    Ich weiss beim besten Willen nicht, was ich machen würde, hätte ich heute Kinder in diesem Alter. Und ob ich, eben Grossvater geworden, mit dieser Frage einmal konfrontiert werde, weiss ich grad auch nicht. Wer weiss, was in 3-6-9-12 Jahren ist.

    Heute beschäftigt mich die Frage, warum sich LehrerInnen mit dieser Frage auseinandersetzen. Ich bin nach wie vor der felsenfesten Ueberzeugung, dass die VolksschullehrerInnen den Computer nicht als Lehr- und Lernmittel einsetzen können.

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